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Kameradrohne vorm Schlafzimmer führt zur Hausdurchsuchung

Kameradrohne vorm Schlafzimmer führt zur Hausdurchsuchung

Das Datenschutzrecht sollte mit der Einführung der DSGVO endlich durchsetzbar gemacht werden. Die Frage, ob das gelungen ist kann und wird unterschiedlich beantwortet. Vor allem im Hinblick auf die Effektivität der Durchsetzung ist für die meisten noch viel Luft nach oben. In Thüringen hat nun der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit für Aufsehen gesorgt, als er am Dienstag eine Durchsuchung bei einem Drohneneigentümer veranlasst hat. Damit scheint die Durchsetzung des Datenschutzrechts eine neue Stufe erreicht zu haben.

Was war passiert?

Anwohner meldeten sich im vergangenen Sommer beim Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (TLfDI). Sie teilten glaubwürdig mit, dass ein Nachbar in den sommerlichen Abendstunden eine Drohne habe fliegen lassen. Sie gaben weiter an, der Pilot habe nicht immer Sichtkontakt mit der Drohne gehabt. Das lasse darauf schließen, dass über eine Board-Kamera Bilder an einen Videomonitor gesendet werden. Über diesen Monitor erfolge dann die Steuerung.

Die Drohne habe dabei nicht nur die Gärten der Nachbarn überflogen, sondern auch in der Nähe der nachbarlichen Fenster (u.a. Schlafzimmerfenster) ihre Kreise gezogen. Nach diesen Sachverhaltsschilderungen hielt der TLfDI eine massive Beeinträchtigung der Rechte und Freiheiten der Nachbarn für wahrscheinlich. Daraufhin führte er, nach offenbar rechtmäßig ergangenem Durchsuchungsbeschluss, in der Wohnung des Drohneneigentümers eine Durchsuchung aus. Dabei wurden Datenspeicher sichergestellt.

Kameradrohnen vs. Gesetz

Musste man für spektakuläre Kamerafahrten früher noch ins Kino gehen, kann heutzutage grundsätzlich jedermann ganz privat solche Aufnahmen herstellen. Jeder kann so den Peter Jackson oder George Lucas in sich selbst entdecken und zum Ausdruck bringen. Aus diesem Grund erfreuen sich Kameradrohnen immer größerer Beliebtheit in der Freizeitgestaltung. Bei so einem spektakulären Hobby bleibt aber wenig Raum sich dem (langweiligen) rechtlichen Aspekt zu widmen: Datenschutz! Der ist aber nur bei Drohnen relevant, die, wie im vorliegenden Fall, über eine Bord-Kamera verfügen.

Rechtliche Einordnung aus strafprozessualer Sicht

Der Durchsuchungsbeschluss wird vom zuständigen Amtsgericht erlassen. Die Voraussetzungen für seinen Erlass sind in der Strafprozessordnung geregelt. Im konkreten Fall musste zunächst zwischen den Grundrechten des Durchsuchten sowie dem Strafverfolgungsinteresse der Behörden abgewogen werden. Im letzten Schritt müsste dann eine Hausdurchsuchung dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung tragen. Das ist dann der Fall, wenn es zu der Durchsuchung keine gleich effektive, aber weniger einschneidende Alternative gäbe.

Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ist das Amtsgericht ausgegangen. Bewertet man den knappen Sachverhalt, erscheint die Wertung des Amtsgerichts wenig angreifbar. Im vorliegenden Fall gab es konkrete Tatsachen, die keine Zweifel daran ließen, dass hier mehr als nur ein Anfangsverdacht gegeben und eine Verletzung der Privatsphäre als sehr wahrscheinlich anzusehen war. Dass es sich hierbei um keine Straftat, sondern um eine Ordnungswidrigkeit gehandelt hat, ist unschädlich.

Rechtliche Einordnung aus datenschutzrechtlicher Sicht

Werden Bilder durch optisch-elektronische Geräte erstellt, dann fallen diese unter den Grundbegriff der personenbezogenen Daten (Art. 4 DSGVO), wenn die Bilddaten sich auf „identifizierte bzw. identifizierbare natürliche Personen“ beziehen. Für die Nutzung und Verarbeitung solcher Daten setzt die DSGVO einen engen Rahmen. Eine Videoüberwachung wäre im deutschen Recht ohnehin auch nur nach § 4 BDSG möglich.

Allerdings ist diese Vorschrift – nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts – europarechtswidrig. Dadurch werden den Flugkreisen der Kameradrohnen (zurecht) enge Grenzen gesetzt. Bei Videoaufnahmen im rein privaten Bereich ist es kaum vorstellbar eine Rechtfertigung herzuleiten. Sie würde ohnehin sehr konstruiert anmuten. Was aber der dargelegte Sachverhalt hier nahelegt ist, dass sich viele (private) Anwender keine Gedanken über das Datenschutzrecht und die damit verbundenen rechtlichen Konsequenzen machen.

Wer mit seiner Kameradrohne über privaten Grundstücke fliegt und Aufnahmen macht, dringt in die Privatsphäre Dritter ein. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG wird regelmäßig verletzt werden.

Wieder mehr ins Kino

So aufregend solche Kameradrohnen auch sein mögen, sie bieten dennoch einen sehr leichten Zugang zu personenbezogenen Daten. Da ist es sicherlich gut, dass ab einer bestimmten Gewichtsklasse von Drohnen ein Drohnen-Führerschein verpflichtend ist. Aber das kann nur ein erster Schritt sein. Es sollten, besonders im Hinblick auf die immer modernere Technik, die immer kleinere Drohnen mit noch besseren Kameras hervorbringt, weitere Maßnahmen ergriffen werden, um den Frieden in der Nachbarschaft und im Übrigen sozialen Umfeld zu gewährleisten. Vor allem jeder Einzelne sollte sich bewusst sein, dass Datenschutz am Ende eben vom Einzelnen respektiert werden muss, damit er funktioniert. Und wer partout nicht auf rasante Kamerafahrten verzichten kann, dem sei ein Besuch ins Kino ans Herz gelegt.

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  • Vielen Dank für den sehr informativen Beitrag! Datenschutz wird ja erst dann spannend, wenn er sich in den miteinander kollidierenden Rechtsgebieten zurechtfinden muss. Herzlichen Dank für die verständliche und sogleich unterhaltsame Darstellung dieser Kollision!

  • Wenn man das Gleiche Problem in NRW gehabt hätte und man sich bei den Aufsichtsbehörden in Düsseldorf beschwert hätten, die Antwort von denen wäre gewesen, dass es alles absolut erlaubt und unbedenklich ist und somit keine Verletzung derDatenschutz erfolgt ist. Hier in NRW funktionieren die besagten Aufsichtsbehörde nur um Antworten zu verfassen, die skandalös sind, weil sie absolut nichts mit der EU-Datenschutzgrundverordnung zu tun haben! Und hier gibt es Zensur.

  • Es wäre hilfreich, wenn Sie sich in Ihrem Artikel auch mit Art. 2 Abs. 2 lit. c) DSGVO sowie Erwägungsgrund 18 auseinandersetzen würden. Vielleicht mögen die Ausführungen des Erwägungsgrund 4 Ihr Ergebnis stützen, auch dürften zivilrechtliche Unterlassungsansprüche durchsetzbar sein: Die Frage der Anwendbarkeit der DSGVO wird in Ihrem Beitrag meines Erachtens nach jedoch zu leichtfertig angenommen. Hieraus lässt sich auch erst ableiten, ob die Datenschutz-Aufsichtsbehörde hatte einschreiten durfte oder ob dies nur den Strafverfolgungsbehörden oder sogar nur den betroffenen Personen im Rahmen des Zivilrechtsweges offen gestanden hätte.

    • Vielen Dank für Ihren Kommentar. Der Beitrag sollte und konnte keine vertiefte Auseinandersetzung bieten, denn eine solche war leider nicht möglich. Weder waren die Beschwerden der Nachbarn uns zugänglich, noch gab es Einsicht in die Akte beim zuständigen Amtsgericht. Als Grundlage diente lediglich die Pressemitteilung des Landesbeauftragten.

      Ihr Hinweis auf die Vorschriften und Erwägungsgründe aus der DSGVO ist richtig. Aber auch hier konnte – aus Mangel an Sachverhaltsangaben – leider keine vertiefte Einlassung erfolgen. Eine Einlassung hypothetischer Natur würde den Rahmen des Blogs übersteigen und hätte zu Unübersichtlichkeiten geführt. Der Beitrag hat sich daher nur darauf beschränkt aufzuzeigen, dass die Durchsetzung des Datenschutzes nun auch Hausdurchsuchungen zur Folge haben kann. In Anbetracht der großen Anzahl an Drohnen in privaten Hauhalten, sollte auf diesen Umstand hingewiesen und eine Sensibilisierung erfolgen.

    • Natürlich gibt es eine Abgrenzungsproblematik, denn der Drohnenpilot mag beim Drohnenflug seinem persönlichen Hobby nachgehen. Nach meiner Ansicht endet dieses allerdings dort, wo der Persönlichkeitsrechtsschutz Dritter verletzt wird. Dies ist unzweifelhaft der Fall, wenn aus persönlicher Neugier das Schlafzimmer der Nachbarn beobachtet wird.

  • Wie lautet denn das Aktenzeichen und der Gerichtsstand?

  • Sehr geehrter Dr. Datenschutz,

    § 4 BDSG ist nicht nach Ansicht des BVerwG vollständig europarechtswidrig.
    Das BVerwG hat in seiner Entscheidung nicht der gesamten Abs.1 für nicht anwendbar erklärt, sondern nur Abs.1 Satz.1 bezüglich privaten Stellen. Unter Rn.47 der Entscheidung steht: …Daraus folgt, dass die Öffnungsklauseln des Art. 6 Abs. 2 und 3 DSGVO für Verarbeitungen nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO Videoüberwachungen „privater Verantwortlicher“ nicht erfassen. Aufgrund dessen ist kein Raum für eine künftige Anwendung des § 4 Abs. 1 „Satz 1“ BDSG n.F. auf Videoüberwachungen „privater Verantwortlicher…“.

    Das bedeutet also, dass das BVerwG § 4 Abs.1 Satz.1 Nr.1 und Satz.2 BDSG für weiterhin gültig ansieht. Nur nicht Nr.2 und Nr.3 bei Videoüberwachung privater Verantwortlicher.

    Beste Grüße

  • Dieser Beitrag ist auch fachlich leider völlig falsch. Nicht nur, dass ich meinem Vorposter zustimmen muss, sondern insgesamt: Wieso soll § 4 BDSG hier überhaupt die Rechtsgrundlage für die Videoüberwachung darstellen? Für die Videoüberwachung privater Verantwortlicher ist Art. 6 I f DS-DSGVO einschlägig. Dazu erging bereits Ende März 2019 eine gerichtliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts!

    • Der Beitrag ist insoweit vielleicht ein wenig missverständlich. Dennoch gibt der Beitrag nicht an, dass § 4 BDSG einschlägig ist. § 4 BDSG wird lediglich erwähnt, weil es die einzige Vorschrift ist, die explizit auf Videoüberwachungen Bezug nimmt. Auf einen Beitrag, der das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Gegenstand hat, wurde im Text verlinkt.

      Wesentlich ist der Satz, dass für Kameradrohnen im privaten Bereich kaum eine Rechtsgrundlage zu finden sein wird (abgesehen von Art. 6 Abs. 1 lit. f). Im Rahmen dieser Vorschrift wird eine Rechtfertigung schwer zu konstruieren sein, wenn sich der Fall so darstellt wie hier.

  • Das ist wohl ein Redaktionsversehen:
    „Die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG wird regelmäßig verletzt werden.“
    ;-)

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