Dass sich die Polizei nicht immer an Recht und Ordnung hält und damit auch nicht wirklich an Recht und Gesetz, hat sich in der Vergangenheit bereits an der ein oder anderen Stelle gezeigt. Und auch dass an der anlassunabhängigen Überwachung tausender Demonstranten sowie zufällig Anwesender in Dresden etwas faul gewesen sein muss, war mehr als nur ein schlechtes Bauchgefühl…
Der Inhalt im Überblick
Der Sachverhalt
Zu Beginn diesen Jahres hatte die sächsische Polizei auf einer Demonstration in Dresden etwa 138.000 Handydaten ausgespäht.
Dabei bezog sich dieses Vorgehen – wie die Zahl der Betroffenen schon erwarten lässt – nicht auf eine bestimmte Person oder einen bestimmten Personenkreis. Vielmehr waren sowohl Besucher der Demonstration davon betroffen als auch völlig unbeteiligte Personen, die sich eher zufällig in der Nähe der Demonstration aufhielten.
Im Nachhinein stellte sich heraus, dass insgesamt an drei Tagen eine nichtindividualisierten Funkzellenabfrage durchgeführt wurde.
Das Problem
Das Problem liegt (kurzgefasst) vor allem darin, dass eine solche nichtindividualisierte Funkzellenabfrage nur unter sehr engen Voraussetzungen zulässig ist.
Nach § 100g StPO hätten dafür
- Straftat von erheblicher Bedeutung und
- eine räumlich und zeitlich hinreichend bestimmte Bezeichnung der Telekommunikation vorliegen müssen. Außerdem hätte
- die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert gewesen sein müssen und
- der allgemeine Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vorliegen müssen.
Diese Voraussetzungen lagen allerdings im vorliegenden Fall (natürlich) nicht bei allen Betroffenen per se vor.
Die Abrechnung
Das sieht der Landesbeauftragte für Datenschutz Sachsen ähnlich und tut dies in einem 53 Seiten langen Bericht kund. Dabei spricht schon die Kurzfassung sehr deutliche Worte:
- „Die Funkzellenabfrage der „SoKo 19/2“ schoss über das Ziel hinaus. Eine über die zeitliche und örtliche Beschränkung hinausgehende Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist nicht erkennbar. Selbst der in diesen Beschränkungen zum Ausdruck gekommene Ansatz wurde durch die Übernahme der Daten des LKA ad absurdum geführt. Allerdings war ein Konzept zur Reduzierung der erhobenen Daten auf das zur Strafverfolgung erforderliche Maß vorhanden.
- Die Funkzellenabfragen des LKA Sachsen am 18. und 19. Februar 2011 in Dresden schossen weit über das Ziel hinaus. Bereits die zeitlichen und örtlichen Ausmaße waren nicht angemessen. Auch eine darüber hinausgehende Prüfung der Verhältnismäßigkeit war nicht erkennbar. Ein Konzept zur Reduzierung der Daten auf das erforderliche Maß war nicht vorhanden.“
Wundern tuen diese Feststellungen nicht, denn laut Bericht des Landesbeauftragte für Datenschutz Sachsen
„fand am 19.02.2011 auf Antrag der Staatsanwaltschaft Dresden eine nichtindividualisierte Funkzellenabfrage statt, die mehrere Zeiträume von insgesamt ca. 9 Stunden und 14 Örtlichkeiten umfasste.
Zum 13., 18. und 19. Februar fanden auf Anregung des LKA Sachsen und auf Antrag der Staatsanwaltschaft Dresden mehrere nichtindividualisierte Funkzellenabfragen statt. U. a. wurde ein Gebiet in Dresden über volle 48 Stunden, ein anderes, in dem Versammlungen und Gegendemonstrationen stattfanden, über 12 Stunden abgefragt. Für den 18. und 19. Februar erhob das LKA Sachsen 896.072 Verkehrsdatensätze, 257.858 Rufnummern und 40.732 Bestandsdaten.“
Angegebene Gründe waren für den 19.02. „Verfolgung der schweren Straftaten“ am selben Tag, für die anderen Tage „Strukturermittlungen“ gegen eine kriminelle Vereinigung.
Konsequenzen
Konsequenzen hat es für die Polizeidirektion Dresden (SoKo 19/2), das LKA Sachsen und die StA Dresden, dass der Landesbeauftragte für Datenschutz Sachsen eine Beanstandung nach § 29 SächsDSG ausgesprochen hat und gefordert:
- Benachrichtigung der namentlich bekannten Betroffenen,
- Unverzügliche Reduzierung des gespeicherten Datenbestandes in den Arbeitsdateien sowie Löschung der zur Strafverfolgung nicht erforderlichen Daten,
- Zukünftig genaue Bezeichnung der Rechtsgrundlagen in Anträgen,
- Erstellung eines allgemeinen Reduzierungskonzepts für künftige Fälle,
- Schaffung untergesetzlicher Handlungsanweisungen,
- Präzisierung der gesetzlichen Grundlagen.
Eine viel härte Konsequenz dürfte die Erstellung des Berichtes allerdings für den Landesbeauftragten selbst gehabt haben. Denn dieser wurde nun vom sächsischen Richterverband stark wegen „Kompetenzüberschreitung“ kritisiert, wie mdr.de berichtete.
Da kann man sich als geneigter Leser nur noch die Frage stellen, wer hier seine Kompetenz überschritten hat…
Eine Beanstandung wird die Polizei ganz bestimmt davon abhalten so eine Aktion nochmal durchzufuehren und die Erde ist eine Scheibe.
Im Prinzip sind die Konsequenzen so etwas wie Wattebaellchen werfen.
Bei der naechsten Aktion gibt es wieder eine Beanstandung dann noch eine und noch eine und nichts aendert sich.