Zum Inhalt springen Zur Navigation springen
OLG Köln: Schadensersatz für verspätete Auskunft nach DSGVO?

OLG Köln: Schadensersatz für verspätete Auskunft nach DSGVO?

Der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO – von Unternehmen bekannt und gefürchtet, von betroffenen Personen gerne als taktisches Mittel eingesetzt. An der praktischen Umsetzung scheiden sich auf jeden Fall die Geister in der Datenschutzwelt. Der Auskunftsanspruch ist sicherlich das stärkste Betroffenenrecht und beschäftigt immer wieder die Gerichte. Was im Umgang mit einem Auskunftsersuchen falsch laufen kann, zeigt ein interessanter Fall vor dem OLG Köln.

Auskunft und Schadensersatz

Vorliegend ging es um eine Auskunft, die verspätet und unvollständig erteilt worden ist. Nach Art. 12 Abs. 3 S. 1 DSGVO muss der Verantwortliche die erforderlichen Informationen unverzüglich, spätestens aber innerhalb eines Monats ab Eingang des Auskunftsersuchens geltend machen.

Was also war passiert? Die Klägerin hatte einen Verkehrsunfall erlitten und den Beklagten – einen Rechtsanwalt – mit der Regulierung des Unfallschadens beauftragt. Der Rechtsanwalt kommunizierte mit der Klägerin u. a. per E-Mail und WhatsApp. Nachdem die Klägerin das Mandat gekündigt hatte, forderte sie den Beklagten auf, ihr eine vollständige Datenauskunft einschließlich einer Kopie der Handakte zu erteilen. Dem sei der Beklagte nur teilweise nachgekommen.

Der Beklagte sei trotz mehrfacher Aufforderung untätig geblieben und habe die Klägerin auch nicht über den Fortgang des Mandats unterrichtet. Die Klägerin verlangte ein Schmerzensgeld von mindestens 1.000,00 Euro, da sich der Beklagte seit neun Monaten mit Erteilung der Auskunft in Verzug befunden habe. Der Anspruch auf Datenauskunft sei weiterhin nicht vollständig erfüllt, weil neben Angaben zum „Mandatskonto“ und der Kommunikation per E-Mail und WhatsApp auch weitere Informationen zur Datenweitergabe an Dritte fehlten. Durch die verspätete Datenauskunft sei die Klägerin gehindert worden, ihre Ansprüche gegenüber der Versicherung weiter geltend zu machen. Sie könne ohne die Handakte nicht den Stand der Regulierung überblicken, weil eine Rechnungslegung fehle. Darüber hinaus habe sie die verspätete Auskunft derart psychisch belastet, dass sie befürchtet habe, ihre Ansprüche aus dem Verkehrsunfall nicht mehr durchsetzen zu können. Die Klägerin machte ihre Ansprüche im Wege der Stufenklage geltend, mit der nachgelagerten Forderung auf Zahlung eines Schmerzensgeldes.

Anspruch auf Auskunft weit gefasst

In der ersten Instanz vor dem Landgericht Bonn bekam die Klägerin teilweise Recht. Der Auskunftsanspruch sei grundsätzlich weit gefasst. Nach Auffassung des Gerichts fallen auch die Informationen aus dem Mandatskonto der Klägerin und die Daten der elektronischen Kommunikation darunter. Daher kann der Auskunftsanspruch erst erfüllt sein, wenn der Verpflichtete erklärt, dass die erteilte Auskunft den Gesamtumfang darstellen soll.

Einen Anspruch auf Schadensersatz hatte das LG Bonn allerdings verneint, da die Klägerin keinen ersatzfähigen Schaden erlitten habe. Die eine bloße Verletzung der Informationsrechte führe nicht automatisch dazu, dass die Datenverarbeitung selbst verordnungswidrig ist. Zudem habe das bloße Warten auf die Auskunftserteilung nicht die Erheblichkeitsschwelle überschritten.

Nachweis des Schadens wurde erbracht

Das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 14.07.2022, Az. 15 U 137/21) als Berufungsinstanz sah die Sache ganz anders. Der beklagte Rechtsanwalt hatte den Sachverhalt selbst nicht bestritten. Das OLG hat die umstrittene Frage, ob allein die Verletzung einer Vorschrift der DSGVO für einen Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO ausreiche oder ob es darüber hinaus der Darlegung und des Nachweises eines konkreten Schadens bedürfe, elegant umschifft. Dies war vorliegend möglich, weil Klägerin nach Auffassung des Gerichts die immateriellen Folgen des nicht erfüllten Auskunftsbegehrens dargelegt hatte. Das OLG verwies hierzu u. a. auf die Erwägungsgründe 146 und 75 zur DSGVO:

„Die Klägerin beruft sich vorliegend in erster Linie darauf, dass sie durch die verzögerte Datenauskunft des Beklagten psychisch belastet wurde; sie habe Stress und Sorge im Hinblick auf die Regulierung ihrer Ansprüche aus dem Verkehrsunfallgeschehen empfunden.“

Auch eine etwaige Bagatellgrenze wurde nach Auffassung des Gerichts überschritten:

„Die Klägerin ist für eine nicht unerhebliche Dauer vom Beklagten über das weitere Schicksal des Mandates im Unklaren gelassen worden und war über Monate nicht in der Lage, auf die Handakte zuzugreifen, Kenntnis über den Inhalt der dort gespeicherten Daten zu erlangen und das sie betreffende Verfahren mit dem neuen Prozessbevollmächtigten voranzutreiben.“

Keine dauerhafte Beeinträchtigung

Das OLG hielt ein Schmerzensgeld in Höhe von 500 Euro für angemessen. Zwar falle dem Beklagten sein vorsätzliches Verhalten in Bezug auf die nicht bzw. verspätet erteilte Auskunft zur Last, allerdings hat Gericht auch berücksichtigt, dass die Daten der Klägerin keinem Dritten zugänglich gemacht worden sind und die Klägerin keine dauerhafte gesundheitliche Beeinträchtigung erlitten habe. Zwar sei eine psychische Belastung grundsätzlich ersatzfähig. Allerdings habe sich aus dem Vortrag der Klägerin ergeben, dass die Belastung nur temporär gewesen sei. Eine höhere Entschädigung ist nach Ansicht des Gerichts daher nicht gerechtfertigt.

Interessanterweise hatte die Klägerin selbst ihren Antrag auf Zahlung eines Schmerzensgeldes im Berufungsverfahren auf 500 Euro reduziert. Auch diesen Umstand hat des OLG Köln offenbar berücksichtigt. Eine Begründung für die Reduzierung hatte die Klägerin allerdings nicht vorgebracht.

Die Rechtsunsicherheit besteht weiterhin

Nach dieser Entscheidung ist klar, dass nichts klar ist. Nicht zum ersten Mal kommt die 2. Instanz zu einer völlig anderen Auffassung als die Vorinstanz, wenn es um Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit Auskunftsersuchen geht. Immerhin lässt sich aber weiterhin der Trend ablesen, dass eine Abkehr vom sogenannten „Bagatellschaden“ stattfindet und somit praktisch jeder Schaden grundsätzlich erstattungsfähig ist. Vorausgesetzt, die geschädigte Person kann den erlittenen Schaden auch glaubhaft machen. Dass dies selbst bei immateriellen Schäden möglich ist, zeigt der obige Fall.

Bezüglich eines Auskunftsersuchens sollten Unternehmen unbedingt auf die Einhaltung der Frist achten, um sich weitere Probleme zu ersparen. Dies gilt natürlich generell für Betroffenenrechte.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Festsetzung des Streitwerts. Das LG Bonn ging noch davon aus, dass gute Gründe gegen eine pauschale Streitwertfestsetzung sprächen. Daher setzte man den Streitwert bei lediglich 500 Euro an. Das OLG änderte den Streitwert für die Datenauskunft auf 5.000 Euro, da man ausreichende Anhaltspunkte dafür sah, dass die beabsichtigte Auskunft durchaus gewisse Relevanz für die weitere Durchsetzung von Forderungen aus dem augenscheinlich doch sehr schweren Unfallereignis haben könnte. Dies ist ein weiteres Beispiel für die zum Teil deutlich divergieren Streitwertfestsetzungen beim Auskunftsanspruch. Von 500 Euro über 2.000 Euro (LG Berlin, Urteil vom 16.12.2019, Az.: 35 T 14/19) bis zu 5.000 Euro (so z. B. AG Bonn, Urteil vom 30.07.2020, Az.: 118 C 315/19) war alles schon dabei. Beziehen Sie bei der Bearbeitung von geltend gemachten Betroffenenrechten daher stets Ihren Datenschutzbeauftragten mit ein!

Informieren Sie sich über unsere praxisnahen Webinare
  • »Microsoft 365 sicher gestalten«
  • »Informationspflichten nach DSGVO«
  • »Auftragsverarbeitung in der Praxis«
  • »DSGVO-konformes Löschen«
  • »IT-Notfall Ransomware«
  • »Bewerber- und Beschäftigtendatenschutz«
Webinare entdecken
Mit dem Code „Webinar2024B“ erhalten Sie 10% Rabatt, gültig bis zum 30.06.2024.
Beitrag kommentieren
Fehler entdeckt oder Themenvorschlag? Kontaktieren Sie uns anonym hier.
Die von Ihnen verfassten Kommentare erscheinen nicht sofort, sondern erst nach Prüfung und Freigabe durch unseren Administrator. Bitte beachten Sie auch unsere Nutzungsbedingungen und unsere Datenschutzerklärung.