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AG München: Strafbarkeit der Videoaufnahme einer Polizeikontrolle

AG München: Strafbarkeit der Videoaufnahme einer Polizeikontrolle

Mit Urteil vom 20.01.2020 verurteilte das zuständige Jugendschöffengericht am Amtsgericht München einen 21-Jährigen Arbeitslosen aus München-Riem wegen der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes. Dieser filmte eine Polizeikontrolle. Ist das grundsätzlich verboten und hat dies auch etwas mit Datenschutz bezüglich der betroffenen Beamten zu tun?

Was war passiert?

Der Sachverhalt dürfte sich sicherlich vielerorts in Deutschland ähnlich abspielen. Nach der Pressemitteilung 15 des Amtsgericht München vom 24.02.2020 lag dem Urteil des Amtsgerichts München vom 20.01.2020, Aktenzeichen 1034 Ls 458 Js 197562/19 jug folgender Sachverhalt zugrunde:

„Am 26.4.2019 gegen 3:40 Uhr unterzogen zwei Polizeibeamte den beifahrenden Angeklagten und seinen am Steuer eines Kleinlasters sitzenden Freund auf der Georg-Kerschensteiner-Straße in München einer allgemeinen Verkehrskontrolle.

Die Kommunikation der Beamten, seines Freundes und des Angeklagten zeichnete der Angeklagte trotz mehrfachen Hinweises auf das strafrechtliche Verbot in Bild und Ton auf seinem Apple lPhone10 auf. Die Beamten händigten ihm bei der nachfolgenden Vernehmung auf der Inspektion den ausgedruckten Gesetzestext aus, zogen das IPhone10 als Beweismittel ein und stellten Strafantrag.“

Der Verteidiger des Angeklagten erklärte, dass sein Mandant dachte, er dürfe das machen, da ein anderer Beamter ihm früher mal gesagt habe, dass er das sehr wohl machen dürfe.

Die Polizeibeamten stellten das Smartphone sicher und der Angeklagte erhielt es bis zum Prozess nicht zurück.

Wie ist die rechtliche Bewertung solcher Fälle?

Doch wie wird die Anfertigung solcher Videoaufnahmen rechtlich bewertet. Schließlich finden sich im Internet vermehrt dort veröffentlichte Videos, die den Einsatz von unmittelbarem Zwang der Polizei zeigen.

Bereits vor einigen Jahren gab es ein ähnliches verwaltungsgerichtliches Verfahren, das zuletzt vom Bundesverfassungsgericht entschieden wurde. Dabei ging es jedoch um die Anfertigung von Fotografien und das reinen Filmen von Polizeieinsätzen (ohne Tonaufnahme). Die Entscheidungen des Verfahrens ergingen damals ausschließlich vor dem Hintergrund des Kunsturhebergesetzes.

In der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung heißt es:

„Vielmehr sei zunächst zu prüfen, ob eine von § 33 Absatz I KunstUrhG sanktionierte Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung der angefertigten Aufnahmen tatsächlich zu erwarten sei oder ob es sich bei der Anfertigung der Aufnahmen lediglich um eine bloße Reaktion auf […] etwa zur Beweissicherung mit Blick auf etwaige Rechtsstreitigkeiten handele.“ (BVerfG, Beschluss vom 24.7.2015 – 1 BvR 2501/13).

Dies veranschaulicht die Bedeutung des vermeintlich kleinen Unterschiedes, ob eine Aufnahme mit oder ohne Ton angefertigt wird. Das Filmen ohne Ton wird bei Verwendung eines Smartphones jedoch regelmäßig nur mit größerem Aufwand zu erreichen sein.

Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes

Nach § 201 Abs. 1 StGB ist sowohl allein das unbefugte Aufnehmen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes eines anderen, als auch eine Veröffentlichung der so hergestellten Aufnahmen strafbar. Problematisch ist bezüglich der Aufnahme von polizeilichen Maßnahmen die Auslegung des Merkmals „nichtöffentlich“.

Nach allgemeiner Auffassung liegt eine nichtöffentliche Äußerung vor, wenn diese nach dem Willen des Äußernden nicht für einen größeren, unbestimmten oder nicht durch persönliche oder sachliche Beziehungen miteinander verbundenen Personenkreis bestimmt ist (siehe auch Graf, in: MüKoStGB, 3. Aufl. und Fischer, StGB, 65. Aufl., § 201 Rn. 3). Daneben kann auch eine sog. faktische Öffentlichkeit bestehen, wenn die Äußerungen objektiv für einen größeren unbestimmten Personenkreis wahrnehmbar sind (z. B. bei lauten Äußerungen im öffentlichem Raum – wie im ÖPNV oder auf größeren Plätzen).

Daher kann eine Äußerung im Rahmen einer polizeilichen Maßnahme sowohl öffentlich, als auch nichtöffentlich im Sinne des § 201 Abs. 1 StGB sein. Bei Äußerungen im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle am Straßenrand wird es sich jedoch häufig um nichtöffentliche Äußerungen handeln.

Das LG Kassel hat in einem Fall beim Filmen einer polizeilichen Personenkontrolle bezüglich der Rechtswidrigkeit anders entschieden:

„Da es hier um den Mitschnitt einer Personenkontrolle geht, dürfte insoweit wesentlich auf das Einverständnis der kontrollierten Person abzustellen sein, denn die Kontrolle diente allein der Feststellung seiner Personalien; nur er dürfte im Rahmen der Kontrolle Informationen über sich preisgegeben haben. Die hierauf gerichteten Fragen der Polizeibeamten haben hingegen nur einen hinführenden Charakter ohne eigenen nennenswerten Erklärungsgehalt; was damit gemeint ist, dass die Polizei Personalien erhebt, ist ohnehin jedermann geläufig. Anders wäre es zu beurteilen, wenn die Beamten den Kontrollierten mit Fragen zu Sachverhalten oder gar mit Beschuldigungen konfrontieren würden oder wenn ein Gespräch zwischen mehreren Beamten untereinander aufgezeichnet würde;“ (LG Kassel, Beschluss vom 23.09.2019 – 2 Qs 111/19).

Datenschutzrechtliche Erwägungen

Die Argumente des LG Kassel lassen sich gerade aus datenschutzrechtlicher Sicht gut hören und könnten sicherlich auch in einer Interessenabwägung im Datenschutz herangezogen werden. Dabei geht es um einen Ausgleich zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Sprechenden und dem jeweiligen Dokumentationsinteresse des Aufzeichnenden.

Soweit der Aufzeichnende die Daten für Beweiszwecke nutzen (oder sogar veröffentlichen) will, wird die Verarbeitung wohl nicht mehr unter die sog. Haushaltsausnahme (Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO) fallen. Denn die Daten sollen nicht mehr zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten genutzt werden. Die oben genannten Rechte müssten daher auch im Rahmen einer Abwägung nach Art. 6 Abs. 1 S.1 lit. f) DSGVO berücksichtigt werden. Auch die Wertung des Gesetzgebers aus § 201 StGB ist hier sicherlich miteinzubeziehen.

Andere Ansicht AG München?

Das Urteil des AG München ist leider bisher nicht veröffentlicht, so dass nicht bekannt ist, ob sich das Amtsgericht im Rahmen der Rechtmäßigkeitsprüfung mit ähnlichen Erwägungen auseinandergesetzt hat. In jedem Fall besteht auch nach der Entscheidung des LG Kassel leider eine gewisse Rechtsunsicherheit für Bürger, die eine polizeiliche Maßnahme mit dem Handy dokumentieren wollen. Am Ende hängt dies immer von der Art der Maßnahme und weiteren Faktoren wie eventuell in der Nähe stattfindende Gespräche zwischen Beamten ab.

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  • Wäre der Einsatz (inkl. PreRecording) einer Bodycam durch die Beamten ein Faktor? Sofern nun die Beamten die Kontrolle dokumentieren, ist die Dokumentation durch den Betroffenen mittels Smartphone noch im Rahmen – im Sinne einer dokumentarischen Parität?

    • Letztlich wird es immer auf die Umstände des Einzelfalls ankommen. Ein Beamter muss sich genauso wie jeder andere an rechtliche Vorgaben halten. Nun haben die Gesetzgeber der Länder besondere Rechtsgrundlagen geschaffen, um den Einsatz von Bodycams in bestimmten Situationen zu ermöglichen. Da die strafrechtlichen Wertungen des Gesetzgebers bei der Prüfung des Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO einbezogen werden dürften, wird es darauf ankommen wie und ob ein Gericht auch Argumente bzgl. „dokumentarischer Parität“ (vor allem in Fällen in denen ein Beamter z.B. den Rahmen des Polizeigesetzes überschreitet) einbeziehen kann und wird.

      • Mir ist Art. 6 (1) lit. f) DS-GVO in diesem Kontext nicht klar. Nach meiner Ansicht ist Art. 6 (1) lit. e) DS-GVO im Zusammenspiel mit der Konkretisierungsklausel Art. 6 (2) DS-GVO in diesem Fall heranziehen.

        • Die Ausführung zur Prüfung des Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO bezog sich auf die Grundlage des filmenden Bürgers und dessen datenschutzrechtliche Grundlage.
          Für den Beamten wäre sicherlich Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO iVm der jeweiligen polizeirechtlichen Regelung (nach Art. 6 Abs. 2 DSGVO) zu prüfen.

  • Nun, da die POLIZEI die Öffentlichkeit präsentiert und ich bei einer Kontrolle alleine keine ander Möglichkeit habe, ausser durch ein Gedächtnisprotokoll, so steht es mir doch zu, die Kontrolle als Beweismittel für mich zu sichern. Niemand weiss vorher, ob es zu physischen oder psychischen übergriffen durch Beamte kommen kann. Schon, wenn ich nicht belehrt wurde uber meine Rechte, liegt ja ein Verstoss seitens der Beamten vor, Und um alleine dies beweisen zu können, muss es doch zulässig sein, eine Kontrolle per Video festhalten zu können. Sie kennen ja den Spruch, eine Krähe… somit wäre dann z.B. eine beeidete Falschaussage durch die Beamten zugunsten für einander Beweisbar, Auch könnten so korrupte Handlunge, wenn auch nur vereinzelt von vorn herein unterbunden werden.

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