Die Schufa und andere Wirtschaftsauskunfteien stehen immer wieder im Mittelpunkt, wenn es um die Verarbeitung von Verbraucherdaten geht. Diese Branche hat sich durchaus zu Recht einen Ruf als Datenkrake erarbeitet. Vor allem geht es um die Frage, welche Daten für wie lange gespeichert werden dürfen. Dies beschäftigt häufiger diverse Gerichte – so auch in dem neuesten Fall vor dem KG Berlin.
Der Inhalt im Überblick
Auskunfteien und ihre Daten
Auch wenn man manchmal vielleicht ein mulmiges Gefühl hat, was Auskunfteien angeht, erfüllen sie doch einen wichtigen Zweck im Wirtschaftskreislauf. Unternehmen haben ein Interesse daran zu erfahren, ob und wie solvent ihre potenziellen Vertragspartner sind. Anderenfalls drohen ggf. erhebliche Zahlungsausfälle, was zumindest mittelbar der gesamten Wirtschaft zur Last fallen würde. Und genau hier kommen Auskunfteien ins Spiel, da sie Informationen zur Bonität von Verbrauchern und anderen möglichen Vertragspartnern bereithalten.
Und wie funktioniert das? Natürlich mit Daten, Daten, Daten. Schufa, Creditreform & Co. speichern u. a. Stammdaten zu Personen sowie Informationen zu Krediten, Bankkonten oder Leasingverträgen. Daraus wird ein sogenannter Score ermittelt, der anzeigt, wie hoch die Bonität der jeweiligen Person oder des jeweiligen Unternehmens ist. Wirtschaftsauskunfteien erhalten ihre Informationen dabei im Regelfall aus einem großen Netzwerk von eigenen Vertragspartnern, typischerweise von Banken oder Mobilfunkgesellschaften. Aber auch öffentliche Verzeichnisse wie z. B. das Handelsregister oder Bekanntmachungen zu Insolvenzverfahren stellen eine gute Datenquelle dar.
Anspruch auf Löschen von Daten?
Die Datenverarbeitung durch Auskunfteien lässt sich aus den oben genannten Gründen meist auf das berechtigte Interesse nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO stützen. Dieser Praxis kann man sich kaum entziehen, egal ob es einem gefällt oder nicht. Ein schlechter Score-Wert kann im Einzelfall dazu führen, dass man eine Wohnung nicht anmieten kann oder den gewünschten Kredit für ein neues Auto nicht bekommt. Eine immer wieder diskutierte Frage ist daher, wie lange Auskunfteien gewisse Informationen speichern dürfen. Konkret geht es also um den Anspruch auf Löschung von Daten nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO.
Mit dieser Frage hatte sich kürzlich auch das KG Berlin (Urteil vom 15.02.2022, Az. 27 U 51/21) zu beschäftigen. Der Kläger hatte ein Insolvenzverfahren mit anschließender Restschuldbefreiung durchlaufen. Er begehrte von der Beklagten, einer Wirtschaftsauskunftei, die Löschung eines ihn betreffenden Eintrags im Zusammenhang mit der Erteilung einer Restschuldbefreiung gemäß Art. 17 DSGVO sowie dessen erneute Eintragung und Speicherung zu unterlassen. Das Landgericht Berlin hatte die Klage abgewiesen. Mit der Berufung vor dem KG Berlin verfolgte der Kläger seinen Anspruch weiter.
Teilnahme am Wirtschaftsleben vs. Interessen Dritter
Das Landgericht kam zu dem Ergebnis, dass dem Kläger kein Recht auf Löschung nach Art. 17 DSGVO zustehe, da die Verarbeitung der Daten über die Restschuldbefreiung, die von der Beklagten zutreffend in Übereinstimmung mit den Insolvenzbekanntmachungen gespeichert worden ist, rechtmäßig im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO erfolgt sei. Die Datenverarbeitung durch die Beklagte sei nach dieser Vorschrift rechtmäßig, weil ein überwiegendes Interesse der Beklagten und ihrer Vertragspartner bestehe. Das berechtigte Interesse der Beklagten bzw. der Dritten (Kreditwirtschaft) bestehe u. a. darin, die Kreditwirtschaft vor Verlusten im Kreditgeschäft mit natürlichen Personen zu schützen und damit auch zugleich Kreditinteressenten vor einer etwaigen Überschuldung zu bewahren.
Der Kläger ist dagegen der Ansicht, dass die Datenverarbeitung unrechtmäßig erfolgt sei. So habe das Landgericht im Rahmen des berechtigten Interesses darauf abgestellt, dass nach einer bereits erfolgten Insolvenz das Risiko einer neuen Insolvenz bestünde und Vertragspartner davor gewarnt werden müssten. Ein Negativeintrag, wie die Information „Restschuldbefreiung“, ist aus Sicht des Klägers aber nur dann richtig, wenn der zugrunde liegende Sachverhalt objektiv richtig dargestellt worden und der Betroffene tatsächlich kreditunwürdig sei. Dies treffe auf ihn, den Kläger, allerdings nicht zu. Die Möglichkeit der erneuten Teilnahme des Klägers am Wirtschaftsleben müsste daher höher gewichtet werden.
Umfassende Interessenabwägung
Das KG Berlin hat sich der Entscheidung des Landgerichts im Wesentlichen angeschlossen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gleichstellung mit Personen, welche kein Insolvenzverfahren durchlaufen haben:
„Dies gelte insbesondere, wenn – wie hier – unstreitig im Zeitpunkt der Restschuldbefreiung noch Forderungen in Höhe von über 51.000,00 EUR offen gewesen seien. Die Daten zur Restschuldbefreiung des Klägers würden durch die Beklagte genau drei Jahre nach der Eintragung gelöscht werden, was durch die Verhaltensregeln [der Wirtschaftsauskunfteien] verbindlich festgelegt worden sei.“
Zudem kann sich der Kläger nach Ansicht des KG Berlin nicht auf § 3 Insolvenzbekanntmachungsverordnung (InsoBekV) berufen. Diese Vorschrift regelt, dass die Informationen über die Restschuldbefreiung spätestens sechs Monate nach Rechtskraft der Entscheidung zu löschen sind. Der Kläger ist daher der Ansicht, dass auch Wirtschaftsauskunfteien die entsprechenden Informationen nach Ablauf dieser Frist löschen müssten.
Keine analoge Anwendung
Nach Ansicht entscheidenden Gerichts ist die Vorschrift nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar – auch nicht analog. Die Speicherfrist betreffe zunächst allein öffentliche Bekanntmachungen im Insolvenzverfahren. Bei der Veröffentlichung von Daten auf dem Portal für Insolvenzbekanntmachungen handele es sich um einen staatlichen Eingriff. Die Angaben sind ohne Zugangshürden für jedermann und ohne Nachweis eines anerkennenswerten Interesses einsehbar. Demgegenüber stelle die Beklagte die von ihr vorgehaltenen Informationen Dritten nur nach Darlegung eines berechtigten Interesses und gegen Entgelt zur Verfügung.
Weiter führt das Gericht aus:
„Auch wenn diese Auskunftserteilung für die Betroffenen weitreichende wirtschaftliche Folgen haben kann, fehlt es gleichwohl bereits an einer vergleichbaren Interessenlage. Den wesentlichen Unterschied sieht das Gericht darin, dass in einem Fall ein Abruf der Daten allein zur Befriedigung der Neugier möglich ist, während im anderen Fall ein anerkennenswertes Interesse in jedem Einzelfall dargelegt werden muss. Die unterschiedlichen Interessenlagen gebieten daher keine Gleichbehandlung, sondern legen nach Auffassung des Senats eher eine differenzierte Behandlung nahe.“
Auf den Einzelfall kommt es an
Das KG Berlin vertritt damit eine gänzlich andere Auffassung als das OLG Schleswig, welches erst im Juli letzten Jahres einen Anspruch auf Löschung nach Ablauf der 6-Monats-Frist bejaht hatte. Inhaltlich ist die Entscheidung des KG Berlin überzeugend, da sich gut vertreten lässt, zwischen Informationen, welche öffentlich abrufbar sind, und Informationen, welche nur bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses herausgegeben werden, zu unterscheiden. Dies gilt vor allem im Hinblick auf die unterschiedliche Eingriffsintensität der Datenverarbeitung.
Das KG Berlin hat sich der Auffassung des OLG Oldenburg (Urteil vom 23.11.2021, Az. 13 U 63/21) angeschlossen und dessen Entscheidung teilweise wörtlich übernommen. Dass hierzu aber auch ein gegenteiliges Urteil ergangen ist, zeigt einmal mehr, wie sensibel der Anspruch auf Datenlöschung zu behandeln ist. Apropos, die zugrundeliegende Frage ist in einem anderen Verfahren vor dem VG Wiesbaden schon zur Klärung dem EuGH vorgelegt wurden. Bis dahin kommt es – wie so oft im Datenschutz – auf den Einzelfall an. Unternehmen sind hier grundsätzlich gut beraten, beim Löschungsanspruch und anderen Betroffenenrechten eng mit ihrem Datenschutzbeauftragten zusammenzuarbeiten.
Unfassbar, dass die Schufa damit durchkommt :( Drei Jahre sind viel zu lang!! Und als ob die Schufa die Daten danach löschen würde, das ich nicht lache!
Ganz im Gegenteil, eine sehr gute Entscheidung… ich wurde schon oft genug geprellt von Leuten, die einfach ihre Rechungen nicht bezahlt haben. Es ist doch heutzutage so einfach, nach einem Insolvenzverfahren werden gleich wieder Schulden gemacht. Wir brauchen Schufa und Co.!
Sehe ich wie Pinky. Die Schufa hat schon ihren Nutzen und ist eine wichtige Institution. Ich bin dankbar, dass wir sie haben!
Darüber hinaus speichert die Schufa hier die Daten so, wie es vor DSGVO nach BDSG a. F. zulässig gewesen ist – insofern führt die Schufa hier nur eine bestehende Regelung weiter, die zudem, wie vom KG auch gesehen, im Code of Conduct geregelt und von der Aufsicht in NRW freigeben worden ist.
Die Frist ist erfahrungsgemäß sehr erforderlich und relevant im Bereich der Altschuldenproblematik, da bei der Restschuldbefreiung der finanzielle Leumund ansonsten sofort wiederhergestellt wäre. Zusammen mit der RSB-Fristverkürzung würden dann Pleitiers nach 3 oder 3,5 Jahren, wenn man die Ansicht OLG Schleswig heranzieht, gleichgestellt werden. Das ist zu den früheren 6+3-Jahren eine Reduzierung auf ein Drittel und kaum interessensgerecht. Konsequenz wäre, wenn Schulden so kollektiviert werden, das aus Risikogründen allgemeine Preisaufschläge heranzuziehen werden, da die Bonität nicht hinreichend individuell bewertet werden kann. Das ist bei grassierender Inflation sicherlich keine gute Idee und auch nicht verbrauchergerecht.
Ok, wer froh ist das es die Schufa gibt, hat wahrscheinlich die Kontrolle über sein Leben verloren. Ich hoffe die Schufa zahlt Ihnen wenigstens ordentlich für die Werbung hier!!!