Fotos und Videos von Mitarbeitern sind seit jeher ein Klassiker im Datenschutzrecht. Ob es um witzige Aufnahmen von der letzten Firmenfeier oder um seriöse Fotos für die Unternehmenswebseite geht – der Datenschutz spielt hierbei immer eine Rolle. Dabei kann man als Verantwortlicher so einiges falsch machen, nicht nur bei der Bestimmung der Rechtsgrundlage. Dann stehen oft Ansprüche auf Schadensersatz im Raum – so auch in einem interessanten Fall vor dem LAG Schleswig-Holstein.
Der Inhalt im Überblick
Fotos und Videos als Datenverarbeitung
Und was genau haben Fotos und Videos eigentlich mit Datenschutz zu tun? Ist die DSGVO überhaupt anwendbar? Sobald auf den Fotos oder Videos Menschen zu erkennen sind, sind diese Aufnahmen personenbezogene Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 1 DSGVO. Bei digitalen Aufnahmen handelt es sich um eine automatisierte Verarbeitung, so dass bereits Art. 2 Abs. 1 DSGVO Anwendung findet. Auch analoge Aufnahmen stellt in aller Regel eine Datenverarbeitung dar, spätestens dann, wenn diese in einem Dateisystem abgelegt werden, z. B. in einem Ordner mit Bewerbungsunterlagen.
Wichtig ist hier vor allem die Auswahl der passenden Rechtsgrundlage. Meist wird eine Einwilligung des Betroffenen notwendig sein. Schließlich ist es für das Arbeitsverhältnis nicht zwingend notwendig, dass Aufnahmen angefertigt werden. Es gibt allerdings auch Konstellationen, in denen die Ablichtung sowie eine etwaige Veröffentlichung auf das berechtigte Interesse nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gestützt werden können, so z. B. bei einer geringen Reichweite wie dem Unternehmens-Intranet oder dann, wenn die betroffenen Personen nicht im Vordergrund der Aufnahme stehen.
Unerlaubte Videoaufnahme von Mitarbeiterin?
Dies dürfte sicherlich für viele Aufnahmen bei Firmenfeiern gelten. Der Fall vor dem LAG Schleswig-Holstein (Beschluss vom 01.06.2022, Az. 6 Ta 49/22) war allerdings anders gestrickt. Die Klägerin war Arbeitnehmerin bei der Beklagten, einem mobilen Pflegedienst. Die Beklagte drehte u. a. mit der Klägerin ein 36-sekündiges Werbevideo für ihr Unternehmen und veröffentlichte dies auf YouTube. Die Klägerin ist in dem Video zunächst unscharf und ab Sekunde 0:11 in Ganzkörperaufnahme zu sehen, wie sie in ein Auto einsteigt, auf dem „Wir suchen Pflegekräfte“ zu lesen ist und ein Audio-Overlay sagt „Steige jetzt mit ein!“. Später ist die Klägerin deutlich und in Portraitgröße im Auto sitzend zu erkennen, während das Audio-Overlay „zwischenmenschliche Beziehungen“ anpreist.
Die Beklagte unterließ dabei aber, die nach § 26 Abs. 2 BDSG notwendige schriftliche Einwilligung einzuholen – die Klägerin hatte nur mündlich eingewilligt – und unterrichtete die Klägerin auch nicht konkret über den Verarbeitungszweck und das ihr zustehende Widerrufsrecht. Nachdem die Klägerin gekündigt hatte, verlangte sie von der Beklagten wegen der Veröffentlichung des Videos nach Art. 82 DSGVO Schadensersatz in Form von Schmerzensgeld in Höhe von 6.000,00 EUR. Für diese Klage begehrte sie Prozesskostenhilfe. Dem Antrag war vom Arbeitsgericht Kiel lediglich in Höhe von 2.000,00 stattgegeben worden. Der Beschwerde der Klägerin dagegen hatte das Gericht nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Anspruch auf Schmerzensgeld besteht
Das Landesarbeitsgericht bestärkt in seinem Beschluss die (umstrittene) Auffassung, dass der Klägerin bereits auf Grund des Verstoßes gegen DSGVO-Vorschriften ein Schmerzensgeld zustehe. Die Klägerin müsse nicht darlegen, dass sie darüber hinaus einen weiteren Schaden erlitten habe. Die sogenannte Erheblichkeitsschwelle sei auf Grund des Verstoßes gegen elementare Datenschutzvorschriften zudem ohnehin bereits überschritten. Hierzu führt das Gericht aus:
„Verstöße müssen nämlich effektiv sanktioniert werden. Der Schadensersatz bei Datenschutzverstößen soll eine abschreckende Wirkung haben, um der Datenschutzgrundverordnung zum Durchbruch zu verhelfen (effet utile).“
Inhaltlich kam das LAG zu dem Schluss, dass hier (maximal) ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000,00 EUR angemessen sei. Nach Ansicht des LAG hat bereits das Arbeitsgericht im angegriffenen Beschluss dies überzeugend begründet. Es habe zu Recht darauf abgestellt, dass die Beeinträchtigung des Rechts der Klägerin am eigenen Bild hier nicht schwerwiegend gewesen sei, da die Klägerin um die streitbefangenen Aufnahmen gewusst habe. Sie habe an dem Videodreh freiwillig mitgewirkt. Die Klägerin habe sich mit den Aufnahmen einverstanden erklärt, allein nicht in der gebotenen schriftlichen Form und ohne vorherige Unterrichtung über den Verarbeitungszweck und das Widerrufsrecht.
Abwägung der widerstreitenden Interessen
Dass die Aufnahmen (Einsteigen ins Auto, im Auto sitzend) die Intimsphäre der Klägerin berührt oder sie diskriminiert hätten, sei nicht erkennbar. Das Arbeitsgericht hat nach Auffassung des LAG bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu Recht berücksichtigt, dass die Beklagte das Video umgehend aus dem Netz genommen hat, nachdem die Klägerin sie aufgefordert hatte, die Nutzung des Videos zu unterlassen.
Das LAG ist der Auffassung, dass das Arbeitsgericht die hinreichende Erfolgsaussicht im Prozesskostenhilfeverfahren richtig bewertet hat. Es habe zutreffend erkannt, dass im Rahmen des § 114 ZPO eine summarische Prüfung durchgeführt werden müsse. Ausschlaggebend sei,
„…ob die begehrte Kompensation sich ausgehend von den konkreten Umständen des Einzelfalls der Höhe nach innerhalb eines vertretbaren Rahmens bewegt. Die abschließende Prüfung, in welcher genauen Höhe innerhalb dieses Rahmens ein Schmerzensgeld im konkreten Fall angemessen ist oder nicht, bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.“
Auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls, insbesondere, weil eine mündliche Einwilligung der Klägerin vorlag, hat das Arbeitsgericht den geltend gemachten Betrag deutlich heruntergekürzt.
Auf den Einzelfall kommt es an
Die Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein ist gleich in zweifacher Hinsicht interessant. Zum einen scheint sich in der Rechtsprechung der Trend zu entwickeln, dass ein bloßer Verstoß gegen Datenschutzvorschriften bereits ausreicht, um einen (immateriellen) Schadensersatzanspruch zu begründen. Zum anderen ergibt sich bei der rechtlichen Bewertung die Besonderheit, dass die betroffene Person grundsätzlich in die Datenverarbeitung eingewilligt hat. Die Rechtswidrigkeit der Verarbeitung ergab sich vorliegend nur auf Grund formeller Verstöße. Dies ist aus Sicht der Datenschutzpraxis interessant, da das LAG dennoch einen relativ hohen Betrag zumindest in Betracht zieht.
Allerdings hat das LAG damit nicht festgestellt, dass der Schadensersatzanspruch tatsächlich in Höhe von 2.000,00 EUR besteht. Hier bleibt am Ende abzuwarten, wie die Gerichte in der Hauptsache entscheiden werden. Es kommt eben wie immer auf den Einzelfall an.
Was für ein Blödsinn!! Wieso Schadensersatz, wenn die Dame doch nachweislich eine Einwilligung erteilt hat???
PS: Danke für die trotzdem sehr gute Beschreibung des Urteils! :-)
Wer lesen kann, ist klar im Vorteil :-) Ob da wirklich ein Schadensersatz zugesprochen wird, steht ja noch gar nicht fest. Und wenn dann bestimmt keine 2000 Ocken