Die Polizei hat sich in Sachen Datenschutz häufig nicht gerade vorbildlich gezeigt. Da wäre die Einbindung des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten beim Pilotprojekt für Schulterkameras bei Beamten der Davidwache ein gutes Zeichen für die Bedeutung des Datenschutzes gewesen.
Wir berichteten bereits über die weitreichende Sammlung von Funkzellendaten im Rahmen von Demonstrationen, das Verhalten bei Auskunftsersuchen oder die Überwachung der eigenen Mitarbeiter – letztlich war das Vorgehen der Polizei in diesen Fällen immer unzulässig. Trotzdem ist bei diesem Projekt eine Zusammenarbeit mit dem Datenschutzbeauftragten bislang nicht erfolgt …
Der Inhalt im Überblick
Die Body-Cam im Testlauf
Die Mini-Kameras, die auf der Schulter der Uniformweste angebracht werden, sind bereits seit Mai letzten Jahres in Hessen im Einsatz. Wie heise.de berichtete, sei durch die Kameras die erhoffte „deeskalierende und präventive“ Wirkung erzielt worden. Die Übergriffe auf Polizisten seien in den Orten, in denen die Kameras eingesetzt worden sind, bereits deutlich zurückgegangen.
Grund genug für die Hamburger Polizei, in Sachen Überwachung nachzuziehen und aufzurüsten. Insgesamt 4 Kameras sollen bei sechs Beamten eingesetzt und auf St. Pauli getestet werden. Dieser Bereich biete sich laut Angaben der Polizei gegenüber abendeblatt.de vor allem deshalb an, weil
„mit 1701 Gewaltdelikten im Jahr, Tendenz steigend, nirgends sonst in Hamburg so viel geprügelt und gepöbelt wird. Dazu ist dieser Bereich statistisch gut erfasst. So kann man Veränderungen durch den Einsatz der Kameras sehr gut erkennen.“
Anfangen soll die Pilotphase im Herbst diesen Jahres.
Die Schulterkameras und der Datenschutz
In Hessen gibt es klare Regeln zum Einsatz der Kameras, die mit dem Hessischen Datenschutzbeauftragten abgestimmt worden sind. Laut sueddeutsche.de seien dies
- Einschalten der Kamera nur in brenzligen Situationen
- Erkennbarkeit des Kameraeinsatzes
- Löschen von unwichtigem Datenmaterial
- Aufbewahrung bei Verstößen für maximal 6 Monate
- Keine Tonaufzeichnungen
Ähnliche Vorgaben sollen auch in Hamburg eingehalten werden. Eine Einbindung des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten ist in Hamburg bisher dennoch nicht erfolgt. Dies ist insbesondere deshalb verwunderlich, da die Hamburger Polizei bereits schlechte Erfahrungen im Bereich der Videoüberwachung machen musste. So wurden bereits 2011 sämtliche Videokameras im Bereich der Reeperbahn ausgeschaltet, da diese gegen datenschutzrechtliche Vorgaben verstießen und nicht nur die Reeperbahn sondern auch Hauseingänge und Wohnungen filmten.
Es erscheint daher fraglich, inwieweit die Kameras also tatsächlich ausschließlich in „Gefährdungssituationen“ genutzt werden, wann genau eine solche Situation vorliegt und wer kontrolliert, ob die Daten auch tatsächlich gelöscht werden.
Videoüberwachung als Allheilmittel
Auch wenn das Pilotprojekt in Hessen den Anschein erweckt, als ob die Videoüberwachung die Übergriffe auf Polizeibeamte reduziert, so darf nicht aus den Augen gelassen werden, dass sie nicht als Allheilmittel dienen kann. Dem Wildwuchs von Kameras wurde bereits zwischenzeitlich versucht, mit mehr Polizeipräsenz entgegen zu wirken. Das OVG Hamburg hatte bereits im Juni 2010 die Effektivität der Videoüberwachung bezweifelt.
Denn auch wenn es in einigen Landesgesetzen der Polizei Ermächtigungsgrundlagen für den Einsatz der Schulterkameras geben mag, so ist dieser dennoch als ultima ratio zu sehen. Denn die Eingriffe in das informationelle Selbstbestimmungsrecht sind enorm – nicht nur für die Betroffenen, auch für die Beamten. Immerhin ist durch die Kameras eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle möglich.
Ein Zeichen für die Bedeutung des Datenschutzes
Auch wenn das Vorhaben und der Einsatz der Body-Cams unter bestimmten Gesichtspunkten nachvollziehbar sein können und auch die angedachten Umsetzungen datenschutzrechtlichen Vorgaben entsprechen können, stellt sich die Frage, warum eine Einbeziehung des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten bisher nicht erfolgte. Dies wäre schon aus Gründen der Transparenz wünschenswert gewesen. Und um ein Zeichen zu setzen. Nämlich, dass man es diesmal von Anfang an richtig machen will und Datenschutz ernst genommen wird. Schade, dass dieser Eindruck wieder fehlt.
@ Dr. Datenschutz:
– Die Polizei kann im Zweifel tun und lassen, was sie will. Jede Behörde kann das. Nur wenn mal jemand mutig klagt, besteht die Möglichkeit (nur die Möglichkeit!), dass sich nach Jahren geld- und nervenaufreibendem Kampfes die Rechtswidrigkeit herausstellt. Es gibt leider keine spürbaren Konsequenzen für kriminelle Polizisten und andere Beamte.
– Diese Body Cams werden natürlich ausschließlich zum Nachteil des Bürgers eingesetzt. Zur Aufklärung oder gar Verhinderung von Polizeiverbrechen werden diese Kameras nicht eingesetzt. Da ist dann wahlweise die Batterie leer oder die Videos sind unerklärlicherweise verschollen.
– Body-Cams als Abschreckungsinstrument gegen Gewaltkriminalität ist nichts weiter als Schaufensterpolitik. Es gibt Gründe für Gewaltneigung in der Gesellschaft. Es gibt Gründe, warum Menschen unzufrieden sind und nur noch Gewalt als Mittel der Wahl ansehen. Diese sozialen Probleme lassen sich nicht mit Kameras lösen. Kameras hinterlassen eine Schneise aus Kollateralschäden ohne die Totgeprügelten wieder lebendig zu machen. Symptombekämpfung statt Ursachenbekämpfung – genau das hilft niemandem nachhaltig.
Hessen darf diese Kameras zur Eigensicherung auf Beamte schrauben, weil § 14 HSOG das (zumindest qua Auslegung) gestattet.
In NRW ist ein ähnliches Vorhaben unlängst gescheitert (http://www.derwesten.de/region/minister-lehnt-body-cams-fuer-polizisten-ab-aimp-id9431687.html). Vorgeschoben waren politische Bedenken. In Wirklichkeit gestattet § 15b Satz 1 PolG NRW ausdrücklich nur die Montage an Fahrzeugen, nicht an Schutzwesten.
In Hamburg finde ich keinerlei gesetzliche Ermächtigung für dieses Projekt. Daher: Aufsichtsrechtliches Verfahren jetzt!