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Fernmeldegeheimnis am Arbeitsplatz: Was ändert das TTDSG?

Fernmeldegeheimnis am Arbeitsplatz: Was ändert das TTDSG?

Das Thema Fernmeldegeheimnis am Arbeitsplatz ist seit jeher umstritten. Ist der Arbeitgeber gegenüber seinen Beschäftigten als Telekommunikationsanbieter anzusehen, der das Fernmeldegeheimnis einzuhalten hat, wenn er die Privatnutzung von Internet und Telefon erlaubt? Nach der neueren Rechtslage wird das Fernmeldegeheimnis im TTDSG geregelt. Wie mittlerweile mit diesem Problem zu verfahren ist, damit beschäftigt sich folgender Artikel.

Was ist das Fernmeldegeheimnis?

Das Fernmeldegeheimnis betrifft die elektronische Kommunikation und ist nicht nur in Deutschland (hier seit 1949), sondern in vielen weiteren Staaten ein Grundrecht. Es steht gemeinsam mit dem Brief- und Postgeheimnis unter dem verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 10 GG und schützt das Recht des Einzelnen gegenüber dem Staat auf Abschirmung der nicht-öffentlichen Kommunikation.

Geschützt wird der individuelle Kommunikationsvorgang (Umstand und Inhalt) vor dem Zugriff des Staates. Handelt es sich bei der Kommunikation nicht um einen individuellen Kommunikationsvorgang, sondern richtet sich die Weitergabe an eine unbestimmte Zahl von Adressaten, ist der Schutzbereich des Art. 10 GG nicht eröffnet. Das Fernmeldegeheimnis umfasst sowohl drahtgebundene als auch drahtlose Kommunikation. Dies hat zur Folge, dass neben dem Funk- und Telefonverkehr auch für die Kommunikation via Fax, per E-Mail, im Internet oder via Handy das Fernmeldegeheimnis gilt.

Geschützt wird der gesamte laufende Kommunikationsvorgang, also von der Absendung der Nachricht bis zu ihrem Empfang. Ermöglicht werden soll der unbeobachtete Austausch und die Weitergabe von Tatsachen, Meinungen und Gedanken. Nicht geschützt werden demnach die Träger von Informationen nach dem Abschluss des Kommunikationsvorgangs. Auch die Telekommunikationsanbieter dürfen sich gemäß § 3 Abs. 3 TTDSG grundsätzlich keine Kenntnis von dem Inhalt der Kommunikation verschaffen.

Alter Wein in neuen Schläuchen: Die Regelung des § 3 TTDSG

Bisher war in § 88 Abs. 2 S. 1 TKG-alt geregelt, dass Diensteanbieter zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses verpflichtet sind. Mit Wirkung zum 01.12.2021 ist das TTDSG in Kraft getreten. Das Gesetz übernimmt die Regelungen des TKG und TMG und soll die Richtlinie 2002/58/EG umsetzen. Der oben genannte § 88 TKG wurde in den § 3 TTDSG übernommen.

Im Gesetzgebungsverfahren wurde diskutiert, den Anwendungsbereich im neu geschaffenen § 3 TTDSG einzuschränken, um das in der Einleitung aufgezeigte Problem zu beseitigen. Nach dem Referentenentwurf zum TTDSG sollten nur Anbieter öffentlicher Telekommunikationsdienste und Betreiber öffentlicher Kommunikationsnetze zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses verpflichtet werden. Damit wäre klar gewesen, dass Arbeitgeber, welche die private Nutzung der Telekommunikationssysteme durch Beschäftigte zulassen, nicht erfasst sind. Die neue Regelung ist jedoch deckungsgleich mit der alten Regelung und listet im § 3 Abs. 2 TTDSG bei den Verpflichtenden in Nr. 2 die „Anbieter von ganz oder teilweise geschäftsmäßig angebotenen Telekommunikationsdiensten“ auf. Da für die Geschäftsmäßigkeit nicht die Gewinnerzielungsabsicht, sondern die Nachhaltigkeit des Angebots entscheidend ist, bleibt es also bei der schon lang andauernden Diskussion um die rechtlichen Konsequenzen der erlaubten Privatnutzung.

Gilt das Fernmeldegeheimnis bei Privatnutzung von Telekommunikation am Arbeitsplatz?

Durch die erneute Aufnahme der oben genannten Definition in § 3 Abs. 2 Nr. 2 TTDSG bleibt es bei der unbefriedigenden Lösung, dass der Streit, ob bei Privatnutzung von Telekommunikation am Arbeitsplatz das Fernmeldegeheimnis gilt, ungelöst ist, obwohl der Gesetzgeber hier die Chance dazu gehabt hätte, den Streitherd endgültig zu beseitigen. Nach § 3 Abs. 2 TTDSG ist schon das alleinige „Mitwirken“ an öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten ausreichend, um verpflichtet zu sein, das Fernmeldegeheimnis zu beachten. Das „Mitwirken“ kann hierbei sowohl durch eine natürliche als auch eine juristische Person erfolgen. Entscheidend ist somit die Auslegung, ab wann von einem „Mitwirken“ auszugehen ist, da hierin das Problem liegt. Folgender Gedankengang führt dazu:

  1. E-Mail ist ein interpersoneller Telekommunikationsdienst, der zumindest auch über öffentliche Telekommunikationsnetze erbracht wird.
  2. Für Anbieter, die E-Mail-Versand- und -Empfang über das Internet anbieten, gilt wegen § 3 Abs. 2 Nr. 1 TTDSG das Fernmeldegeheimnis.
  3. Wenn ein Unternehmen E-Mails vom eigenen E-Mail-Server über das Internet an einen anderen E-Mail-Server weiterleitet, kann es „Mitwirkende“ an einem öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienst sein.
  4. Für Unternehmen, die E-Mails von „eigenen“ E-Mail-Servern an das „Internet“ weiterleiten, kann nach dieser Argumentation das Fernmeldegeheimnis gelten.

Was spricht dafür, dass das Fernmeldegeheimnis zu beachten ist?

Den Ausschlag für die Entstehung des Streits gab ein Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe, in welchem es darüber zu entscheiden hatte, ob das Ausfiltern von E-Mails strafbar ist. Der 1. Strafsenat des OLG Karlsruhe hat einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung eines ehemals bei einer Hochschule in Baden-Württemberg tätigen wissenschaftlichen Mitarbeiters stattgegeben.

Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nach dem Ausscheiden des Mitarbeiters im Jahre 1998 hatte er über den Server der Hochschule weiterhin per Mail mit den dort tätigen Dozenten, Wissenschaftlern und Freunden Kontakt gehalten und so z.B. auch über Vereine weitergeleitete Nachrichten Dritter auf seinem Privatrechner erhalten. Im Herbst 2003 wurde ihm seitens der Hochschule die Benutzung der Kommunikationseinrichtungen untersagt, gleichzeitig wurden alle an ihn gerichteten und oder von ihm stammenden Nachrichten, in welchen sein Name im Adressenfeld vorkam, technisch ausgefiltert, ohne dass andere Absender oder Empfänger hiervon unterrichtet worden waren. Hiergegen ging der Mitarbeiter gerichtlich vor.

Das OLG entschied nun, dass derjenige, der als Verantwortlicher für einen Unternehmens- oder Hochschulserver E-Mails unterdrückt, gegen Art. 10 GG verstößt. Der Tatbestand des geschäftsmäßigen Erbringens von Telekommunikationsdienstleistungen verlangt lediglich das nachhaltige Angebot von Telekommunikation einschließlich des Angebots von Übertragungswegen für Dritte; auf eine Gewinnerzielungsabsicht kommt es hierbei nicht an. Es genügt ein nachhaltiges Angebot von Telekommunikation für Dritte. Ein solcher Fall sei in dem geschilderten Sachverhalt gegeben.

Auch einige Behörden vertreten diese Ansicht in ihren Orientierungshilfen. Der Arbeitgeber ist als Diensteanbieter anzusehen und damit dem Fernmeldegeheimnis unterworfen. Ausreichend ist, dass ein Internetzugang zur Verfügung gestellt wird und dabei die private Nutzung nicht ausdrücklich untersagt wird. Hierin ist vom Arbeitgeber bereits dann von einem zumindest teilweisen Erbringen von Telekommunikationsdiensten auszugehen und das Fernmeldegeheimnis ist zu wahren. Der Provider ist verpflichtet, E-Mails an den Empfänger zuzustellen und eine ähnliche Verpflichtung werde auch bei Mitarbeitern anzunehmen sein, denen die Privatnutzung von E-Mail am Arbeitsplatz erlaubt ist.

Was spricht dagegen, dass das Fernmeldegeheimnis zu beachten ist?

Nachdem wir behandelt haben, was dafür spricht, dass das Fernmeldegeheimnis zu wahren ist, beschäftigen wir uns nun mit der Gegenansicht. Ergebnis dieser Ansicht ist, dass der Arbeitgeber kein Diensteanbieter ist, da er keinen Telekommunikationsdienst anbietet. Daher spielt auch für ihn das Fernmeldegeheimnis in dieser Konstellation keine Rolle.

Argumentiert wird hier unter anderem mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Dieser liege darin, durch technologieneutrale Regulierung den Wettbewerb im Bereich der Telekommunikation und leistungsfähigen Telekommunikationsinfrastrukturen zu fördern und flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu gewährleisten. Der Arbeitgeber, der die private Nutzung eines E-Mail-Accounts gestattet, tritt nicht als Anbieter am Markt auf, sondern sei vielmehr als Nutzer anzusehen, der selbst Dienste in Anspruch nehme und diese an seine Arbeitnehmer weiterleite.

Außerdem wird die Ablehnung damit begründet, dass kein geschäftsmäßiges Erbringen von Telekommunikationsdienstleistungen vorliegt. Dies würde voraussetzen, dass das Angebot von Telekommunikation an außerhalb der Sphäre des Diensteanbieters liegende Dritte gerichtet ist. Arbeitnehmer des jeweiligen Arbeitgebers sind jedoch nicht außerhalb seiner Sphäre stehende Dritte in diesem Sinne. Außerdem wird lediglich die unkörperliche Übermittlung von Informationen an individuelle Empfänger mithilfe des Telekommunikationsverkehrs geschützt. Die nach Abschluss des Übertragungsvorgangs im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers gespeicherte Verbindungsdaten werden nicht von der Vorschrift geschützt. In dem Moment, in dem die E-Mail beim Empfänger angekommen und der Übertragungsvorgang beendet ist, endet der Grundrechtsschutz des Art. 10 GG.

Folgenreiche Entscheidung

Beide Ansichten gelangen zu unterschiedlichen Ergebnissen und sind verbunden mit divergierenden Folgemaßnahmen. Folgt man der Ansicht, dass der Arbeitgeber als Telekommunikationsdiensteanbieter anzusehen ist, hat dies zur Folge, dass der Datenschutz für ihn Anwendung findet und er das Fernmeldegeheimnis beachten muss. Bei einem Verstoß gegen diesen Grundrechtsschutz und bei Ausbleiben von Rechtfertigungsgründen läge sogar ein strafbares Verhalten vor. Folgt man der zweiten Ansicht, ist § 3 TTDSG nicht einschlägig. Das hätte dann zur Folge, dass das Fernmeldegeheimnis am Arbeitsplatz keine Rolle spielt.

Muster zur Verpflichtung von Beschäftigten auf das Fernmeldegeheimnis

Der Kollege Stephan Hansen-Oest stellt auf seiner Website ein Muster zur Verpflichtung von Beschäftigten auf das Fernmeldegeheimnis zur Verfügung. Dies sollte vor allem für diejenigen Personen sein, die technisch an der Erbringung von Diensten wie E-Mail und/oder Internet im Unternehmen mitwirken. Also insbesondere Administrator/innen im Bereich E-Mail/ Internet, Netzwerktechniker/innen und Beschäftigte mit ähnlichen Tätigkeitsgebieten, die Zugriff auf E-Mails und/ oder IP-Kommunikation haben können.

Vorsicht ist besser als Nachsicht!

Was hat denn nun die Einführung des § 3 TTDSG erreicht? Wenn wir mal ehrlich sind, nicht viel. Die Einführung hat nicht dazu geführt, dass die Frage in Bezug auf Arbeitgeber als Telekommunikationsanbieter beantwortet wird. Solange diese Frage nicht höchstrichterlich oder durch den Gesetzgeber eindeutig geklärt ist, sollten Arbeitgeber zur Vermeidung etwaiger Strafbarkeit davon ausgehen, Diensteanbieter zu sein und ihm stehen somit zwei Handlungsoptionen zur Verfügung. Entweder er verbietet die Privatnutzung und unterliegt dementsprechend nicht dem Fernmeldegeheimnis oder er verpflichtet sich, das Fernmeldegeheimnis zu wahren. Er muss sodann Maßnahmen zum Schutz des Art. 10 GG treffen. Um mit der Zwischenüberschrift zu schließen: Vorsicht ist besser als Nachsicht.

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  • Eine weitere Frage ist: Wenn der Arbeitgeber Diensteanbieter ist und das Fernmeldegeheimnis zu wahren hat – kann er sich davon per Einwilligung vom Mitarbeiter befreien lassen, um Mails zu kontrollieren?

    • Grundsätzlich ist für ein Kontroll- und Einsichtsrecht bezüglich dem Mailverkehr der Arbeitnehmer eine Einwilligung möglich, jedoch ist diese Vorgangsweise an einige Voraussetzungen/Hürden gekoppelt.
      Dem Beschäftigten müssen zum Zeitpunkt der Einwilligung alle Informationen über die Art seiner Einwilligung, deren Umfang, den Umfang der gewährten Privatnutzung und mögliche Beschränkungen derselben und Kontroll- und Einsichtsrechts des Arbeitgebers bezüglich der in diesem Zusammenhang stehenden personenbezogenen Daten zur Verfügung stehen. Hierzu müssen die Arbeitnehmer freiwillig zustimmen, das heißt, ihnen muss eine Wahlmöglichkeit gegeben werden. Zu beachten ist jedoch, wie der Kommentar von how schön aufzeigt, dass die Einwilligung jederzeit widerrufbar ist. Sobald eine Einwilligung dann nicht mehr gegeben ist, haben Sie kein Kontroll- und Einsichtsrecht mehr, außer natürlich, es liegen Umstände vor, die eine Kontrolle zulassen.

      • Wenn der AG die private Nutzung gestattet, wird er nach derzeit hM als (TK-)Diensteanbieter eingeordnet – auch im Sinne von § 206 StGB übrigens. Die Einwilligung der Arbeitnehmer alleine reicht dann mE nicht aus, da an der Kommunikation mindestens 2 Personen beteiligt sind. Von den weiteren Personen liegen keine Einwilligungen vor.
        Danke im Übrigen für vielen interessanten und informativen Beiträge!
        R. M.

  • Grds. ja, nur was machen Sie, wenn dann einer der Mitarbeiter seine Einwilligung widerruft? Kontrollieren Sie dann gar keine Mails mehr? Oder nur die der widersprochen hat nicht mehr? Das ist mE kein sinnvoller Weg, dann eher über die Abwägung (lit. f) und Information des Mitarbeiters, wo er „gefährdete“ Mails sicher prüfen kann. Alternativ eine BV.

  • Welche Bedeutung hat die Tatsache, dass der Arbeitgeber die private Nutzung zulässt bzw. duldet? Ist das Fernmeldegeheimnis durch ein Verbot der privaten Nutzung aufgehoben? Ist der Arbeitgeber dann kein „Anbieter“ mehr?

    • Erst wenn die private Nutzung des Internets oder des E-Mail-Programms erlaubt ist, kann der Arbeitgeber hinsichtlich der privaten Nutzung zum Diensteanbieter im Sinne des TTDSG qualifiziert werden (str.). Wenn der Arbeitgeber keine private Nutzung zulässt, greift das Fernmeldegeheimnis nicht.

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