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Heimliche Videoüberwachung von Arbeitnehmern unzulässig

Heimliche Videoüberwachung von Arbeitnehmern unzulässig

Im Rahmen seiner Entscheidung vom 19.02.2015 hat das Bundesarbeitsgericht in dem Verfahren 8 AZR 1007/13 die Observation einer Arbeitnehmerin durch einen im Auftrag des Arbeitgebers tätigen Detektiv mittels heimlicher Videoaufnahmen für rechtswidrig befunden und der betroffenen Arbeitnehmerin ein Schmerzensgeld zugesprochen. Damit bestätigte das BAG die vorinstanzliche Entscheidung des LAG Hamm (Urteil vom 11.07.2013 – Az.: 11 Sa 312/13).

Was war geschehen?

Der Arbeitgeber hatte wegen des Verdachts der vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit einer Mitarbeiterin einen Detektiv beauftragt, die Arbeitnehmerin zu überwachen. Der Detektiv fertigte in dem mehrtägigen Observationszeitraum verschiedentlich heimlich Bild- und Videoaufnahmen von der Arbeitnehmerin an, welche diese „an ihrer Wohnanschrift, beim Warten am Fußweg, beim Begrüßen eines Hundes und in einem Waschsalon“ zeigten. Nachdem die Arbeitnehmerin seitens des Arbeitgebers mit den Aufnahmen konfrontiert worden war, machte sie gegen den Arbeitgeber schließlich gerichtlich einen Schmerzensgeldanspruch geltend, da sie sich eines schwerwiegenden Eingriffs in ihr Persönlichkeitsrecht ausgesetzt sah. Der Arbeitgeber wehrte sich gegen den geltend gemachten Anspruch.

Erstinstanzlich war ein Schmerzensgeldanspruch der Arbeitnehmerin abgelehnt, in der Berufungsinstanz jedoch in Höhe von 1.000,00 EUR zugesprochen worden. Sowohl Arbeitnehmerin als auch Arbeitgeber gingen in Revision, über welche nunmehr das BAG entscheiden hat.

Wieso ist diese Entscheidung interessant?

Überwachungsmaßnahme

Die Entscheidung des BAG zusammen mit der Entscheidung der Vorinstanz verdeutlichen noch einmal, dass eine verdeckte Videoüberwachung im öffentlichen Raum ohne Kenntlichmachung entgegen § 6b Abs. 1 BDSG dann zulässig ist – aber auch nur dann, wenn die verdeckte Überwachung das einzige zur Verfügung stehende Mittel zur Überführung eines Arbeitnehmers ist, der der Begehung von Straftaten (z.B. Betrug gem. § 263 StGB durch Vortäuschen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und damit unberechtigter Entgeltfortzahlung) konkret verdächtig ist. Das bedeuet, es darf kein anderes gleichermaßen zielführendes, aber weniger eingreifendes Mittel zur Verfügung stehen (z.B. ausschließliche Observation und Benennung des Observierenden als Zeugen).

Die Entscheidungen weisen nochmals darauf hin, dass die heimliche Fertigung von Bild- und insbesondere Videoaufnahmen von Personen als schwerwiegender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (nämlich durch quasi „Konservierung“ der äußeren Erscheinung) von § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG, der datenschutzrechtliche Spezialvorschrift für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten im Beschäftigtenverhältnis zur Aufdeckung von Straftaten ist, gerechtfertigt sein muss. Liegen die Voraussetzungen wie in dem zugrunde liegenden Fall nicht vor, ist die entsprechende Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung rechtswidrig. Der Rückgriff auf allgemeine Datenschutzvorschriften zur Rechtfertigung des Eingriffs scheidet aus.

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Bestätigt wird zugleich, dass aus einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zunächst die tatsächliche Vermutung für das Bestehen einer kranksheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit folgt. Diese Vermutung könne der Arbeitgeber allerdings durch Vorbringen von Tatsachen erschüttern, die ernsthafte Zweifel begründeten.

Ernsthafte Zweifel könnten sich z.B. dann ergeben, wenn der Arbeitnehmer

  • im Rahmen einer Auseinandersetzung am Arbeitsplatz oder nach einem Streit um Urlaubsgewährung eine nachfolgende Arbeitsunfähigkeit angekündigt hat,
  • während der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit Tätigkeiten nachgeht, die mit der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit nicht vereinbar erscheinen,
  • widersprüchliche Angaben zu seiner Arbeitsunfähigkeit macht oder der Aufforderung zu einer Begutachtung durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen nicht folgt.

Schmerzensgeld

Generell wird über die Höhe des Schmerzensgeldes immer für den konkreten Einzelfall unter Abwägung der jeweiligen Umstände entschieden. Bislang zugesprochene Entschädigungen bei rechtswidrigen Überwachungen umfassten Beträge von mehreren hundert bis mehreren tausend Euro. In dem der BAG-Entscheidung zugrunde liegenden Fall wurden erhöhend die mehrtägige Überwachung sowie die heimliche Anfertigung von Videoaufnahmen während dieser Zeit berücksichtigt.

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