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Homeoffice-Pflicht – Unternehmen in der Datenschutz-Krise?

Homeoffice-Pflicht – Unternehmen in der Datenschutz-Krise?

Corona nervt, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Seit Monaten schlägt sich auch die Arbeitswelt damit herum. Nun wird diskutiert: Soll es eine Homeoffice-Pflicht geben oder nicht? Die Befürworter vergessen: Um im Homeoffice tätig werden zu können, braucht es Datenschutz-Know-how sowie eine digitale Infrastruktur – doch beides ist Mangelware. Ein Kommentar.

Gibt es bald eine Homeoffice-Pflicht?

Es vergeht kaum noch eine Woche ohne neue Corona-Maßnahmen. Man traut sich kaum zu blinzeln, um ja keine Ministerpräsidentenkonferenz zu verpassen. Nach Einzelhandel, 15-Kilometer-Regelung und Maskenpflicht wird nun der Fokus auf das Homeoffice gelegt: Politiker auf Bundes- und Landesebene beraten derzeit, ob es ein Recht auf oder eine Pflicht zu Homeoffice geben soll.

Aktuell werden Arbeitgeber und Arbeitnehmer lediglich eindringlich darum gebeten, das Arbeiten von zu Hause aus zu ermöglichen, bzw. in den eigenen vier Wänden zu arbeiten. Bereits im letzten November forderte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) einen gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice, den Vorschlag zog er zurück. Stattdessen zielt er nun in einem Gesetzesentwurf darauf ab, dass Arbeitnehmer das Recht erhalten, einen Wunsch nach regelmäßigem mobilen Arbeiten mit ihrem Arbeitgeber zu besprechen. Ganz ehrlich: Wenn Unternehmen derart autoritär geführt werden, dass Mitarbeiter mit ihren arbeitsbezogenen Sorgen nicht zum Chef gehen können, dürften sich die Erfolgsaussichten eines solchen Gesprächs bestimmt in Grenzen halten.

Homeoffice könnte früher oder später zur Pflicht werden. Die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt fordert bereits eine solche, inklusive Bußgelder. Aber auch der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und der bereits erwähnte Bundesarbeitsminister scheinen nicht abgeneigt zu sein – selbst wenn sie es noch nicht offen zugeben. Laut Markus Söder müsse man überlegen, wie man die vorhandenen  Potenziale für Homeoffice besser ausschöpfen könne. Wenn das nicht funktioniere, sei über „andere Maßnahmen“ nachzudenken. Nach Hubertus Heil müssten Hygiene-Auflagen strikt eingehalten werden, wo kein Homeoffice möglich sei. Sonst könne er einen Stillstand auch in der Produktion nicht ausschließen. SPD-Politiker Karl Lauterbach redet nicht lange um den heißen Brei herum, denn er gibt offen zu, dass er eine Pflicht zum Homeoffice richtig findet.

Pro und Contra

Das Land ist gespalten. Auf der einen Seite die (teils gutgläubigen) Corona-Maßnahmen-Befürworter, auf der anderen die (teils vollkommen ins Abseits driftenden) Kritiker. Wie immer liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Erwartungsgemäß erhitzt auch die aktuell diskutierte Ausweitung des Homeoffices bis zu einem Zwang die Gemüter. Wir wollen die Gelegenheit nutzen, Pro und Contra dieser Forderung gegenüberzustellen – um anschließend ein datenschutzrechtliches Fazit zu ziehen.

Was spricht dafür?

Um Kontakte zu reduzieren, wurde das gesellschaftliche Leben zu großen Teilen heruntergefahren – zur Arbeit darf man sich aber weiterhin kreuz und quer durch die Gegend bewegen. Viele Unternehmen setzen bereits auf Homeoffice, doch während laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung noch im Frühjahr 2020 etwa 27 Prozent der Arbeitnehmer ganz oder größtenteils von zuhause aus arbeiteten, waren es bereits im November 2020 nur noch 13 Prozent. Auch wenn die Zahlen mittlerweile wieder angestiegen sein dürften – für manche sind sie immer noch zu gering.

Homeoffice trage erheblich dazu bei, das Infektionsgeschehen einzudämmen: Ein Prozentpunkt mehr Arbeitnehmer im Homeoffice könne die Infektionsrate um bis zu acht Prozent verringern. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung in München. 56 Prozent aller Jobs in Deutschland seien zudem zumindest teilweise Homeoffice-fähig, meint Harald Fadinger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim.

Homeoffice verringere zudem nicht die Produktivität, führe zu größerer Zufriedenheit und Flexibilität sowie zu weniger Stress. Des Weiteren ließe sich Verkehr reduzieren und das Klima schonen. Der Bitkom-Präsident Achim Berg ist überzeugt:

„Die Corona-Pandemie ist der Auslöser eines tiefgreifenden und nachhaltigen Wandels in der Arbeitswelt. Nach dem für die allermeisten erzwungenen Wechsel ins Homeoffice mit dem Lockdown im Frühjahr hat die große Mehrheit in den vergangenen Monaten überwiegend positive Erfahrungen gemacht. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass flexibles Arbeiten die Qualität der Arbeitsergebnisse nicht schmälert – im Gegenteil. Unabhängig von Zeit und Ort zu arbeiten, kann allen Seiten Vorteile bringen, aber das setzt einen tiefgreifenden Kulturwandel in der Arbeitswelt voraus.“

Was spricht dagegen?

Die Gegenargumente sind zahlreich. Homeoffice ist nicht überall möglich – gewisse Tätigkeiten wie z.B. Pflege oder Lebensmittelhandel erfolgen vor Ort. Sechs von zehn Beschäftigten arbeiten in Jobs, die sie nicht einfach mir nichts dir nichts nach Hause verlagern können, merkt Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), an. Doch selbst wenn sie theoretisch könnten, mangelt es in vielen Fällen an IT-Infrastruktur oder die digitale Zusammenarbeit gestaltet sich schwierig.

Seit Monaten bemühen sich die Unternehmen darum, Hygienekonzepte zu entwerfen und umzusetzen. Sie schaffen teure Luftreinigungsgeräte an, bauen Plastik- bzw. Glasscheiben ein, kleben Pfeile auf den Boden oder verringern die Anzahl der Mitarbeiter in den Büros. War all dies umsonst? Man gewinnt den Eindruck, die Politik wisse nicht mehr, wo hinten und vorne liegt – vielmehr hangelt sie sich von einer Maßnahme zur nächsten, in der Hoffnung, irgendeine davon werde greifen, damit man sich endlich wieder im Erfolg suhlen kann.

Dabei wird die konkrete Arbeitssituation außer Acht gelassen: Im Homeoffice vermischen sich Arbeitswelt und Privatleben, gerade auch, wenn man Kinder hat. Wer in einer Ein-Zimmer-Wohnung wohnt, arbeitet Tag für Tag dort, wo er sich erholen soll. Wenn mehrere Leute in einem Haushalt Homeoffice machen, dürfte bald der Platz ausgehen. Der Austausch mit Kollegen via Videokonferenz-Tools reicht oft nicht aus. Ein Minus in sozialer Interaktion mit Kollegen könnte zu einem Plus an privaten Kontakten führen, insbesondere deswegen, weil die Akzeptanz der Corona-Maßnahmen mehr und mehr sinkt.

Verstehen Sie mich nicht falsch – wer ins Homeoffice gehen will, sollte dies auch tun können. Nur ohne Zwang und Bußgelder.

Vielen Unternehmen droht das Datenschutz-Chaos

Homeoffice ist für viele Unternehmen auch ein Risiko. Um von zuhause aus sicher arbeiten zu können, sind einige datenschutzrechtliche Maßnahmen im Vorfeld zu ergreifen. Hier müssen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammenarbeiten. Bei so manchem dürfte es jedoch an Datenschutzverständnis, -bewusstsein oder -willen fehlen. Datensicherheit betrifft nicht nur personenbezogene Daten, sondern auch Geschäftsgeheimnisse, Man könnte meinen, es liege im Interesse beider Seiten, sich darum zu kümmern. Weit gefehlt: 23 Prozent der Beschäftigten im Homeoffice beklagen, keinerlei Unterstützung erhalten zu haben, noch nicht einmal ein Smartphone oder einen Laptop.

Die Mehrheit der Unternehmen hat bereits umfangreiche Investitionen für Homeoffice getätigt, keine Frage. Es ist allerdings naiv zu glauben, Homeoffice werde sich bei allen theoretisch Homeoffice-fähigen Unternehmen einfach so einspielen: Es fehlt an finanziellen Mitteln, an Betriebsgeräten, die der Belegschaft zur Verfügung gestellt werden könnten, an datenschutzkonformer Software, an VPN, an Festplattenverschlüsselung, an Richtlinien, an Clean Desks… – kurzum, der Zug ist aus datenschutzrechtlicher Sicht vielerorts abgefahren, mit Kurs auf Cyberkriminalität und Datendiebstahl.

Digitale Zukunft verpennt

Wenn Politiker schon versuchen, sich mit Vorschlägen für neue Corona-Maßnahmen zu übertrumpfen, dann sollten sie zuvor ihre Hausaufgaben gemacht haben: Deutschland ist ein digitaler Flickenteppich. Homeoffice in München oder Hamburg ist nun einmal wesentlich angenehmer als Homeoffice im tiefsten Bayerischen Wald. Wer von oben herab ein Verbot nach dem anderen anordnet und dabei die Gegebenheiten vor Ort nicht berücksichtigt, der erreicht weder Wählervertrauen noch geringere Infektionszahlen – sondern vielmehr das Gegenteil.


Dieser Beitrag ist ein Kommentar und spiegelt daher die persönliche Meinung der Autorin / des Autors wider. Diese muss nicht mit der Meinung des Herausgebers oder seiner Mitarbeitenden übereinstimmen.

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  • Ein hervorragender Artikel und ein Eintrag nicht nur ins politische Hausaufgabenbuch. In vielen Kleinunternehmen, mit denen ich meiner Praxis als Datenschutzberater in Kontakt komme, fehlt schlichtweg das datentechnische Know-How, da der IT Server von ´“Hobby-IT’lern“ erledigt wird- ist billiger- vom Datenschutz ganz zu schweigen. M.E. fehlt es vor allem an der Sensibilisierung für diese Thematik, die ja nicht nur Corona-gebunden ist, sondern in immer höherem Maße auch den normalen Arbeitsalltag betrifft. Nämlich je tiefgreifender und schneller der digitale Wandel wird, umso brisanter werden die Themen Datenschutz und Cybersicherheit. Statt Safeknacken und Fenster einschlagen gibt es heute wesentlich intelligentere und unauffällige Methoden, an Geheimnisse oder vertrauliche Daten zu kommen. Homeoffice ist eine gute Entwicklung, aber viele verstehen nicht, dass das ein ausgelagerter Arbeitsplatz des Unternehmens mit allen Rechten und Pflichten ist und keine Privatsache.

  • Wir sind bereits seit Anfang des Jahres im Homeoffice. Da wir uns auch grundsätzlich mit dem Thema Datenschutz und -sicherheit beschäftigen, war der Umstieg für uns keine große Herausforderung. Es gibt ja bereits verbreitete Tools, mit denen man sich im Remote kollaborieren kann. Für’s Filesharing haben wir die Nextcloud eingerichtet. Außerdem eine Rocket.chat Instanz in Verbindung mit der Videobridge Jitsi.Meet. So bleiben wir mit Open-Source-Software-Tools in den Empfehlungen der Datenschutzbehörden und stets in Kontakt mit den KollegInnen. Ich fühle mich wohl und die Produktivität leidet auch nicht darunter.
    Wer Probleme hat, sich solche Tools auf eigene Server zu installieren, kann Sie auch sicher als europäische SaaS-Lösung mieten. Verschiedene Unternehmen haben dazu bereits Angebote. z.B. meet.i1box.eu

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