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Inkasso: Schmerzensgeld wegen Schufa-Falschmeldung

Inkasso: Schmerzensgeld wegen Schufa-Falschmeldung

Die Einmeldung bei der Schufa bedeutet nicht gleich Strafe für den Betroffenen, sondern dient dazu, zukünftige Gläubiger vor unrentablen Geschäftsabschlüssen zu warnen. Anders sieht die Situation jedoch aus, wenn die eigenen Daten zu Unrecht vom Inkassounternehmen an die Schufa übermittelt wurden. Welche Konsequenzen eine solche „Falschmeldung“ für das Inkassounternehmen hat und inwieweit das Gericht diese gegenüber dem Betroffenen kompensiert, zeigt das Urteil des Landgericht Mainz vom 12.11.2021.

Datenübermittlung an die Schufa

Der Kläger, ein alleinerziehender Vater, versäumte die rechtzeitige Zahlung seiner Stromrechnung von knapp 300 Euro. Nachdem eine Mahnung des Energieunternehmens keinen Erfolg zeigte, schaltete dieses ein Inkassounternehmen zum Eintreiben der Forderung ein. Jedoch blieben auch dessen Mahnungen hinsichtlich des zu zahlenden Rechnungsbetrages vergebens, woraufhin am 16.07.2019 ein Vollstreckungsbescheid durch das Amtsgericht Hagen erging. Zeitgleich und damit noch am selben Tag, übermittelte das Inkassounternehmen die Daten aus dem Verfahren an die Schufa. Der noch offene Zahlungsbetrag wurde somit bereits am 16.07.2019 als tituliert bei der Schufa eingemeldet. Die Zustellung des Vollstreckungsbescheid erfolgte erst zwei Tage später am 18.07.2021 und die tatsächliche Kenntnisnahme durch den Kläger am 21.07.2019. Obwohl der Kläger im Anschluss seine Schulden umgehend beglich, nahm das Inkassounternehmen eine weitere negative Meldung vor, ohne auf die erfolgte Forderungsbegleichung hinzuweisen. Der Eintrag lautete:

„Uneinbringliche titulierte Forderung / Einzug unwirtschaftlich“

Tatsächlich wurde der Eintrag des Inkassounternehmens bereits im September 2019 widerrufen. Dem Kläger wurde der Widerruf jedoch weder mitgeteilt, noch wurde der Eintrag bei der Schufa gelöscht. Erst auf Antrag des Klägers wurde der Negativeintrag am 12.11.2019 von der Schufa entfernt.

Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Mainz stellte in seinem Urteil vom 22.10.2021 die Rechtswidrigkeit der Schufa-Einmeldung des Klägers fest und sprach ihm letztlich einen Anspruch aus Art. 82 DSGVO in Höhe von 5000 Euro Schmerzensgeld zu.

Rechtsgrundlage für Datenübermittlung an Auskunfteien

Das Gericht stützt die Befugnis von Inkassounternehmen zur Datenübermittlung an Auskunfteien auf Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit f, Abs. 4 DSGVO.

„Danach ist die Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen (Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO).“ Beruht die Verarbeitung zu einem anderen Zweck als zu demjenigen, zu dem die personenbezogenen Daten erhoben wurden, nicht auf der Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer Rechtsvorschrift der Union oder der Mitgliedstaaten, die in einer demokratischen Gesellschaft eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme zum Schutz der in Art. 23 DSGVO genannten Ziele darstellt, so berücksichtigt der Verantwortliche — um festzustellen, ob die Verarbeitung zu einem anderen Zweck mit demjenigen, zu dem die personenbezogenen Daten ursprünglich erhoben wurden, vereinbar ist – u. a. die in Art. 6 Abs. 4 lit. a-e aufgeführten Faktoren.“

Bei der Übermittlung von Inkassodaten an eine Auskunftei handelt es sich stets um eine Zweckänderung. Für diesen Fall sieht Art. 6 Abs. 4 DSGVO nach Ansicht des Gerichts drei mögliche Rechtfertigungstatbestände vor. Diese sind die Einwilligung des Betroffenen, eine die Datenverarbeitung tragende Rechtsvorschrift der Union oder der Mitgliedstaaten oder eine Generalklausel zur Abwägung.

Einzelfallbewertung durch das Gericht

Das Gericht führte in seinem Urteil eine Bewertung der Sachlage anhand der DSGVO und unter gleichzeitiger Berücksichtigung des BDSG durch.

Bewertung nach den Rechtsgrundlagen der DSGVO

Im vorliegenden Fall legte das Gericht dar, dass die Einmeldung hinsichtlich der titulierten Forderung durch das Inkassounternehmen auf einem dem Grunde nach berechtigtem Interesse des Verantwortlichen erfolgte. Hierbei stünde das Eigeninteresse des Inkassounternehmens und das Interesse der Schufa nebeneinander. Das Gericht nennt in diesem Zuge relevante Interessen des beklagten Inkassounternehmens, wie den Schutz vor kreditorischen Risiken, Informationsgleichgewicht zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer und die Handlungs- und Gewerbefreiheit.

Als zweiten Punkt bejaht das Gericht die Erforderlichkeit der Datenverarbeitung zur Wahrung des berechtigten Interesses des Inkassounternehmens.

„Erforderlichkeit liegt mit Blick auf Erwägungsgrund 39 der DSGVO vor, sofern kein milderes, wirtschaftlich gleich effizientes Mittel zur Verfügung steht, den entsprechenden Zweck zu verwirklichen.“

Der Rechtmäßigkeit der Einmeldung und damit der Mitteilung personenbezogener Daten standen jedoch im vorliegenden Fall überwiegende schutzwürdige Interessen des Klägers entgegen. Bei der hierbei durchgeführten Abwägung und Betrachtung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO zog das Gericht auch die Regelung des § 31 BDSG als Indiz heran und legte seinen Schwerpunkt auf die Frage, ob der Kläger mit der Einmeldung überhaupt rechnen musste.

Einbeziehung der Kriterien des § 31 Abs. 2 BDSG

Nach § 31 Abs. 2 kamen nach Ansicht des Gerichts lediglich § 31 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BDSG als Rechtfertigungsgründe in Betracht. Nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BDSG ist die Datenübermittlung grundsätzlich zulässig, wenn die Forderung durch ein rechtskräftiges oder für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil festgestellt worden ist oder für die Forderung ein Schuldtitel vorliegt. Vorliegend verneint das Gericht die Zulässigkeit jedoch wegen fehlenden Abwartens einer Karenzzeit und führt aus:

„Man wird ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil oder einen Vollstreckungsbescheid nur dann als ausreichende Grundlage für eine Übermittlung der Forderung als tituliert an eine Auskunftei genügen lassen können, wenn nach Erlass und ggf. Zustellung des Titels eine Mindestkarenzfrist verstrichen ist, deren die betroffene Person bedarf, um die Forderung mit der gebotenen Beschleunigung (notfalls vorläufig, wenn weitere Rechtsbehelfe eingelegt werden sollen) zu begleichen.“

Auch § 31 Abs. 2 Nr. 4 BDSG, welcher u.a. die zweifache Mahnung voraussetzt sieht das Gericht nicht als einschlägig an. Tatsächlich bestritt der Kläger nämlich den Zugang jeglicher Mahnschreiben und dem beklagten Inkassounternehmen gelang es nicht deren Zugang im Einzelnen zu beweisen. So konnte insbesondere nicht der Nachweis erbracht werden, dass das Mahnschreiben, in dem der Kläger auf eine mögliche Datenübermittlung an eine Auskunftei unterrichtet wird, dem Kläger zugegangen ist.

Auch allein die Existenz eines Vollstreckungstitels kann die Zahlungsunfähigkeit oder -willigkeit des Klägers hier nicht beweisen.

Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO

Das Inkassounternehmen wurde aufgrund der unrechtmäßigen Einmeldung zur Zahlung von 5000 Euro Schmerzensgeld an den Kläger verurteilt. Dieser erlitt durch die Einmeldung massive wirtschaftliche Konsequenzen und Nachteile, die das Gericht unter den Begriff des immateriellen Schadens i.S.v. Art. 82 DSGVO fasste.

„Der Kläger hat plausibel und im Kern unbestritten dargelegt, durch den SCH.-Eintrag eine massive Beeinträchtigung seines sozialen Ansehens im Sinne der Einschätzung seiner Kreditwürdigkeit durch Dritte erlitten zu haben.“

Überdies konnte das Inkassounternehmen auch nicht beweisen, dass es im Sinne des Art. 82 Abs. 3 DSGVO nicht für den immateriellen Schaden des Klägers verantwortlich gemacht werden kann. Hierfür hätte es darlegen müssen, dass der Mahnbescheid, inklusive des Hinweises auf die Weiterleitung an die Schufa, zugegangen war. Auch sonst konnte die Beklagte nicht nachweisen, dass dem Kläger rechtzeitig vor Einmeldung rechtliches Gehör verschafft wurde. Das Gericht erachtete daher in Anbetracht der Genugtuungs- und Abschreckungsfunktion eine Schmerzensgeldhöhe von 5000 Euro als angemessen.

Keine voreilige Datenübermittlung an Auskunfteien

Bei der Rechtmäßigkeit von Datenübermittlungen an Auskunfteien ist besondere Vorsicht geboten und eine einzelfallbezogene sorgfältige Interessenabwägung vorzunehmen. Wie das Urteil zeigt, können voreilige Handlungen beiden Parteien schaden. Auf der einen Seite riskieren Inkassounternehmen die Verurteilung zur Zahlung eines Schmerzensgeldes, auf der anderen Seite steht der Betroffene, dem im Zweifel bis zur Löschung der Einmeldung keine Zahlungsmöglichkeiten mehr zur Verfügung stehen. Soweit die Rechtsverhältnisse daher nicht geklärt sind und entsprechende Karenzzeiten nicht eingehalten wurden, sollten die Auskunfteien auch nicht einbezogen werden.

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  • Interessant, ich habe hier einen Fall liegen in ziemlich ähnlicher Konstellation (Identitätsmissbrauch durch Ex-Mann, Mahnbescheid wurde nachweislich an die falsche, alte Adresse zugestellt, Schaden bei Kauf einer Immobilie aufgefallen). Da sollte man schon überlegen, ob man auch hier gegen das Inkassounternehmen vorgeht.

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