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Datenweitergabe: 4.000 € Schadensersatz gegen Psychotherapeuten

Datenweitergabe: 4.000 € Schadensersatz gegen Psychotherapeuten

Mit Urteil vom 25.03.2020 (Az. 13 C 160/19) hat das Amtsgericht Pforzheim dem Kläger wegen eines Verstoßes eines Psychotherapeuten gegen die DSGVO ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 4.000 Euro zugesprochen. Der verklagte Psychotherapeut hat unerlaubt Daten an Dritte übermittelt. Was sich genau im konkreten Fall zugetragen hat und was die Hintergründe des Falles sind, lesen Sie hier.

Warum wurde Klage erhoben?

In dem besagten Gerichtsverfahren machte der Kläger gegen den Beklagten (Psychotherapeut) einen immateriellen Schadensersatz in Höhe von 5.000 Euro geltend. Die Frau des Klägers befand sich beim beklagten Psychotherapeuten in Behandlung. Im Rahmen dieser Behandlung berichtete die Ehefrau auch von ihren Eheproblemen mit dem Kläger. Die Ehefrau erzählte dem Beklagten unter anderem von Drogen-und Alkoholproblemen und ungewöhnlichen Verhaltensauffälligkeiten des Klägers. Der Beklagte speicherte die Informationen über den Kläger. In der Folge kam der Kläger der Bitte, sich in der Praxis des Beklagten persönlich vorzustellen nach. In den Praxisräumen des Beklagten erfolgte zwischen dem Kläger und dem Beklagten ein Gespräch. Während des Gesprächs erfolgte seitens des Beklagten eine umfangreiche Dokumentation zur Person des Klägers.  Die Stellungnahme seitens des Beklagten zum Kläger enthielt unter anderem folgende Informationen:

,,Auffällig bei der Kontaktaufnahme ist, dass Herr B. weder Augenkontakt aufnehmen kann noch in der Lage ist einen Rapport herzustellen, sowie die motorische Unruhe. Im weiteren Gesprächsverlauf nimmt der Dialog zunehmend zu Lasten einseitig initiierter Gesprächsinhalte seitens Herrn B. ab. Das Bewußtsein ist eingeengt und ausschließlich darauf bezogen, Informationen über die Ehefrau zu erhalten. Orientierung sowie Aufmerksamkeit und Gedächtnis augenscheinlich o.B., formal Vorbeireden, massives Misstrauen, im Hinblick auf die Beziehung Stimmung fast wahnhaft auf die Ehefrau gerichtet. Keine Sinnestäuschungen, keine Ich-Störungen. Affektive Schwingungs- und Mitschwingungsfähigkeit ausschließlich auf sich selbst gerichtet, Pseudo-Empathie, eher (mit-)gefühllos. Dauerhaft unterschwellige Aggressivität, vollständiger Mangel an eigener Krankheitseinsicht.“

In der Folgezeit trennte sich das Ehepaar und es kam bezüglich der gemeinsamen Kinder zu einem Umgangsverfahren. Aus diesem Grund übermittelte der Beklagte dem Rechtsanwalt der Ehefrau die angefertigte Stellungnahme über den Kläger. Diese wurde in das Umgangsverfahren eingeführt, so dass sämtliche Prozessbeteiligte Kenntnis vom Inhalt erlangten. Der Kläger stützt seinen Schadensersatzanspruch dabei darauf, dass die Erhebung, Speicherung, Verarbeitung und Weitergabe seiner Daten unbefugt erfolgt seien.

Das Gericht spricht dem Kläger 4.000 Euro zu

Das Amtsgericht sprach dem Kläger einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 4.000 Euro zu, da der Beklagte entgegen Art. 9 DSGVO Gesundheitsdaten des Klägers verarbeitet habe.

,,Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz in Höhe von 4.000,- € gemäß Art. EWG_DSGVO Artikel 82 DSGVO, da der Beklagte entgegen Art. EWG_DSGVO Artikel 9 DSGVO Gesundheitsdaten des Klägers verarbeitet hat.“

Durch die Einführung des Dokuments in das Umgangsverfahren, habe der Beklagte unbefugt Gesundheitsdaten des Klägers verarbeitet, da die Daten ohne jegliche Erlaubnis übermittelt wurden.

,,Maßgeblich ist die Verarbeitung der Gesundheitsdaten, nämlich der Angaben zur Diagnose ICD 10 F 60.8, zum Alkoholmissbrauch und zur Notwendigkeit einer psychiatrischen Behandlung.“

Vorliegend wurden Gesundheitsdaten des Klägers im Sinne des Art. 9  Absatz 1 DSGVO übermittelt.

,,Bei der Übermittlung der Angaben zur Diagnose ICD 10 F 60.8, zum Alkoholmissbrauch und zur Notwendigkeit einer psychiatrischen Behandlung an den Prozessbevollmächtigten der Ehefrau des Klägers handelt es sich um die Übermittlung von Gesundheitsdaten. Eine Übermittlung von Daten an einen Dritten ist gemäß Art. EWG_DSGVO Artikel 4 Nr. EWG_DSGVO Artikel 4 Nummer 2 DSGVO eine Verarbeitung.“

Ist die Übermittlung der Daten nicht gerechtfertigt?

Nein, ist es nicht! So sieht es auch das Gericht. Art. 9 Absatz 2 DSGVO enthält eine Reihe von Ausnahmetatbeständen, die eine Verarbeitung der sogenannten sensiblen Daten erlauben würde. Im vorliegenden Fall greift aber keiner dieser Ausnahmetatbestände. Unstreitig hat der Kläger im konkreten Fall nicht in die Datenübermittlung gemäß Art. 9 Absatz lit. a DSGVO eingewilligt. Zudem greift hier auch Art. 9 Absatz 2 lit. h) DSGVO nicht ein.

,,Die Verarbeitung erfolgte nicht für Zwecke der Gesundheitsvorsorge, für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit, für die medizinische Diagnostik, die Versorgung im Gesundheitsbereich oder für die Verwaltung von Systemen und Diensten im Gesundheits- oder Sozialbereich. Die Übermittlung der Daten erfolgte dementgegen, um sie im Rahmen des gerichtlichen Umgangsverfahrens zwischen dem Kläger und seiner Frau berücksichtigen zu können. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass dieser Fall von Art. EWG_DSGVO Artikel 9 Abs. EWG_DSGVO Artikel 9 Absatz 2 lit.h DSGVO erfasst sein soll.“

Des Weiteren sei auch von Bedeutung, dass der Kläger nicht Patient des Beklagten war. Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen aus, dass die getroffenen Feststellungen über den Kläger keine Rückschlüsse dahingehend zulassen, dass das Wohl der Ehefrau oder der Kinder gefährdet sei.

Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs

Für die Höhe des Schadensersatzanspruchs war im vorliegenden Fall, insbesondere ausschlaggebend, dass es sich bei den Daten des Klägers um Gesundheitsdaten handelt. Gesundheitsdaten sind gemäß Art. 9 Absatz 1 DSGVO sensible Daten im Sinne der DSGVO. Die Stellungnahme des Beklagten über den Kläger lasse laut Gericht, Rückschlüsse auf die Psyche des Klägers zu.

,,Die Ausführungen, dass der Kläger unter einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leide, sowie Alkohol und Drogen konsumiert habe, kann das Bild des Klägers gegenüber Dritten erheblich negativ beeinträchtigen und ist dazu geeignet, das Selbstbild des Klägers zu schädigen.“

Es liege ein erheblicher Eingriff in die höchstpersönliche Sphäre des Klägers vor.

Die Tatsache, dass die Informationen nicht der breiten Öffentlichkeit, sondern nur den Prozessbeteiligten zugänglich waren, mag an der Entscheidung nichts zu ändern. Denn es dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass diese Informationen erheblichen Einfluss auf die Entscheidung des Gerichts im Umgangsverfahren nehmen konnten. Die Höhe des Schadensersatzes sei erforderlich, um die Abschreckungs-und Genugtuungsfunktion zu gewährleisten.

Welche Bedeutung hat das Urteil?

Das Urteil des Amtsgerichts ist nicht überraschend ausgefallen. Im Gegenteil! Die Entscheidung des Gerichts zeigt erneut auf, dass ein unrechtmäßiger Umgang mit Daten erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Abschließend ist zu sagen, dass es heutzutage nicht mehr zu solch einer leichtfertigen Datenweitergabe kommen sollte.

Die Message lautet wiederholt: Die Bedeutung des Datenschutzes sollte in jeglicher Angelegenheit beachtet werden.

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  • Zum Bußgeldkonzept der DSK siehe den (auch kritischen) Beitrag im Magazin der BRAK (Bundesrechtsanwaltskammer), Heft 6, S. 14 und 15 brak-mitteilungen.de/flipbook/magazin/

  • Ich sehe hier nicht nur einen Verstoß gegen die DSGVO sondern auch einen Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht (§203 StGB).

  • Wäre eine Weitergabe zum Zwecke der Einbringung in einen Prozess zulässig wenn es sich nicht um Gesundheitsdaten handelt?

    • Grundsätzlich gilt dasselbe wie auch für Gesundheitsdaten. Jede Datenerhebung und Datenweitergabe ist erst durch das Vorliegen einer Rechtsgrundlage legitimiert. Ob man in einen Prozess Daten einbringen kann und diese dann verwertbar sind, bleibt im Ergebnis eine prozessrechtliche Frage.

  • Beachtlich hinsichtlich des Urteils ist die Tatsache, dass der Kläger nicht anwaltlich vertreten war. RESPEKT! Da hat sich ein ganzer Berufsstand blamiert.

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