Die Randale in Stuttgart lassen mehr als eine Frage offen. Dabei dürften datenschutzrechtliche Probleme nicht unbedingt ganz oben auf der Liste stehen. Da der Datenschutz aber besonders seit Inkrafttreten der DSGVO immer wieder in der öffentlichen Diskussion als Sündenbock herhalten muss, aus aktuellem Anlass vorab ein paar Klarstellungen.
Der Inhalt im Überblick
- Personenkontrollen durch die Polizei: Dürfen die das (einfach so) und welche Daten muss ich preisgeben?
- Darf ich als Privatperson Straftaten mit dem Handy filmen?
- Darf ich die Filme hinterher posten?
- Darf ich die Polizei fotografieren oder filmen?
- Was darf die Polizei in sozialen Netzwerken?
- Die einfache Antwort ist selten die richtige
Personenkontrollen durch die Polizei: Dürfen die das (einfach so) und welche Daten muss ich preisgeben?
Nun, „einfach so“, also aus reiner Willkür, natürlich nicht. Allerdings mag der Grund für die Kontrolle nicht offensichtlich für die kontrollierte Person sein. Fragen Sie also nach dem Grund. Die Polizei kann grundsätzlich sowohl repressiv, also aufgrund des Verdachts einer Straftat, oder präventiv, also Straftaten vorbeugend handeln. Bei einer Identitätsfeststellung aufgrund des Verdachts einer Straftat sind die Regelungen deutschlandweit einheitlich: Rechtsgrundlage ist § 163b Abs. 1 StPO
Polizeirecht dagegen ist Ländersache. Die Voraussetzungen für Personenkontrollen ohne konkreten Straftatverdacht können daher von Bundesland zu Bundesland etwas variieren. Selbstverständlich gilt aber stets auch bei rein präventivem Vorgehen der Polizei ein Willkürverbot. Daher muss die präventive Maßnahme der Polizei stets der Gefahrenabwehr dienen. Es muss also eine Gefahr für ein Rechtsgut bestehen. Eine solche präventive Maßnahme zum Zweck der Gefahrenabwehr kann z.B. ein Platzverweis oder auch die Feststellung der Personalien sein. Bei einer rein präventiven Maßnahme darf die Polizei daher den Namen, Geburtstag und -ort, die Wohnanschrift und die Staatsangehörigkeit erfragen. Nach dem Personalausweis darf ebenfalls gefragt werden. Sie als Betroffener trifft aber keine Pflicht, diesen ständig bei sich zu führen. Fragen zu Ihrer Person sollten Sie wahrheitsgemäß beantworten, da Falschangaben eine Ordnungswidrigkeit darstellen.
Bei einer Personenkontrolle ist der Betroffene über diese Angaben zur eigenen Person hinaus regelmäßig nicht zu Auskünften verpflichtet. Weitere Fragen der Polizei müssen Sie also nicht beantworten.
Übrigens sind Sie nicht verpflichtet, sich gegenüber anderen Personen wie Kaufhausdetektiven, Sicherheitspersonal oder Fahrkartenkontrolleuren „auszuweisen“.
Darf ich als Privatperson Straftaten mit dem Handy filmen?
Smartphones sind allgegenwärtig, deswegen ist die Kamera schnell zur Hand, wenn ich in der Öffentlichkeit eine (evtl. vermeintliche) Straftat sehe. Ist das Anfertigen einer Aufnahme zulässig?
Vorweg: Wer filmt, wie eine andere Person Opfer einer Straftat wird und dem Opfer nicht zur Hilfe kommt, kann wegen unterlassener Hilfeleistung nach § 323c StGB bestraft werden. In einer Notsituation sind Sie zur Hilfeleistung verpflichtet. Eine Notsituation besteht, wenn eine erhebliche Gefahr für andere Personen oder Sachen besteht, z.B. ein Betrunkener auf der Straße niedergeschlagen wird oder wenn auf sonst wehrlose Personen eingeprügelt oder getreten wird. Die Hilfeleistung ist erforderlich, wenn sich die Person nicht selbst helfen kann oder keine anderweitige Hilfe vorhanden ist. Die Hilfeleistung muss Ihnen allerdings zumutbar sein. Dies ist der Fall, wenn für Sie als Helfendem selbst keine erhebliche Gefahr besteht. Ob dies der Fall ist, müssen Sie selbst vor Ort einschätzen.
Gleiches gilt, wenn Sie beim Filmen Rettungskräften im Weg stehen. Dies kann als unterlassene Hilfeleistung und als Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a StGB) geahndet werden. Auf unseren Blogbeitrag zu Unfallgaffern sei hier empfehlend verwiesen.
Unerlaubtes Filmen stellt einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Person dar. Das Recht am eigenen Bild ist ein Teil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das jeder Person zusteht. Sinn und Zweck ist der Schutz der Privat- und Intimsphäre. Das kann es ja in unserem Beispielsfall, wenn eine Gefahr für ein Rechtsgut besteht aber doch nicht sein, meinen Sie? Ja, richtig. Angenommen, Sie können ohne erhebliche Eigengefährdung nicht eingreifen, könnten aber schnell ein Foto der Täter machen. Hierdurch kann der oder die Täter ggf. erkannt und die Ermittlungstätigkeit von Polizei und Staatsanwaltschaft erleichtert werden. Es gibt also einen konkreten Anlass für das Foto und die Videoaufnahme. Zwar hat natürlich auch ein Täter schutzwürdige Interessen, diese treten in diesem Fall aber zurück. Aus diesem Grund dürfen Sie die Aufnahmen dann auch der Polizei übergeben.
Darf ich die Filme hinterher posten?
Nein. Stellen Sie diese Aufnahmen nicht ins Internet, posten Sie sie nicht auf Facebook und teilen Sie sie nicht in der WhatsApp-Gruppe. Private Fahndungsaufrufe sind unzulässig. Es gibt Hinweisportale der Polizei, bei denen Sie Aufnahmen ggf. sogar anonym hochladen können. Oder Sie gehen direkt mit den Bildern zur Wache.
Darf ich die Polizei fotografieren oder filmen?
Polizeiliche Einsätze zu filmen und zu fotografieren, ist grundsätzlich zulässig. Nach §§ 22, 23 Kunsturhebergesetz (KUG) i.V.m. § 33 KUG macht man sich aber strafbar, wenn Sie die Bilder ohne Einwilligung der Abgebildeten verbreiten oder öffentlich zur Schau stellt.
Da in diesem Zusammenhang bereits des Öfteren eine Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes nach § 201 Abs. 1 StGB von Seiten der Polizei geltend gemacht wurde, ist zu Bedenken, ob eine Tonaufnahme gerechtfertigt sein kann oder eher nicht erforderlich ist. Mehr Informationen hierzu finden Sie in unserem Blogbeitrag „AG München: Strafbarkeit der Videoaufnahme einer Polizeikontrolle„.
Was darf die Polizei in sozialen Netzwerken?
Derzeit kursieren zahlreiche Videos und Fotos aus der Nacht von Samstag auf Sonntag in sozialen Netzwerken. Laut Pressemeldungen ist die Polizei bereits dabei, diese Aufnahmen zu sammeln und auszuwerten. Ist dies rechtlich zulässig?
Grundsätzlich darf die Polizei auch in sozialen Netzwerken ermitteln, soweit es öffentlich zugängliche Profile betrifft:
„Eine Kenntnisnahme öffentlich zugänglicher Informationen ist dem Staat grundsätzlich nicht verwehrt. Dies gilt auch dann, wenn auf diese Weise im Einzelfall personenbezogene Informationen erhoben werden können (…). Daher liegt kein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vor, wenn eine staatliche Stelle im Internet verfügbare Kommunikationsinhalte erhebt, die sich an jedermann oder zumindest an einen nicht weiter abgegrenzten Personenkreis richten. So liegt es etwa, wenn die Behörde eine allgemein zugängliche Webseite im World Wide Web aufruft, eine jedem Interessierten offen stehende Mailingliste abonniert oder einen offenen Chat beobachtet.
Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung kann allerdings gegeben sein, wenn Informationen, die durch die Sichtung allgemein zugänglicher Inhalte gewonnen wurden, gezielt zusammengetragen, gespeichert und gegebenenfalls unter Hinzuziehung weiterer Daten ausgewertet werden und sich daraus eine besondere Gefahrenlage für die Persönlichkeit des Betroffenen ergibt. Hierfür bedarf es einer Ermächtigungsgrundlage.“
BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 – 1 BvR 370/07
Wenn die Polizei also lediglich im Internet offen verfügbare oder für einen nicht weiter abgegrenzten Personenkreis gerichtete Informationen – wie zum Beispiel auf YouTube für jeden freigegebene Videos – abruft, benötigt sie für diese Ermittlungstätigkeiten keine spezielle Ermächtigungsgrundlage. Die jeweiligen Aufgabenzuweisungen der landesrechtlichen Polizeigesetze reichen hier aus.
Problematisch wird es erst, wenn gezielt Profile erstellt werden oder die Polizei zum Beispiel mittels Tarnidentität ermittelt und das schutzwürdige Vertrauen eines Betroffenen ausnutzt.
Die einfache Antwort ist selten die richtige
Wir sehen – die Phrase des Datenschutzrechts als „Täterschutzrecht“ verfängt nicht. Datenschutz bezieht sich im vorliegenden Fall auf die grundlegenden Freiheitsrechte der Bürger im demokratischen Rechtsstaat. Daher können Sicherheitsmaßnahmen, die den Datenschutz berühren, nie ohne den Bezug auf die Freiheitsrechte diskutiert werden. Man muss sein Vorgehen begründen können. Diesen Aufwand sollte uns unser Rechtsstaat wert sein.
„Nun, „einfach so“, also aus reiner Willkür, natürlich nicht. Allerdings mag der Grund für die Kontrolle nicht offensichtlich für die kontrollierte Person sein. Fragen Sie also nach dem Grund. Die Polizei kann grundsätzlich sowohl repressiv, also aufgrund des Verdachts einer Straftat, oder präventiv, also Straftaten vorbeugend handeln.“ Liegt also eine Straftat vor, wenn ein Polizist Persönliche Daten verlangt, obwohl ganz offensichtlich keine Straftat oder Ordnungswidrigkeit vorliegt? Denn dann handelt es sich um ein in Erfahrung bringen der Personendaten zum potentiellen Zwecke extralegaler Straf-Maßnahmen. Z.B. kann Ich einen Kasten hinten auf einem Dreirad-Fahrrad bauen auf dessen Seiten DIN-A1- und DIN-A2 Plakatrahmen und ein 24″-Monitor sind. Oben drauf evtl. noch eine 50W-Solarzelle. Absolut legal. Auch wenn auf dem zentralen horizontalen A1-Rahmen hinten und vorne (über dem Sattel) ganz groß „Die Polizei ist ein Sammelbecken für Asoziale und Kriminelle (Dr. Brosa)“ steht, ist das so legal als würde dort „A.C.A.B.“ stehen. Der Rechtsgrundsatz ist, dass dies legal ist, weil der Personenkreis „unüberschaubar groß“, und damit „nicht beleidigungsfähig“ ist. Nur wenn man damit vor einer Polizeiwache parkt könnte Bezugnahme auf einzelne Polizisten unterstellt werden. Dr. Brosa gewann daher den Prozess gegen ihn. Wenn ich damit z.B. in Köln vor dem Landgericht/Amtsgericht parke, oder nächsten Monat damit zum CSD in Köln fahre, sollte die Polizei also kein Recht haben meinen Namen zu erfahren. Wenn Sie es doch versuchen, besteht doch das Risiko dass Sie dies nur machen um versuchen an der Justiz vorbei etwas zu „finden“. Was ist wenn man keinen Ausweis dabei hat ? Wäre evtl. besser. Denn als Radfahrer muss man keinen Ausweis oder Führerschein dabei haben. Also am besten auch gleich EC-Karte etc. nicht mitnehmen. Und im Smartphone die Sperre von Fingerabdruck und Gesichtserkennung entfernen, und nur PIN aktiv haben. Wenn sie einen DANN zur Identitätsfeststellung mitnehmen ist das doch Freiheitsberaubung, oder nicht? Denn ein Grund dafür liegt ja offensichtlich nicht vor. Noch ein Szenario: Das Teil steht alleine. Also kann die Polizei nicht versuchen „den Halter“ zu ermitteln. Ist ja kein Kennzeichen dran. Wenn das Fahrrad nicht den Verkehr, Passanten und speziell Behinderte oder die Feuerwehr (Hydrant etc.) behindert, sollte die Polizei das Fahrrad doch nicht mitnehmen dürfen. Es gab den Fall, da hat jemand mit einem Videoprojektor G8-Kritik auf den TV-Turm in Hamburg projiziert. Eine Polizistin nahm ihn fest. Die Folge war ein Entschuldigungsschreiben des Regionaleiter der Polizei, indem dieser sich für den Vorfall entschuldigte, und mitteilte dass die Polizistin einen Strafbefehl von €200 Euro an die Opferhilfe zahlen muss, um einen Prozess wegen Freiheitsberaubung zu vermeiden. Die Kopie habe ich als Webseitenlink eingetragen. Habe mir vor Jahren aus einem miesen jpg eine PDF als Kopie mit scharfem Text und Logo etc. erstellt, weil ich wusste dass das irgendwann mal nützlich sein könnte. Wenn Ich mal etwas Vergleichbares mache (4000AL-Beamer vorhanden), ist auch ein Dokument aus Hamburg eine (einschüchternde) Hilfe, da das Recht diesbezüglich wohl überall in Deutschland gleich ist.