Die Niederlande haben ein neues Überwachungsgesetz beschlossen. Die nationalen Sicherheitsbehörden dürfen ab nächstem Jahr einen Großteil der kabelgebundenen Datenströme überwachen und die so gewonnen Daten bis zu drei Jahre speichern.
Der Inhalt im Überblick
Der Staat hört mit
Der weltweite „Kampf gegen den Terror“ treibt nationale Gesetzgeber immer wieder dazu, die anlasslose Überwachung der eigenen Bürger auszuweiten. War bis vor ein paar Jahren Großbritannien noch in der Kritik als mustergültiger „Big Brother“-Staat, stehen die Briten schon lange nicht mehr allein dar. Nachdem die große Koalition zuletzt ihre Legislaturperiode mit der durch die Hintertür eingeführten Quellen-TKÜ krönte, hat auch das niederländische Parlament nachgezogen und in der letzten Woche mit großer Mehrheit das umfassendste Überwachungsgesetz in der Geschichte des Landes beschlossen.
Die neuen Befugnisse der Geheimdienste
Nach den neuen Vorschriften dürfen die niederländischen Sicherheitsbehörden und Geheimdienste nun einen Großteil des Internetverkehrs überwachen. Umfasst sind sowohl die E-Mail-Kommunikation, Einträge in sozialen Netzwerken aber auch Telefongespräche. Zudem soll den Behörden ermöglicht werden, etwa neben den Metadaten der Telekommunikation auch besuchte Websites zu protokollieren. Betroffen sind somit sämtliche kabelgebundenen Kommunikationswege des Landes.
War die zielgerichtete Überwachung von Verdächtigen bereits jetzt schon möglich, erlaubt das neue Gesetz ein umfassendes systematisches Abhören und die Analyse der Online-Kommunikation einer großen Anzahl unverdächtiger Bürger.
Die Überwachung steht dabei auch nicht mehr unter einem Richtervorbehalt. Genehmigt werden Abhöraktionen zukünftig von Innen- und Verteidigungsminister. Zudem soll eine parlamentarische Überprüfungskommission eingesetzt werden, die kontrollieren soll, ob sich die Geheimdienste an dann geltendes Recht halten. Die Ermittler dürfen die so gewonnenen Erkenntnisse zukünftig auch mit „befreundeten“ Geheimdiensten teilen und an verbündete Länder weitergeben.
Es gibt eine Opposition
Nach Erklärung des Innenministeriums diene das neue Gesetz „der öffentlichen Sicherheit“. Wie aber die Sicherheit durch so umfassende Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte unzähliger, unverdächtiger Bürger erhöht werden soll, bleibt dabei – wie so oft – ungeklärt.
Seit der Veröffentlichung des Gesetzesentwurfs hagelt es auch massiv Kritik von Datenschützern und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Insbesondere die Speicherdauer der Daten von drei Jahren wird als unverhältnismäßig betrachtet. Mehr als ein Dutzend Bürgerrechtsorganisationen haben daher bereits angekündigt, gegen das Gesetz klagen zu wollen. Darunter unter anderem der Journalistenverband, die Vereinigung Privacy First und die Vereinigung der Strafgerichtsanwälte.
Grenzen der Überwachung
In Deutschland hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass derartig tiefgreifende Gesetze durch die Rechtsprechung zurechtgestutzt oder für unzulässig erklärt wurden. Aktuelles Beispiel dafür ist die Vorratsdatenspeicherung. Diese erlaubt die Speicherung personenbezogener Daten durch oder für öffentliche Stellen, ohne dass diese aktuell benötigt werden.
Hier hatte das Bundesverfassungsgericht die deutschen Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung zuletzt im März 2010 für unzulässig erklärt. Dieser Ansicht schloss sich im April 2014 auch der EuGH an und erklärte die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, auf der das Gesetz basierte, für ungültig. Trotzdem versuchte es Deutschland erneut und verabschiedete ein weiteres Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, welches sich an die im Jahr 2010 vom BVerfG in seinem Urteil aufgestellten Vorgaben halten sollte. Auch diesem bescheinigte das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen im Juni 2017 eine Unvereinbarkeit mit EU-Recht. Daraufhin hat die Bundesnetzagentur die Speicherpflicht für Internetprovider zunächst ausgesetzt.