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Schule 2.0: Einführung von digitalen Klassenbüchern

Schule 2.0: Einführung von digitalen Klassenbüchern

Die Schule befindet sich inmitten eines digitalen Transformationsprozesses. Das elektronische Klassenbuch soll dabei eine digitale Lösung für Zusammenarbeit in pädagogischen und administrativen Prozessen sein. Datenschutz, Minderjährige und besonders sensible Daten ergeben hierbei inmitten des föderalen Normendschungels ein brisantes Thema. Zum einen sieht die DSGVO hier einen erhöhten Schutzbedarf vor. Zum anderen verstehen Eltern, wenn es um die lieben Kleinen geht, meist keinen Spaß. Also für die Lehrerschaft kein einfaches Unterfangen, mit begrenzten Schulmitteln den nächsten beherzten Schritt zur Digitalisierung des Schulalltags zu machen und es gleichzeitig allen Seiten recht zu machen.

Digital statt Zettelwirtschaft

„Hast Du etwa Deine Hausaufgaben nicht gemacht, Nietnagel?“ Wem hier ein Lämpchen in der Kopfform von Theo Lingen aufgeht, den wird das Thema „digitales Klassenbuch“ nur noch peripher tangieren. So verstaubt die „Pauker“-Filme aus den 60ern auch sind, so viel hat sich aber im Schulsystem lange Zeit doch nicht verändert. Denn selbst bei „Fack ju Göhte“ hatte das digitale Klassenbuch noch keinen Einzug in den Schulalltag gefunden.

Nun sollen sie aber vorbei sein diese Zeiten. Die Zeiten, in denen Lehrer das Klassenbuch zum Beginn des Unterrichts demonstrativ auf den Tisch hauen konnten, um die notwendige Aufmerksamkeit zu bekommen. Die Zeiten, in denen „aufsässiges“ Schülerverhalten oder Verspätungen feinsäuberlich im Klassenbuch notiert, sorgfältig in der Lehrertasche verstaut und zusammen mit den Klassenarbeitsheften mit nach Hause geschleppt werden mussten. Das Lernen in der Schule geht mit der Zeit. So auch das Klassenbuch.

Wofür wird das (digitale) Klassenbuch geführt?

Aber für erstmal alle, die keine Lehrer sind, schon zu lange aus dem Schulalltag raus sind oder es bis heute nie so genau wissen wollten: Was ist das Klassenbuch genau und wofür ist es so wichtig?

Das Klassenbuch – auch Klassentagebuch oder in der Oberstufe Kursbuch genannt – dient der Klassenverwaltung, Unterrichtsplanung und -dokumentation. Es soll insbesondere den behandelten Unterrichtsstoff für jede Stunde, die Hausaufgaben, Abwesenheiten und Verspätungen der einzelnen Schüler sowie besondere Vorkommnisse dokumentieren. Zudem enthält das Klassenbuch ein Schülerverzeichnis inklusive der Kontaktdaten der Erziehungsberechtigten, Stundenpläne mit einer Übersicht der unterrichtenden Lehrer sowie eine Übersicht darüber, welche Schüler welchen Klassendienst übernommen haben.

Digital vs. Papier: Vorteile und Nachteile digitaler Klassenbücher

Eine Menge Informationen also, welche der zum Klassenbuchführer ernannte Schüler besser nicht verbaseln sollte. Nicht zuletzt aus diesem Grund sollen digitale Klassenbücher langfristig die papierbasierte Dokumentation ersetzen. Darum macht die Digitalisierung des Klassenbuchs Sinn:

  1. Erleichterte Anwendung und Zeitersparnis:
    Digitale Klassenbücher ermöglichen z.B. eine schnellere und effizientere Verwaltung von An- und Abwesenheiten der Schüler. Das Verfassen von Stundenberichten wird vereinfacht. Die Lehrerkräfte können die Stoffverteilungspläne bzw. Unterrichtsinhalte im Klassenbuch eingeben und danach direkt für die Einträge im Klassenbuch nutzen. Insgesamt soll das elektronische Klassenbuch zur Entlastung der Lehrkräfte beitragen.
  2. Übersichtlichkeit:
    Sekretariat, Lehrer, Schüler und Eltern können mit ihren mobilen Endgeräten – sei es Laptop, Tablet oder Smartphone – via Mobilanwendung von verschiedenen Orten auf Teile des Klassenbuchs (z.B. Stundenplan und Klausurtermine, Hausaufgaben und [un-]entschuldigte Abwesenheiten) zugreifen, was die Kommunikation und Transparenz fördern (und so manchen Schüler in Bredouille bringt). Überdies können beispielsweise Vertretungen von der Schulleitung eingetragen werden, welche über die Mobilanwendung entsprechende Hinweise auf ihr Smartphone zur Unterrichtsvorbereitung erhalten. Zudem sehen Klassenleiter auf einen Blick, welche Kollegen sich noch nicht eingetragen haben oder wann die Klasse Klausuren schreibt und wann welche Klassen abwesend sind.
  3. Nachhaltigkeit:
    Die Reduzierung von Papierverbrauch trägt zum Umweltschutz bei und fördert eine nachhaltige Schulverwaltung. Das digitale Klassenbuch ist auch nicht durch einen Seitenzahl begrenzt. Ein weiterer positiver Nebeneffekt könnte auch die Reduzierung von Rückenschmerzen sein, wenn die Lehrkräfte insgesamt nicht mehr so viel zu tragen haben.

Und weil das natürlich zu schön wäre, um wahr zu sein, gibt es auch ein paar kleine Haken bei der Einführung des elektronischen Klassenbüchleins:

  1. Datenschutzbedenken:
    Der Einsatz digitaler Klassenbücher wirft Fragen bezüglich des Datenschutzes auf, insbesondere im Kontext sensibler Schülerdaten. Dabei müssen die Software und die mobilen Endgeräte zur Nutzung den besonderen Sicherheitsanforderungen genügen.
  2. Technische Herausforderungen:
    Die Abhängigkeit von Technologie kann zu Problemen führen. So z.B. geeignete und funktionierende Hardware, zuverlässiges W-Lan sowie die Gefahr von Serverausfällen oder Softwareproblemen (z.B. Synchronisationsfehler), die den Zugang zu wichtigen Informationen einschränken. Das wiederum setzt einen verfügbaren IT-Support voraus. Die Akzeptanz in einem Kollegium hängt von der einfachen Bedienbarkeit der Software und der Zuverlässigkeit der Geräte ab.
  3. Kosten:
    Die Implementierung digitaler Klassenbücher erfordert neben dem anfänglichen Verwaltungsaufwand finanzielle Investitionen in die entsprechende Infrastruktur und Schulungen für Lehrer.

Welche datenschutzrechtlichen Aspekte spielen beim digitalen Klassenbuch eine Rolle?

Datenschutzvorschriften an Schulen sind in den Schulgesetzen der einzelnen Bundesländer verankert. Die Kulturhoheit der Länder ergibt sich im deutschen Föderalismus aus der Kompetenzvermutung des Grundgesetzes.

Jedes Bundesland setzt sich also mittels

  • Landesschulgesetzen,
  • Schuldatenschutzverordnungen,
  • Verwaltungsvorschriften bzw. Richtlinien,
  • Erlässen bzw. Dienstverordnungen

eigenständig mit der Frage auseinander, wie der Umgang mit Schülerdaten in elektronischen Klassenbüchern und anderen personenbezogenen Daten im Rahmen der Digitalisierung des Schulalltags geregelt werden soll.

Gemeinsam ist allen Normen, dass vorrangig die Bestimmungen der DSGVO beachtet werden müssen. Regelungen darüber, welche Daten in welcher Form erfasst werden dürfen und wer dafür die Verantwortung trägt, sind jedoch nicht einheitlich festgelegt.

Rechtsgrundlage: Welche Daten dürfen durch das Klassenbuch digital verarbeitet werden?

Nicht jedes Landesrecht enthält bis dato derart explizite Regelungen zum digitalen Klassenbuch wie beispielsweise der § 13 Schul-Datenschutzverordnung Schleswig-Holstein oder § 4 Abs. 5. Verordnung über die zur Verarbeitung zugelassenen Daten von Schülerinnen, Schülern und Eltern Nordrhein-Westfalen. Vielfach wird zwischen dem digitalen Klassenbuch und dem Klassenbuch in Papierform nicht unterschieden, wie in § 136 Thüringer Schulordnung oder § 5 Berliner Schuldatenschutzverordnung. Die meisten Bundesländern haben normiert, dass eine elektronische und damit automatisierte Datenerhebung zulässig sein kann, sofern dabei nur die Daten erhoben werden, die zur Erfüllung schulischer Aufgaben (und damit auch für das Klassenbuch in Papierform) erforderlich sind.

Diese bereichsspezifischen Regelungen konkretisieren auf Grundlage der europarechtlichen Ermächtigung aus Art. 6 Abs. 1 lit. e) und Abs. 3 DSGVO die Datenverarbeitungen, die bei Erfüllung der öffentlichen Bildungs- und Erziehungsaufgaben der Schule zulässig sind.

Die Festlegung, welche Daten Klassenbücher oder ähnliche Aufzeichnungen umfassen dürfen, variiert von Bundesland zu Bundesland. Grundsätzlich gilt, dass die Schulen nur die Daten auch digital erfassen dürfen, die im Datenkatalog der Verordnungen für traditionelle Klassenbücher festgehalten sind. Eine Erfassung von darüberhinausgehenden Daten bedarf der ausdrücklichen Zustimmung der betroffenen Personen, einschließlich Schüler (sofern die hierfür erforderliche Einsichtsfähigkeit besteht), Erziehungsberechtigte und Lehrkräfte. Eine Verarbeitung von Informationen über gesundheitliche Beeinträchtigungen darf beispielsweise nur mit ausdrücklicher Zustimmung der betroffenen Schüler oder ihrer Erziehungsberechtigten erfolgen. Solche Daten haben aber auch eigentlich in der Regel nichts im Klassenbuch zu suchen. In den meisten Ländern dürfen personenbezogene Leistungsdaten – insbesondere die Noten – weder im Klassenbuch für alle einsehbar sein noch dürfen Lehrer diese laut vor der Klassen für alle vorlesen.

Unterschiedliche Handhabung in den einzelnen Bundesländern bei ähnlichen Grundproblemen

Daneben zeigen sich bei einem Vergleich der Landesdatenschutzverordnungen bzw. Verwaltungsvorschriften z.T. erhebliche Unterschiede in den Bundesländern. In Baden-Württemberg beispielsweise führen die Schulen offenbar weiterhin die Klassenbücher noch parallel in Papierform bzw. drucken diese regelmäßig aus und archivieren diese. Grund hierfür ist anscheinend, dass eine datenschutzrechtlich einwandfreie Nutzung eines digitalen Klassenbuches mangels entsprechender Expertise und Kapazitäten nicht gewährleistet werden kann. Es komme insoweit auf die eingesetzte Software an, welche sich z.T. offenbar noch in der „Überprüfung“ befindet.

Zu einem ähnlichen Resultat kam auch der Gesamtpersonalrat Hamburg. Nachdem zunächst eine Vereinbarung zur Gestaltung eines Prozesses hinsichtlich der Pilotierung eines digitalen Klassenbuches getroffen wurde, wurde der Verlängerung der Prozessvereinbarung durch den Gesamtpersonalrat nicht zugestimmt, da es an mehreren Pilotschulen keine angemessene technische Ausstattung sowie zusätzliche zeitliche Ressourcen für die Anwendung des Verfahrens gab.

Wegen den besonders sensiblen Gesundheitsdaten i.S.d. Art. 9 DSGVO ist es in Mecklenburg-Vorpommern untersagt, Ergebnisse ärztlicher oder schulpsychologischer Untersuchungen digital zu speichern. Niedersachsen hält eine Risikobewertung und Folgenabschätzung vor Einführung des digitalen Klassenbuchs notwendig.

Wer ist nun konkret für die Einführung eines digitalen Klassenbuchs zuständig?

Bei der praktischen Umsetzung an der Schule sind selbstredend weitere Faktoren zu berücksichtigen. Grundsätzlich obliegt es der Schule, im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben eigenständig zu entscheiden, welche Instrumente sie für ihre internen Verwaltungsprozesse einsetzt.

Es ist jedoch ratsam, diese Entscheidung in Abstimmung mit dem Schulträger zu treffen, da dieser möglicherweise bereits eigene Pilotprojekte oder Plattformen für elektronische Klassenbücher eingeführt hat. Es ist zu beachten, dass in solchen Fällen möglicherweise die Zustimmung des Personalrats erforderlich ist.

Der Personalrat hat ein Mitspracherecht bei der Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die möglicherweise für eine Verhaltens- und Leistungskotrolle der Lehrkräfte sowie zur Verarbeitung personenbezogener Daten der Beschäftigten dienen können. Dies gilt auch für die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden. Insbesondere bei der Metamorphose des Klassenbuchs von der Papierform zum digitalen Allzwecktool scheiden sich die Geister in den einzelnen Bundesländern.

Die einzelnen Schulleitungen müssen prüfen, ob diese Maßnahmen tatsächlich zu einer merklichen Verbesserung der Arbeitsleistung führen. Im Hinblick auf das elektronische Klassenbuch ist es beispielsweise wichtig sicherzustellen, dass der zusätzliche Zeitaufwand für Anmelde- und Eintragungsvorgänge sowie der IT-Wartung nicht zu Lasten der Unterrichtszeit geht. Neben der Einbindung des Personalrats spielt schließlich auch die Rahmenvereinbarung zum Umgang mit Lern-, Informations- und Kommunikationsplattformen eine entscheidende Rolle.

Datensicherheit beim digitalen Klassenbuch

Die Schulen müssen die Verarbeitung personenbezogener Daten (nicht nur im Rahmen der Digitalisierung) so organisieren, dass allgemeine Datenschutz-Prinzipien eingehalten werden und dies auch nachweisen (Rechenschaftspflicht). Verantwortlich ist hierfür die Schulleitung. Neben der Umsetzung des eigentlichen Lehrauftrages ist dies kein leichtes Unterfangen.

Wie schon erwähnt, ist der Knackpunkt bei der datenschutzkonformen Umsetzung vielfach geeignete technische Maßnahmen zu ergreifen, personenbezogene Daten zuverlässig gegen Bedrohungen, Manipulation, unberechtigten Zugriff oder Kenntnisnahme abzusichern (Datensicherheit) und gleichzeitig eine einfach zu bedienende Software-Lösung anzubieten, welche den Schulalltag vereinfacht.

Need-To-Know: Auch beim digitalen Klassenbuch

Natürlich regeln die einzelnen Bundesländer nach dem „Need-To-Know“-Prinzip ein Berechtigungskonzept, wer berechtigt ist, auf welche der personenbezogene Daten im (digitalen) Klassenbuch zuzugreifen (abgesichert z.B. durch Zwei-Faktoren-Authentifizierung wie in Schleswig-Holstein oder Bayern). Für Schüler sowie für ihre Sorgeberechtigten darf der Zugriff auf das virtuelle Klassenbuch nur hinsichtlich der eigenen Person bzw. der Schülerin oder dem Schüler erfolgen, auf welche sich der jeweilige Eintrag bezieht. Auch Lehrer haben nicht zwingend auf dieselben Inhalte Zugriff wie das Verwaltungspersonal.

Bei den Lehrkräften stößt dieses „Least-Privilege“-Prinzip zum Teil auf Unverständnis, wie in Lehrerforen zu lesen ist. Hier wäre es  an der Schulleitung transparent Zugriffsbeschränkungen zu kommunizieren, damit sich einzelne Lehrkräfte nicht als potenzielles Datenschutzrisiko missverstanden fühlen.

Nutzung privater Endgeräte der Lehrer verboten, erlaubt oder erwünscht?

Die Auswahl der richtigen Software und die Bestimmungen zur ausschließlichen Nutzung von Dienstgeräten oder der Erlaubnis von privaten mobilen Endgeräten bereiten in der Praxis  offensichtlich die noch größeren Probleme. Sofern  das mobile Gerät nicht nur als Zugangsterminal dient, ist der Zugang zu den Daten in der Regel auf dienstliche Geräte beschränkt, wobei die Schulleitung die Nutzung von privaten mobilen Endgeräten (ausnahmsweise) genehmigen kann.

Zum Teil wird die Benutzung der Klassenbuch-Anwendung nur auf Geräten erlaubt, bei welchen beispielsweise das neuste Software-Update und die Antivirenschutz-Aktualisierung regelmäßig durchgeführt wird. In manchen Bundesländern – wie z.B. im Saarland, Sachsen, Rheinland-Pfalz oder Hamburg – ist die Nutzung privater Endgeräte den Lehrern erlaubt (bzw. wird stillschweigend erwartet), wenn diese versichern, dass die Daten vorschriftsmäßig durch ein Passwort, eine aktuelle Firewall, Verschlüsselung und Virenschutzprogramme geschützt werden. Schließlich birgt der Einsatz solcher Geräte naturgemäß ein höheres Risiko. Das sind hohe Anforderungen an die Lehrkräfte, was – verständlicherweise – zu Unmut führt.

Und das auch noch: Verarbeitungsverzeichnis und Auftragsverarbeitungsvertrag

Wie auch bei der sonstigen Einsetzung automatisierter Verfahren, muss darüber hinaus muss auch das digitale Klassenbuch selbstverständlich als Verarbeitungsvorgang im Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten erfasst werden. Gemäß Art. 30 DSGVO ist jede Schule verpflichtet, ein Verarbeitungsverzeichnis zu erstellen, das Informationen wie den Verarbeitungszweck, die Beschreibung der Kategorien personenbezogener Daten, Löschfristen für verschiedene Datenkategorien, allgemeine Beschreibungen technischer und organisatorischer Maßnahmen sowie eine Risikoabwägung der Schulleitung enthält. Bei Vorliegen eines hohen Risikos für die Rechte und Freiheiten der Betroffenen (Schüler und Lehrkräfte) muss eine Datenschutz-Folgenabschätzung erfolgen (Art. 35 DSGVO).

Wenn die Schule die Datenverarbeitung mittels des digitalen Klassenbuchs an einen kommerziellen Softwareanbieter (z.B. Webuntis, Edupage) und/oder externen (Cloud-)Dienstleister auslagert, greift Art. 28 DSGVO, der den Dienstleister dazu verpflichtet, gemäß den Richtlinien der DSGVO zu handeln und keine weiteren Auftragsverarbeiter ohne ausdrückliche Zustimmung zu engagieren (wobei z.T. Cloud-Lösungen internationaler Anbieter mit Sitz in einem EU-Drittland als unzulässig angesehen werden).

Es ist überdies von großer Bedeutung, dass die Schulen eine verantwortliche Person für das Backup- und Archivierungsverfahren benennen. Die Klassenbücher werden nämlich eine (gewisse) Weile aufbewahrt.

Aufbewahrungsfristen für das digitale Klassenbuch

Wie die Flugblatt-Affäre eindrucksvoll gezeigt hat, können auch bereits lange vergessen und verschollen geglaubte Einträge aus dem Schularchiv für heftige Kontroversen sorgen. Im Allgemeinen kann festgestellt werden, dass die Speicherung der Daten nur für den relevanten Zeitraum erlaubt ist, in der Regel das laufende Schuljahr. Eine Speicherung über diesen Zeitraum hinaus ist nur mit ausdrücklicher Zustimmung der betroffenen Personen oder durch eine entsprechende Rechtsgrundlage gestattet.

Zu der Speicherdauer bzw. Aufbewahrungsdauer von Klassenbüchern – egal ob in elektronischer oder Papierform – haben die Bundesländer zum Teil sehr unterschiedliche Fristen normiert. Während die Schuldatenschutzverordnung Mecklenburg-Vorpommern in § 5 Abs. 1 eine Aufbewahrung von 15 Jahren vorsieht, sind es in Brandenburg oder Hamburg beispielsweise nur drei und in Sachsen-Anhalt lediglich zwei Jahre. Wie sich derart unterschiedliche Fristen bei gleichem Regelungsgehalt rechtfertigen lassen, bleibt allerdings fraglich, ist mal wieder Ausdruck des deutschen Föderalismus.

Dass jemand vor Ende der Aufbewahrungsfrist beim nächsten runden Klassentreffen heikle Einträge aus dem Klassenbuch zum Besten gibt, ist jedoch nicht zu befürchten. Auf die Frage, ob die Einsichtnahme in alte Klassenbücher zur Vorbereitung und Organisation von Klassentreffen datenschutzrechtlich zulässig ist, gibt das Bildungsministerium in Thüringen eine klare Antwort:

„Nein. Die Einsichtnahme in alte Klassenbücher führt dazu, dass nicht nur die Antragstellerinnen und Antragsteller Kenntnis von den eigenen personenbezogenen Daten (z. B. Noten, Beurteilungen und Anmerkungen) erhalten, sondern auch von denen der ehemaligen Mitschülerinnen und Mitschüler. Dies stellt eine Datenübermittlung an Dritte ohne rechtliche Grundlage i. S. v. Art. 6 DSGVO dar. Da es nicht zur Aufgabenerfüllung der Schule gehört, Klassentreffen vorzubereiten, und die Klassenbücher auch nicht zum Zwecke der Ausgestaltung von Klassentreffen angelegt werden, ist es der Schule datenschutzrechtlich nicht erlaubt, die Klassenbücher Interessenten zur Verfügung zu stellen.“

Kommt das digitale Klassenbuch nun oder ist es schon da?

Wie sich in den Lehrerforen zeigt, gibt es unter den Lehrkräften starke Befürworter für die konsequente und flächendeckende Einführung des digitalen Klassenbuches:

„Eigentlich kann man die Diskussion „digital vs. Papier“ nicht mehr ernsthaft führen. Verwaltungsaufgaben digital zu erledigen, ist längst Standard. In fast allen Berufen hat dieser Wandel stattgefunden, lediglich in der Schule hält man sich an Anachronismen fest. Früher oder später wird die digitale Verwaltung per Verordnung kommen.“

Solange aber Lehrkräfte an vielen Schulen weder dienstliche Endgeräte zur Verfügung haben noch durch Sicherheitsmaßnahmen in die Lage versetzt werden, ihre privaten Geräte datenschutzkonform zu nutzen, wird das digitale Klassenbuch nicht die notwendige Akzeptanz in der Lehrerschaft erhalten.

Die Anschaffung mobiler Endgeräte ist zwar in den schulischen Entwicklungsplänen und Förderrichtlinien vorgesehen und sollte auch im Rahmen des Digitalpakts finanziell durchsetzbar sein. Allerdings spielt dies eine eher nachrangige Rolle im Vergleich zu vorrangigen Projekten wie pädagogische Medienkonzepte, Fortbildungen, die infrastrukturelle Entwicklung von Schulen und die IT-Ausstattung (Smartboards, Whiteboards, Computer, Schüler-Laptops usw.).

Die erfolgreiche Integration digitaler Medien und der erforderlichen Hardware in Bildungseinrichtungen erfordert eine umfassende Organisation von IT und Datenschutz. Nach Meinung des Forums für Bildung und Digitalisierung sind im föderalen Bildungswesen Aufgabenzuweisungen entsprechend den Kompetenzen, Ressourcen und Kernaufgaben erforderlich, um eine funktionierende und datenschutzkonforme Digitalisierung von Schulen und Unterricht zu ermöglichen. Es sei entscheidend, Lehrkräfte und Schulleitungen in dem Maße zu entlasten und zu befähigen, dass sie sich auf ihren pädagogischen Auftrag konzentrieren können, indem sie die Schüler im Lernprozess begleiten.

Die digitale Transformation birgt datenschutzrechtliche Herausforderungen

Wie aufgezeigt, bringt der digitalisierte Schulalltag verschiedene Herausforderungen im Bereich Datenschutz mit sich. Selbst vermeintlich einfache Aktivitäten, wie die Nutzung einer App für das digitale Klassenbuch, erfordert oft komplexe bzw. umfangreiche datenschutzrechtliche Bewertungen. Es fehlt der Schulung häufig an einem umfassenden Konzept oder einer Praxis, die die IT-Infrastruktur, Anwendungen und Datenschutz ganzheitlich betrachtet.

„Geld in die Hand zu nehmen“ reicht eben nicht aus. Die Schulen brauchen in Zeiten des allgemeinen Lehrkräftemangels schlichtweg die zeitlichen und personellen Kapazitäten Projekte wie das digitale Klassenbuch sinnvoll in einem Datenschutzkonzept zu integrieren und eine schrittweise Umsetzung anzugehen.

In der Praxis sind oft Lehrer als „nebenberuflich“ tätige schulische Datenschutzbeauftragte involviert und sehen sich auch bei der Einführung des digitalen Klassenbuchs umfangreichen Dokumentations- und Informationspflichten sowie mit dem Verfassen von Datenschutzerklärungen konfrontiert.

„Die Frage, was erlaubt und was zu beachten ist, führt derzeit zu einer enormen Unsicherheit aufseiten der Lehrkräfte. Aus Sorge vor einer Verletzung des Datenschutzes werden in der Folge Einwilligungen der Eltern prophylaktisch eingeholt. Um eine Datenschutzkonformität sicherzustellen, ist momentan immer noch ein sehr hoher Aufwand nötig.“

Die Einführung des digitalen Klassenbuchs ist ein Prozess, der gelebt werden muss

Zusammenfassend kann man zum digitalen Klassenbuch sagen, dass sowohl eine effektive Klassenverwaltung als auch effektiver Datenschutz gut konfigurierte, einfach bedienbare Software-Anwendungen sowie ein klares und verständliches Verhaltenskonzept im Umgang mit dem digitalen Klassenbuch voraussetzt, um die nötige Akzeptanz bei Lehrern und Schülern zu erhalten.

Das digitale Klassenbuch soll den Schulalttag schließlich vereinfachen und nicht unnötig erschweren. Solange es also praktikabler ist, einen analogen Vermerk zum Unterrichtsinhalt und den Fehlzeiten in das grüne Buch im widerstandsfähigen Einband zu schreiben, dies einzupacken und mit nach Hause zu tragen, wird es wohl noch eine Weile beim Klassenbuch 1.0 bleiben.

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  • Der Rechtsstand der VO-DV I NRW wundert mich. 4 Abs. 5 lautet m.W.n.: „Für die Anlage des Schülerstammblattes ist die Schulleiterin oder der Schulleiter verantwortlich. Das Schülerstammblatt wird in einfacher Ausfertigung geführt, bei automatisierter Verarbeitung zusätzlich in Papierausfertigung.“ Damit ist auch klar, warum Schulen in NRW weiterhin Ausdrucke des Stammblattes archivieren. Zu finden bei: lexsoft.de justizportal_nrw (Link nicht erlaubt) Stand: „Zuletzt geändert durch Artikel 13 der Verordnung vom 23. März 2022 (GV. NRW. S. 405)“ Die im Artikel verlinkte VO-DV I weist auf einen Stand von 2017 hin.

    • Vielen Dank für Ihre Anmerkungen. In der Tat ist der Stand des verlinkten Verordnungstextes nicht aktuell. Wir haben nun an der entsprechenden Stelle zum aktuellen Verordnungstext verlinkt. Mit dem Verweis auf die VO-DV I NRW sollte lediglich beispielhaft auf Bundesländer hingewiesen werden, welche Regelungen zum digitalen Klassenbuch getroffen haben. Es ist aber nicht ersichtlich, dass der § 4 Abs. 5 VO-DV I NRW durch die letzte Änderung der VO umformuliert wurde. Der von Ihnen zitierte Wortlaut entstammt dem § 4 Abs. 3 VO-DV I NRW, betrifft das Stammdatenblatt und scheint auch unverändert zu sein. Insofern ist es nachvollziehbar, dass die Schulen in NRW aufgrund dieser Regelung weiterhin Ausdrucke des Stammblattes archivieren.

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