Mittlerweile gehören Sprachassistenten wie Alexa, Siri und Co zu den beliebtesten Smart-Home-Lösungen. Nun ist geplant, dass die generierten Daten für Beweiszwecke vor Gericht verwendet werden können. Das ist nicht unproblematisch.
Der Inhalt im Überblick
Risiken von Smart-Home
Die smarten Geräte haben viele Vorteile und manche machen meist das Leben leichter. Dennoch bringen sie einige Risiken mit, deren man sich durchaus bewusst sein sollte. Wer sich einem solchen kleinen Helfer bedient, hinterlässt digitale Spuren und versorgt Anbieter und oft auch Dritte ungewollt mit persönlichen Daten. Diese werden beispielsweise für Marketingzwecke benutzt, um mithilfe von individualisierten Nutzerprofilen maßgeschneiderte Werbung anbieten zu können. Die Daten werden aber bei weitem nicht nur für die Erstellung von Nutzerprofilen oder für die Verbesserung der Spracherkennung genutzt.
Nun wollen auch Bund und Länder Zugriff auf diese wertvollen Daten haben. Den digitalen Spuren von internetfähigen Geräten komme eine immer größere Bedeutung bei der Aufklärung von Kapitalverbrechen und terroristischen Bedrohungslagen zu. Dies geht aus der Beschlussvorlage des schleswig-holsteinischen Innenministers und IMK-Vorsitzenden Hans-Joachim Grote (CDU) hervor.
Strafverfolgung vs. Persönlichkeitsrecht
Wenn die Geräte bei der Aufklärung von Verbrechen helfen können, ist dies zunächst etwas Positives. Wer dank seines Sprachassistenten oder anderer vernetzter Smart-Home-Lösungen seine Unschuld beweisen kann, dürfte froh darüber sein, wenn dies als Beweis anerkannt wird. Im Ausland sind bereits in einigen Fällen vernetzte Geräte verwendet worden. So hoffte die Polizei aus Arkansas über einen Echo-Lautsprecher, Hinweise in einem Mordfall zu finden. Im April 2017 lieferte ein Fitness-Tracker eines Opfers einen entscheidenden Beweis in einem Mordprozess, und in Ohio konnte ein Herzschrittmacher einen Versicherungsbetrug verhindern.
Bei dem Vorhaben steht das Strafverfolgungsinteresse des Staates im Konflikt mit dem Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten, was nicht ganz unproblematisch ist. Es besteht z.B. ein ausdrückliches Beweisverwertungsverbot für Gespräche, die die Intimsphäre des Beschuldigten betreffen (§ 100 d Abs. 4 StPO). So kann die Verwendung der Daten eines Sprachassistenten als Beweismittel vor Gericht durchaus ein Eingriff in den Kernbereich privater Lebensgestaltung darstellen.
Näheres ist ohne konkreten Gesetzesvorschlag nur schwer zu bewerten. Nur so viel: Eigentlich soll § 100 d Abs. 4 StPO unter anderem auch schon davor schützen, dass Daten aus diesem Bereich überhaupt erst beim Staat gespeichert werden. Genau umgekehrtes wäre der Fall, wenn man sich erst mal alle Daten von den Geräten oder deren Anbietern besorgt und diese anschließend aussortiert.
Chilling Effects
Ein Sprecher des Justizministeriums (!) hatte noch die Kühnheit das Vorhaben unter Verweis auf die Eigenverantwortung der Bürger folgendermaßen zu relativieren:
„Diese Daten sind da, und natürlich können die Daten in ganz vielerlei Hinsicht verwendet und theoretisch auch von Strafverfolgungsbehörden beschlagnahmt werden. Das muss sich jeder fragen, der solche Sprachassistenten in seinem privatesten Umfeld verwendet.“
Diese Aussage lässt tief blicken. Das Justizministerium rät den Bürgern anzunehmen, dass Dinge, die Kriminellen und Unternehmen oder Privaten möglich sind, theoretisch auch dem Staat möglich sind und man sein Verhalten dieser Annahme nach dementsprechend anpassen sollte. Man beschwört ein Verhalten, welches das Bundesverfassungsgericht, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und der Europäische Gerichtshof durch die Schaffung der Rechtsfigur „Chilling Effects“ in ständiger Rechtsprechung bei staatlichen Eingriffen gerade minimieren oder vermeiden möchte.
Hohe grundrechtliche Eingriffsintensität
Zudem überspielt man die hohe grundrechtliche Eingriffsintensität der geplanten Regelung. Immerhin bewegt man sich hier in einem Bereich, der vor 20 Jahren noch für einen „Überwachungsskandal“ gesorgt hat, dem großen Lauschangriff, welcher erst nach Abgang einer Justizministerin und der Änderung des Grundgesetzes möglich war. Bei der darauffolgenden Überprüfung dieser Änderung durch das Bundesverfassungsgericht wies es schon auf befürchtete „Chilling Effects“ hin. So könne allein die Auswirkungen der Möglichkeit einer akustischen Wohnraumüberwachung die Vertraulichkeit der Kommunikation in ihrer gesamtgesellschaftlichen Bedeutung gefährden. An dementsprechend scharfe Voraussetzungen wurde diese Überwachung gebunden und der Gesetzgeber dazu verdonnert, bei den §§ 100c-100e StPO nochmal nachzuarbeiten.
Strafverfolgung um jeden Preis
Der Vorstoß an sich ist aber aus dem Lager einer Partei nicht ungewöhnlich, die seit Jahrzehnten wieder jeglicher Vernunft Strafen verschärft, neue Strafrechtsnormen einführt und Strafverfolgungsbefugnisse ausweitet. Das Ganze könnte aber auch Taktik sein. Man stellt nicht nur seine eigentlichen, unliebsamen Forderungen nach mehr und intensiveren Eingriffen durch Strafverfolgungsbehörden auf (wie etwa den Entschlüsselungszwang), sondern präsentiert uns noch ein Bauernopfer. Am Ende zeigt man sich großmütig und gibt bei den Sprachassistenten nach, besteht aber dafür auf den Entschlüsselungszwang. Den so „gefundenen“ Kompromiss verkauft man dann dem Bürger als großen Erfolg. Immerhin ist es ja für ihn nicht so schlimm gekommen, wie es hätte sein können.
Man könnte sich noch weiter über die Beschlussvorlage des Innenministeriums auslassen, stattdessen schließen wir mit dem Denkanstoß des Bundesverfassungsgerichts aus dem Urteil zum großen Lauschangriff:
„Inzwischen scheint man sich an den Gedanken gewöhnt zu haben, dass mit den mittlerweile entwickelten technischen Möglichkeiten auch deren grenzenloser Einsatz hinzunehmen ist. Wenn aber selbst die persönliche Intimsphäre, manifestiert in den eigenen vier Wänden, kein Tabu mehr ist, vor dem das Sicherheitsbedürfnis Halt zu machen hat, stellt sich auch verfassungsrechtlich die Frage, ob das Menschenbild, das eine solche Vorgehensweise erzeugt, noch einer freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie entspricht.“
Update 06.06.2019:
Heute hat sich der Verbraucherschutz-Staatssekretär Gerd Billen aus dem Bundesjustizministerium doch noch dazu hinreißen lassen, etwas zurück zu rudern. So sollen die Strafverfolgungsbehörden auf der Höhe der Zeit sein, „aber der Schutz der persönlichsten Lebensbereiche und die Freiheit jedes Beschuldigten, sich nicht selbst zu belasten, setzen Grenzen“.
Wenn man schon seine persönliche Einstellung zu dem Thema in dem Artikel äußert, dann sollte es als „Kommentar“ und nicht als „News“ bezeichnet werden.
Unser Blog kennt die Unterteilung News, Fachbeitrag und Urteil. Ich hoffe sie waren – nachdem Sie den anfänglichen Schock überwunden hatten, dass sich hinter News kein journalistischer Nachrichtenartikel einer Online-Zeitung verbarg – mündig genug, dennoch Informationen aus dem Beitrag zu ziehen.
Außerdem sind Sie herzlich eingeladen Ihre Meinung zum Thema mit uns zu teilen. Dafür wurde der Blog geschaffen, um eine breit gefächerte Diskussion über das Thema Datenschutz und seine Auswirkungen auf verschiedene Lebensbereiche zu ermöglichen.
In diesem speziellen Fall finde ich das Vorhaben in die Intimsphäre der möglichen Täter einzudringen mehr als berechtigt. Wie wir oft hier in Deutschland zu oft erleben müssen ist Täterschutz vor Opferschutz, oder immer wieder sind Justizforschungen wegen des Datenschutzes gescheitert und zu oft sind fast eindeutigen Korruptionsangelegenheiten vor dieser Mauer des Datenschutzes gescheitert. Deswegen ist die Intimsphäre gut solange diese nicht dazu dient Schäden einzurichten und solange sie nicht als Schutzschild vor berechtigten strafrechtlichen, relevanten Angelegenheiten benutzt wird.
Vielen Dank für Ihre Meinung. Diese möchte ich gern aufnehmen und meine Gedanken dazu kurz formulieren:
Wie Sie mit dem Ausdruck mögliche Täter richtig beschreiben, sollten wir uns vor Augen halten, dass sich die Maßnahmen auch gegen unschuldige Personen richten können. Zudem muss klar sein, dass die Intimsphäre die engste Sphäre ist, die wir kennen. Diese dem staatlichen Eingriff zu öffnen, bedeutet das man es akzeptiert, dass es keinen Bereich gibt, in den der Staat nicht eingreifen darf.
Das mit Datenschutz ist Täterschutz zu rechtfertigen, finde ich schwierig. Meiner Erkenntnis nach gibt es keine Zahlen die die Aussage belegen, dass in Deutschland Strafverfolgung oft am Datenschutz scheitert. Es mag Fälle geben in denen das der Fall ist, aber man sollte sich vor Augen halten, dass die Strafverfolgung an einer Vielzahl an Dingen scheitert, z.B. daran das Straftaten nicht angezeigt werden, dass die Ermittlung nichts ergibt, an menschlichen Fehlern oder am Zufall.
Bei der Abwägung schwere des Eingriffs (Potentieller unbemerkter Eingriff in die Intimsphäre unschuldiger Bürger / Potentielle Missbrauchsgefahr) gegenüber dem Nutzen (Anzahl der Fälle bei denen entscheidende Hinweise aus dem Sprachassistent stammen und die Tat nicht anders hätte be- oder nachgewiesen können, im Verhältnis zu der Gesamtanzahl der Fälle, in denen die Strafverfolgung scheitert) sehe ich keine Verhältnismäßigkeit.
@Marilynne,
ich finde es schon komisch, dass es möglich ist, andere Menschen einfach „abhören“ zu können. Es gilt immer noch, und das finde ich auch gut so, die Unschuldsvermutung. Warum gibt es überhaupt Passwörter? Warum werden sensible Daten pseudonymisiert oder anonymisiert? Das könnten wir doch auch gleich lassen. Denn jeder könnte doch ein „möglicher“ Täter sein, oder? Abrechnungsbetrug, Diebstahl, … Wo fängt es an und wo hört es auf? Niemand sollte das Recht haben einen Menschen abzuhören. Weder über WhatsApp noch über andere Sprachassistenten. Wie wäre es, wenn der Arzt die Abrechnungscodierung laut nennt und damit seine Leistung abrechnen möchte. Der implantierte Herzschrittmacher greift es auf, sendet die Daten an die Krankenkasse, die beauftragt den Medizinischen Dienst der Krankenkassen mit vermuteten Abrechnungsbetrug, denn die Leistungsziffer entspricht nicht diesem Eingriff, die Akte des Patienten zu prüfen. Leider wurde vergessen, dass der Arzt zwar eine Codierung nannte, damit aber einen anderen Patientenfall meinte. Und ich dachte die alten DDR-Zeiten wären vorbei.
Allein die im Zitat aus dem von Ihnen erwähnten BVG-Urteil zum grossen Lauschangriff
‚… stellt sich auch verfassungsrechtlich die Frage, ob das Menschenbild, das eine solche Vorgehensweise erzeugt, noch einer freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie entspricht.‘
aufgeworfene Frage nach dem Demokratieverständnis derer, die immer wieder Forderungen nach unangemessen erweiterten Ermittlungsbefugnissen aufstellen, muss viel lauter und nachdrücklicher gestellt und diskutiert werden!