Am 7.5.2017 wird in Schleswig-Holstein ein neuer Landtag gewählt. Über den Wahl-O-Mat kann man die Haltung der Parteien zu unterschiedlichen Themen vergleichen und das Endergebnis zur Entscheidungsfindung nutzen. Im Folgenden werden die Begründungen der Parteien zum Thema Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen dargestellt.
Der Inhalt im Überblick
Begründungen zu „Mehr Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen!“
Grundlage für die Thesen sind die Partei- und Wahlprogramme der Parteien und deren Aussagen zur Wahl. These 10 lautet „Mehr Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen!“. Das sind die Begründungen der Parteien:
CDU
„Wir wollen, dass sich die Menschen in unserem Land sicher fühlen. An belebten öffentlichen Plätzen und Kriminalitätsschwerpunkten werden wir die Videoüberwachung ausbauen.”
SPD
„Wir sind der Auffassung, dass die Regelungen des Landesverwaltungsgesetzes über die Videoüberwachung auf öffentlichen Flächen ausreichend sind. Eine Ausweitung der Überwachung öffentlicher Flächen kann nur auf Basis dieser Kriterien erfolgen.”
Grüne
„Das Landesdatenschutzgesetz erlaubt bereits Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen, soweit und solange konkrete Gefahren dies erforderlich machen.”
FDP
„In einem bestimmten Maße kann Videoüberwachung sinnvoll sein (wie z.B. an Bahnhöfen). Wir setzen aber vor allem auf mehr Polizeibeamte auf den öffentlichen Plätzen, die sich konkret um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger kümmern und wollen keine flächendeckende Videoüberwachung, die die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger einschränken würde.”
Piraten
„Die zunehmende pauschale Videoüberwachung z.B. auf öffentlichen Plätzen oder im öffentlichen Nahverkehr dient nur einer gefühlten Sicherheit. Sie erhöht weder Aufklärungsquoten, noch verhindert sie Straftaten. Ständige Beobachtung greift unverhältnismäßig in die Privatsphäre der Menschen ein und führt zu einem angepassten Verhalten. Wir lehnen eine Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Flächen und Räume strikt ab. Wir setzen uns stattdessen für wirksame Maßnahmen der Kriminalprävention ein.”
DIE LINKE
„Videoüberwachung führt nicht zu mehr Sicherheit. Kameras verhindern keine Straftaten und gefährden das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Vielen Menschen ist es unangenehm, von Kameras beobachtet zu werden. Viele lehnen es ab, dass ihre persönlichen Daten gesammelt werden und möglicherweise an Dritte gelangen. Wir werden uns gegen die Ausweitung von Videoüberwachung einsetzen sei es auf öffentlichen Straßen und Plätzen oder bei Demonstrationen und politischen Versammlungen!”
AfD
„Die AfD spricht sich hierfür im Interesse der Gefahrenabwehr und zum Schutz unserer Bürger vor immer dreisteren Übergriffen im öffentlichen Raum aus. Gleichwohl muss der Datenschutz unbescholtener Bürger absolut gewährleistet sein.”
Wie ist das Thema datenschutzrechtlich zu bewerten?
Das Urteil des BVerfG (1 BvR 2368/06) aus dem Februar 2007 macht deutlich, welch intensiven Eingriff Videoüberwachung öffentlicher Plätze in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt. Das BVerfG führt im Urteil aus, dass die offene Videoüberwachung eines öffentlichen Ortes abschreckend wirken soll und kann, und insofern das Verhalten der Betroffenen lenkt.
In dem Urteil wurden insbesondere verdachtslose Eingriffe mit großer Streubreite als kritisch beurteilt. Im Ergebnis fordert das BVerfG für eine zulässige Videoüberwachung in dem Urteil, dass ein „hinreichender Anlass“ bestehen muss. Daneben soll das „Übermaßverbot“ für Überwachung und Aufzeichnung insbesondere in räumlicher und zeitlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Möglichkeit der Auswertung der Daten gewahrt werden. Die aktuelle Rechtslage setzt eine Abwägung zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Überwachung zur Durchsetzung der Schutzinteressen voraus.
Das Bundesverfassungsgericht hatte das Recht auf informationelle Selbstbestimmung 1983 in seinem Volkszählungsurteil aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht entwickelt. Dieses wiederum stützt sich auf den Schutz der Menschenwürde sowie die freie Entfaltung der Persönlichkeit. An dieser Stelle ist es erwähnenswert, dass eine Videokamera eine massive Beeinträchtigung für die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Einzelnen darstellt. Passanten auf öffentlichen Plätzen könnten sich zukünftig noch stärker beobachtet fühlen. Besonders kritisch gesehen werden Kameras, die Ihre Blickperspektive ändern und somit Passanten verfolgen können. Stellen Sie sich mal bildlich vor, wie sie sich fühlen würden, wenn Sie jemand ständig durch die Linse verfolgt. Würden sie sich etwa „normal“ verhalten? Darüber hinaus ist die Speicherung und Verarbeitung der Aufnahmen noch ein weiterer Punkt, der das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Einzelnen beeinträchtigt.
Breites Spektrum an Positionen
Klare Worte gegen den Ausbau von Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen sprechen SPD, Grüne, Piraten, DIE LINKE aus. Eine andere Ansicht vertreten CDU und FDP. Diese wollen eine Videoüberwachung auf bestimmte Plätze erweitern. Die AfD ist für eine Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen und will gleichzeitig „den Datenschutz unbescholtener Bürger absolut gewährleisten“.
Abschließend lässt sich sagen, dass gerade bei der Videoüberwachung das altbekannte Phänomen des Spannungsfeldes zwischen Freiheit und Sicherheit erkennbar wird. Letztendlich entscheidet auch der Wähler mit seiner Stimme, welchen Stellenwert er dem einzelnen Gut einräumt und in welchem Umfang / in welcher Weise dieses gewährleistet werden soll.