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Chatkontrolle: Massenüberwachung – Nein danke!

Chatkontrolle: Massenüberwachung – Nein danke!

Die EU-Kommission hatte 2022 einen Vorschlag vorgelegt, wonach große Online-Anbieter wie Google, Meta und Apple verpflichtet werden können, ihre Dienste mithilfe von Software nach Missbrauchsdarstellungen von Kinder zu durchsuchen. Und das ganz ohne Anlass. Kritiker warnen vor einer aufkommenden Massenüberwachung. Nun hat sich die Innenministerin und der Justizminister hierzu geäußert.

Um was geht es überhaupt?

In der Vergangenheit hatten wir das Thema Chatkontrolle bereits intensiv bearbeitet. An dieser Stelle sei daher nur noch einmal kurz zusammengefasst, um was es dabei geht:

Zur Aufdeckung von Straftaten und unter generalpräventiven Gesichtspunkten sollen sowohl E-Mails und Messenger-Chats als auch Dateien in Cloudspeichern flächendeckend gescannt werden. Dabei sollen auch verschlüsselte Messenger-Dienste wie WhatsApp, Signal oder Threema nach bekannten und neuen Darstellungen sexuellen Kindermissbrauchs durchsucht werden. Auf der einen Seite sollten daher die Plattformbetreiber zum automatischen Durchsuchen der Inhalte ihrer Nutzer verpflichtet werden. Auf der anderen Seite sollte die Verschlüsselung von Chatnachrichten bei Messengern umgangen und noch auf dem Endgerät die Nutzerinhalte auf möglicherweise strafbare Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs durchsucht, das sogenannte „Client-Side-Scanning“.

Bei dem Entwurf handelt es sich um die „Child-Sexual-Abuse-Verordnung“, kurz CSA-VO. Kritiker sprechen von einer „Chatkontrolle“ und fürchten eine unkontrollierte Überwachung.

Wie steht Deutschland zur Child-Sexual-Abuse-Verordnung?

Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser sah das Scannen privater Kommunikation als Mittel in einer EU-Verordnung zunächst offensichtlich nicht als Problem an. Eigentlich hatte sich die Ampelregierung jedoch dagegen ausgesprochen. „Allgemeine Überwachungspflichten, Maßnahmen zum Scannen privater Kommunikation und eine Identifizierungspflicht lehnen wir ab.“, so der Koalitionsvertrag. Die Verärgerung war folglich groß.

Im April 2023 legte die Bundesregierung sodann eine gemeinsame Stellungnahme zum Entwurf der CSA-VO vor. Wir berichteten darüber im Mai letzten Jahres.

Neue Nachrichten gab es nun die Tage. Deutschland lehnt die EU-Pläne für die sogenannte Chatkontrolle ab. Laut dem Bundesinnenministerium wird Deutschland diesen Plänen nicht zustimmen.

Nein zur Chatkontrolle

Bundesinnenministerin Faeser sagte, dass eine verschlüsselte private Kommunikation von Millionen Menschen nicht anlasslos kontrolliert werden dürfe. In einer Mitteilung des Innenministeriums von Mittwochabend heißt es, gegen die Verbreitung von Fotos und Videos sexuellen Kindesmissbrauchs müsse europäisch vorgegangen werden.

Es sei richtig, „Onlineplattformen in die Pflicht zu nehmen, damit Missbrauchsdarstellungen entdeckt, gelöscht und die Täter verfolgt werden“, so Nancy Faeser. Wenn es beim aktuellen Vorschlag bleibe, würde der Vertreter der Bundesrepublik jedoch mit Nein stimmen müssen, so die SPD-Politikerin. „Denn wir müssen gezielt handeln und die rechtsstaatliche Balance halten. Verschlüsselte private Kommunikation von Millionen Menschen darf nicht anlasslos kontrolliert werden. Darin sind wir uns in der Bundesregierung seit langem einig. Auch im Europäischen Parlament gibt es (an dem Überwachungsplan) breite Kritik.“

Der Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat seine Ablehnung des Vorschlags der belgischen Ratspräsidentschaft bereits frühzeitig zu Protokoll gegeben. Dieser war sich schneller dessen bewusst, dass ein solches Vorgehen nicht tragbar ist. In einem offenen Brief schrieb er, dass ihm die Pläne der EU zu weit gehen und unverhältnismäßig seien. Er betonte, dass die Chatkontrolle nicht kommen darf. Sie bedeute nichts anderes als das anlasslose und massenhafte Scannen – selbst verschlüsselter – privater Kommunikation. Ein derart schwerer Eingriff in die Privatsphäre der Bürger sei unverhältnismäßig, so der Minister.

„Ein hohes Datenschutzniveau, ein hohes Maß an Cybersicherheit, einschließlich einer durchgängigen und sicheren Ende-zu-Ende-Verschlüsselung in der elektronischen Kommunikation sind für die Bundesregierung unerlässlich.“, so das Bundesinnenministerium.

Warnung unter anderem vor „Blaupause“ für autoritäre Staaten

Der belgische Vorschlag zur Chatkontrolle wird die Verschlüsselung schwächen. Das sehen auch 36 Abgeordnete aus dem Europaparlament und dem Bundestag so. Diese hatten sich in einem offenen Brief zu Wort gemeldet. Gewarnt wird vor einer Massenüberwachung und einem „Klima des Generalverdachts“. Unter anderem warnen sie vor einer Blaupause für autoritäre Staaten und der Schwächung der Cybersicherheit

„Blueprint for authoritarian states and weakening cybersecurity: By building an architecture capable of undermining all possibility of private digital communication, the regulation might inadvertently serve as a blueprint for surveillance in authoritarian states and can serve as a built-in backdoor that can easily be exploited for all sorts of surveillance practices (e.g. trade secrets) and cybercriminals. Once built, this IT-architecture is an invitation to undermine privacy“.

Was sagen eigentlich die Messenger-Dienste zur Chatkontrolle?

Auch die Messenger-Dienste selbst schlagen Alarm. Die Schweizer Betreiber von Threema kündigten beispielsweise an, mit rechtlichen und technischen Mitteln gegen eine Kontrolle vorzugehen oder diese, falls möglich, auch zu umgehen. Sollte keiner der Wege zum Erfolg führen, wolle man sich aus Europa zurückziehen und andere Ende-zu-Ende-verschlüsselten Messenger dazu auffordern, es Threema gleichzutun.

Wie geht es nun weiter?

Mit dem Thema wollten sich heute die EU-Staaten befassen. Es sollte eine Abstimmung erfolgen. Die belgische Ratspräsidentschaft wollte prüfen, ob ihr Vorschlag genügend Unterstützung findet.

Nun stach jedoch die Information durch, dass die Abstimmung von der Agenda des Treffens der Ständigen Vertreter gestrichen wurde. Das bestätigte der zuständige Sprecher der Ständigen Vertretung in Brüssel gegenüber heise online. Wann die Abstimmung nachgeholt wird, ist unklar.

Es bleibt daher abzuwarten, welche neuen Nachrichten uns in nächster Zeit erreichen werden. Ein Entscheidung soll wohl erst mit einer neuen Besetzung erfolgen. Damit wird das Dossier der Verordnung zur Bekämpfung von Darstellungen sexuellen Missbrauchs im Netz höchstwahrscheinlich nicht mehr unter der belgischen Ratspräsidentschaft weiterverfolgt.

Kontrolle vs. Schutz

Der Konfliktpunkt Kontrolle und Verhinderung und/oder Privatsphäre wird stets bestehen bleiben. Der Schutz der Kinder ist wichtig, das steht ganz außer Frage. Das Ziel, die Online-Verbreitung des sexuellen Kindesmissbrauchs zu stoppen, ist überaus wichtig und grundsätzlich zu unterstützen. Es sollten nur andere Wege gefunden werden, diesen zu gewährleisten. Denn die sogenannte Chatkontrolle bietet kaum Schutz für Kinder, wäre aber Europas Einstieg in eine anlasslose und flächendeckende Überwachung der privaten Kommunikation. Gegebenenfalls war die Verschiebung der Abstimmung eines erster „Etappensieg für die Grundrechte“, wie es in Fachkreisen heißt.

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