Nachdem die SPD angekündigt hat, in die Opposition gehen zu wollen, haben wir uns noch mal die Wahlprogramme der sog. Jamaika-Koalition-Parteien CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/Grünen in Sachen Datenschutz genauer angeschaut. Wir haben versucht die Frage zu beantworten, mit welchen Entwicklungen wir im Bereich Datenschutz in den nächsten Jahren zu rechnen haben.
Der Inhalt im Überblick
Die allgemeine Einstellung zum Thema Datenschutz
In dem Wahlprogramm von CDU/CSU gibt es keinen Extra-Punkt „Datenschutz“, so wie es beispielsweise bei dem Wahlprogramm von FDP der Fall ist. In verschiedenen Kapitel, so auch im Kapitel „Sicherheit im Inneren und nach außen“, findet der Datenschutz kurz Erwähnung. Dort heißt es:
„Für einen starken Staat: Sicherheit erhöhen, Verbrechen und Terror bekämpfen“: „Wir wollen den Zugang der Sicherheitsbehörden zu vorhandenen Datenbanken erleichtern, wenn es um die Verhinderung oder Aufklärung schwerer Straftaten geht. Dazu werden wir ein Datengesetz neu verabschieden, das sowohl das Informationsinteresse der Sicherheitsbehörden als auch die berechtigten Datenschutzinteressen der Betroffenen regeln soll.“
Die Grünen setzen da den Schwerpunkt in puncto Datenschutz im Wahlprogramm ganz anders. Zusammenfassend heißt es im Kapitel „Wir machen Verbraucherinnen und Verbraucher stark“ zum Datenschutz:
„Datenschutz ausweiten – Privatsphäre wahren. Datenhungrige Unternehmen speichern individuelles Verhalten ihrer Kund*innen und nutzen diese Daten zur Profilerstellung. Die bestehenden Schutzmechanismen wie das Prinzip der Einwilligung laufen dabei ins Leere. Alle Verbraucherinnen und Verbraucher haben das Recht zu wissen, wer was wann und wo über sie speichert. Nur sie selbst – kein*e Arbeitgeber*in, kein Internetanbieter, keine Krankenkasse und auch nicht der Staat – dürfen bestimmen, wer Zugriff auf ihre Daten hat und was damit geschehen soll. Wir werden darauf drängen, dass bei der Anpassung der deutschen Datenschutzgesetze an die EU-Datenschutzreform die hohen EU-Standards für klare Grenzen von Sammlung und Verwertung persönlicher Daten und Informationen nicht aufgeweicht werden.“
Die FDP fordert hinsichtlich der Verwendung personenbezogener Daten ganz ähnlich die die Bündnis 90/Grünen, dass die Verfügungsgewalt über die Daten bei dem jeweils Betroffenen verbleibt:
„Wir Freie Demokraten wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger Verfügungsgewalt über auf ihre Person bezogene Daten haben. Niemand soll sie gegen deren Willen nutzen können („Opt-in“). Dazu braucht es Transparenz: Jeder muss wissen, wer, wann und warum personenbezogene Daten speichert und darauf zugreift. Wer entschieden hat, staatlichen oder privaten Stellen Zugriff auf sie zu geben, muss auch weiterhin die Kontrolle behalten („Auskunftsrecht“). Es muss überprüfbar sein, ob sich die Nutzer an die rechtlichen Rahmenbedingungen halten.“
Wie man bei diesen kurzen Ausschnitten aus den Wahlprogrammen bereits erkennen kann – eine einheitliche Linie in Sachen Datenschutz wird es nicht geben.
Videoüberwachung
FDP und Bündnis 90/Grünen stehen der lückenlosen Videoüberwachung kritisch gegenüber.
So steht in dem Wahlprogramm von Bündnis 90/Grünen:
„Videoüberwachung kann an Gefahrenschwerpunkten eine unterstützende Maßnahme sein – wenn sie anlassbezogen, verhältnismäßig, von ausreichend Personal begleitet erfolgt und regelmäßig evaluiert und neu genehmigt werden muss. Denn Kameratechnik kann gute Polizeiarbeit ergänzen, nicht aber ersetzen. Eine flächendeckende Kameraüberwachung ist hingegen ein unverhältnismäßiger Grundrechtseingriff, der kein Mehr an Sicherheit schafft und keine Straftaten verhindert oder diese nur verdrängt – anders als präventive Konzepte wie beispielsweise durch bauliche Maßnahmen. Zudem müssen die Standorte von Kameras in der Öffentlichkeit für die Bürger*innen transparent sein.“
Die FDP lehnt eine flächendeckende Videoüberwachung ebenso ab:
„Voraussetzung für den Einsatz von Aufzeichnungsgeräten ist, dass sich Aufzeichnungen nach einem kurzen Zeitraum der Sicherung (zum Beispiel 48 Stunden) automatisch überschreiben, sodass sie nicht mehr rekonstruierbar sind, wenn bis dahin kein nachvollziehbarer Grund für eine dauerhafte Sicherung gegeben ist, etwa wegen der Verwendung in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren oder zu Fahndungszwecken. Der Schwerpunkt sollte darauf liegen, veraltete Videotechnik, die aufgrund der schlechten Qualität keine verwertbaren Bilder von Straftaten liefert, zu ersetzen. Die Tendenz, mehr Videoüberwachung durch private Stellen zuzulassen, um die so gewonnenen Aufzeichnungen für staatliche Zwecke dienstbar machen zu können, sieht die FDP kritisch.
Die Gewährleistung der Sicherheit der Bürger ist eine originäre staatliche Aufgabe, und es bleibt auch Aufgabe des Staates, die dazu erforderlichen Sachmittel und Personalkapazitäten bereitzustellen. Videoüberwachung darf auch kein Ersatz von Beamten auf der Straße und für den konsequenten Vollzug bereits vorhandener gesetzlicher Möglichkeiten zur Gewährung von Sicherheit sein.“
Die CDU/CSU betont dagegen:
„CDU und CSU haben in dieser Bundesregierung hart gekämpft, um Rechtsänderungen durchzusetzen, die teilweise seit Jahren überfällig waren. Ohne unser hartnäckiges Insistieren, ohne unsere Ausdauer wäre manches nicht gelungen oder noch später gekommen: Wir haben die Strafen für Wohnungseinbruch endlich verschärft, Telefonverbindungen von Einbrechern können endlich überwacht, Serienstraftaten können besser aufgeklärt und die Video-Überwachung verstärkt eingesetzt werden.“
Vorratsdatenspeicherung
FDP und Bündnis 90/Die Grünen lehnen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung von Kommunikationsdaten ab.
FDP dazu wie folgt:
„Wir Freie Demokraten wollen keine lückenlose Überwachung unbescholtener Bürgerinnen und Bürger, gleich ob durch deutsche Sicherheitsbehörden oder fremde Nachrichtendienste. Deshalb wollen wir sowohl die Möglichkeiten zur Funkzellenabfrage als auch der Bestandsdatenauskunft deutlich einschränken. Beides soll grundsätzlich nur noch möglich sein, wenn ein Gericht es erlaubt. …
Wir Freie Demokraten wollen nicht, dass Telekommunikationsunternehmen die Verkehrsdaten aller Menschen – auch gegen deren Willen – anlasslos speichern. Die Vorratsdatenspeicherung, die sie dazu zwingt, lehnen wir deshalb entschieden ab. Freie Kommunikation zwischen Menschen verträgt sich nach unserer Überzeugung nicht mit dieser Pflicht zur flächendeckenden Speicherung. Für eine effektive Strafverfolgung reicht es aus, wenn Verkehrsdaten, die bei den Telekommunikationsunternehmen aus anderen Gründen gespeichert werden, im konkreten Verdachtsfall genutzt werden können. Nimmt eine Strafverfolgungsbehörde bei entsprechendem Tatverdacht an, diese Daten zur Aufklärung von Straftaten zu benötigen, soll sie deshalb anordnen können, dass diese vorübergehend „eingefroren“ werden. Ob den Ermittlern die Daten tatsächlich zur Verfügung gestellt („aufgetaut“) werden, entscheidet dann ein unabhängiges Gericht insbesondere unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.“
Des Weiteren spricht sich die FDP deutlich gegen eine anlasslose Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten aus:
„Wir Freie Demokraten kämpfen gegen jede anlasslose Erhebung und Speicherung von personenbezogenen Daten – sei es aufgrund von Vorratsdatenspeicherung, Fluggastdatenerhebung oder automatischer Kennzeichenerfassung mit dauerhafter Datenspeicherung. Denn mehr gespeicherte Daten schaffen nicht mehr Sicherheit.“
Bündnis 90/Grünen:
„Unsere freie Gesellschaft und ihre Werte sind heute ganz unterschiedlichen Angriffen ausgesetzt. Gewalt kann nie ein Mittel sein, Überzeugungen durchsetzen zu wollen. Der menschenverachtende Terror des Dschihadismus will unsere Demokratie destabilisieren, wie das auch Rechtsextreme und Reichsbürger*innen versuchen. Diesen Gefahren stellen wir uns entschlossen entgegen. Wir tun dies mit rechtsstaatlichen Mitteln und zielgerichteten Maßnahmen. Pauschale Verdächtigungen und anlasslose Datensammlungen sind hier nur kontraproduktiv. Es ist viel wirksamer, gezielt mit verhältnismäßigen Mitteln einige hundert Personen zu überwachen, die hierfür auch einen hinreichenden Anlass geboten haben, als 80 Millionen Bürgerinnen und Bürger anlasslos mit der Vorratsdatenspeicherung, flächendeckender Videoüberwachung oder automatisierter Gesichtserkennung zu erfassen. Wir lehnen diese jeweils ab. Die Sicherheitsbehörden benötigen vielmehr die Befugnisse, die erforderlich sind, um zielgerichtet Gefahren abwehren zu können. Polizeiliches Handeln braucht dabei ein gutes rechtsstaatliches Fundament – genau formuliert und kontrolliert.“
Das Wort „Vorratsdatenspeicherung“ kommt in dem Wahlprogramm von CDU/CSU kein Mal vor. Da dachten die Parteien wohl – Aufgabe erfolgreich in der letzten Legislaturperiode erfüllt.
Ausblick
Die CDU/CSU hat angekündigt, Zahl der neuen Gesetzesentwürfe um 10 % zu reduzieren, da der Erfolg der Regierung sich nicht an der Anzahl der neuen Gesetze bemisst. Wie wir wissen, ist das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung hoch umstritten und wird wahrscheinlich wieder gerichtlich gekippt. Es dürfte also spannend werden, welchen Inhalt das dritte Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung haben könnte.
Eins ist klar: Die Verhandlungen zur Jamaika-Koalition werden definitiv nicht einfach sein, auch im Bereich Datenschutz.
Die Vereinbarkeit von FDP und Datenschutz findet doch bereits ganz treffend in der Forderung „Digital first, Bedenken second.“ Ausdruck.