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EDSA zur Videoüberwachung: Rechtsgrundlagen und Haushaltsausnahme

EDSA zur Videoüberwachung: Rechtsgrundlagen und Haushaltsausnahme

Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) hat am 10.07.2019 Leitlinien zum datenschutzkonformen Einsatz von Videoüberwachung beschlossen und am letzten Freitag veröffentlicht. Im ersten Teil dieses Beitrags gehen wir auf die Aussagen zu den Auswirkungen der Videoüberwachung, zur Haushaltsausnahme und den möglichen Rechtsgrundlagen ein.

Auswirkungen der Videoüberwachung

Der Europäische Datenschutzausschuss führt anfangs in seinen Guidelines aus, dass der verstärkte Einsatz von Videoüberwachung in der Gesellschaft die Möglichkeiten der anonymen Bewegung und der anonymen Nutzung von Diensten einschränken könne, sowie auch generell die Möglichkeit, anonym zu bleiben. Die Auswirkungen auf den Datenschutz seien enorm.

Darüber hinaus würden jetzt viele Anwendungen entwickelt, um die aufgenommenen, bereits vorhandenen Videodateien auszuwerten und auch um traditionelle Kameras in intelligente Kameras zu verwandeln. Durch diese Tools werde das Risiko einer Zweitverwendung (unabhängig davon, ob sie mit dem ursprünglich festgelegten Zweck zusammenhängt oder nicht) und sogar das Risiko des Missbrauchs erhöht. Daher sollen die allgemeinen Grundsätze der DSGVO (Artikel 5) bei der Videoüberwachung stets sorgfältig geprüft werden.

Videoüberwachung ist nicht immer das mildeste Mittel

Neben den Datenschutzfragen gäbe es auch Risiken im Zusammenhang mit möglichen Fehlfunktionen der Geräte und Anwendungen. Forscher würden berichten, dass Software, die zur Gesichtserkennung oder -analyse verwendet wird, je nach Alter, Geschlecht und ethnischer Zugehörigkeit der Person, die sie identifiziert, unterschiedlich funktioniert. Algorithmen würden auf der Grundlage unterschiedlicher demographischer Daten Aussagen treffen, so dass die Verzerrung der Gesichtserkennung die Vorurteile der Gesellschaft zu verstärken drohe.

Letztlich weist der EDSA auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hin, indem er klarstellt: Videoüberwachung sei nicht standardmäßig eine Notwendigkeit, wenn es andere Mittel gäbe, um den zugrundeliegenden Zweck zu erreichen. Andernfalls würden wir einen Wandel der kulturellen Normen riskieren, der dazu führe, dass ein Mangel an Privatsphäre als allgemeiner akzeptiert würde.

Das potenzielle Risiko eines Missbrauchs dieser Daten wachse in Abhängigkeit von der Dimension des überwachten Raumes sowie der Anzahl der Personen, die von der Videoüberwachung aufgrund der Frequentierung des Ortes erfasst werden. Dies spiegele sich auch in Art. 35 Abs. 3 lit. c) DSGVO wider, der die Durchführung einer Datenschutz-Folgenabschätzung im Falle systematischer umfangreicher Überwachung öffentlich zugänglicher Bereiche vorsehe.

Sachlicher Anwendungsbereich der DSGVO

Die DSGVO gelte jedoch nicht für die Verarbeitung von Daten, die keinen Personenbezug haben. Als Beispiele nennt der EDSA unter anderem die Verwendung von Kamera-Attrappen.

„Example: The GDPR is not applicable for fake cameras (i.e. any camera that is not functioning as a camera and thereby is not processing any personal data). However, in some Member States it might be subject to other legislation.“

Daher kann in Deutschland eine Informationspflicht natürlich auch weiterhin z.B. wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) aufgrund des Überwachungsdrucks bestehen.

Wann fällt ein Video unter die Haushaltsausnahme?

Hier verweist der Ausschuss auf die enge Auslegung im Urteil des Gerichtshofes vom 6. November 2003 Rechtssache C-101/01 Strafverfahren gegen Bodil Lindqvist Rn. 47 und zeigt somit, dass dieses Urteil auch für die Auslegung der DSGVO noch vertretbar herangezogen werden kann.

„Diese Ausnahme ist somit dahin auszulegen, dass mit ihr nur Tätigkeiten gemeint sind, die zum Privat- oder Familienleben von Einzelpersonen gehören, was offensichtlich nicht der Fall ist bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, die in deren Veröffentlichung im Internet besteht, so dass diese Daten einer unbegrenzten Zahl von Personen zugänglich gemacht werden.“

Darüber hinaus falle auch eine Videoüberwachung, welche die ständige Aufzeichnung und Speicherung personenbezogener Daten beinhalte und wenn auch nur teilweise einen öffentlichen Raum abdecke nicht unter die Haushaltsausnahme, da diese nicht das private Umfeld der Person, die die Daten auf diese Weise verarbeitet betreffe, sondern (zumindest auch) nach außen gerichtet sei (siehe Vorabentscheidung in der Rechtssache C‑212/13 František Ryneš gegen Úřad pro ochranu osobních údajů).

Letztlich bleibe es eine Einzelfallentscheidung, ob eine Videoüberwachung, die in den Räumen einer Privatperson betrieben werden, unter die Haushaltsausnahme falle.

Erfüllung der Dokumentationspflichten

Vor der Verwendung sind die Zwecke der Verarbeitung genau festzulegen (Art. 5 Abs. 1 lit. b)). Die Videoüberwachung könne vielen Zwecken dienen, z.B. dem Schutz von Eigentum und anderen Vermögenswerten, der Beweissicherung für Zivilansprüche. Diese Überwachungszwecke sollten schriftlich dokumentiert werden (Art. 5 Abs. 2) und sind für jede verwendete Überwachungskamera anzugeben. Kameras, die von einer einzigen Steuerung für den gleichen Zweck verwendet werden, können jedoch gemeinsam dokumentiert werden, sofern jede verwendete Kamera einen dokumentierten Zweck hat.

Rechtsgrundlagen für die Videoüberwachung

Nach dem EDSA kann jede rechtliche Grundlage des Art. 6 Abs. 1 DSGVO herangezogen werden. Danach geht der Ausschuss in den Guidelines auf die in der Praxis am häufigsten herangezogenen Rechtsgrundlagen ein:

  • Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO
  • Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO

auch zur möglichen Ausgestaltung über die Einholung einer Einwilligung (Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO) wird Stellung genommen.

Auf die deutsche Problematik der Anwendbarkeit des § 4 BDSG geht der EDSA erwartungsgemäß nicht ein, da die Guidelines eine Orientierungshilfe für alle Anwender der DSGVO bieten soll.

Videoüberwachung als berechtigtes Interesse – Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO

Bei Begründung des berechtigten Interesses seien stets die Kriterien des Erwägungsgrundes 47 heranzuziehen. Danach wird auch dargestellt wie die erforderliche Interessenabwägung zu erfolgen hat.

Das berechtigte Interesse müsse real existieren und aktuell sein (d.h. es dürfe nicht fiktiv oder spekulativ sein). Im Hinblick auf den Grundsatz der Rechenschaftspflicht rät man den Verantwortlichen, relevante Vorfälle (Datum, Art und Weise, finanzieller Verlust) und damit verbundene Strafanzeigen zu dokumentieren. Denn diese dokumentierten Vorfälle könnten ein Beweis für das Bestehen eines berechtigten Interesses sein. Dabei können auch Vorfälle aus der Nachbarschaft herangezogen werden, soweit sich Vergleichbares auch für den Verantwortlichen realistischer Weise vermuten lässt.

An dieser Stelle stellt der EDSA noch einmal auf die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (z.B. bei der Wahl der Mittel) und den Datenminimierungsgrundsatz (Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO ab. Auch wenn mehrere Alternativvorschläge gemacht werden, die ein milderes Mittel gegenüber der Videoüberwachung darstellen, geht der EDSA ebenfalls davon aus, dass der Betrieb einer Videoüberwachungsanlage nachts und außerhalb der regulären Arbeitszeit, in der Regel den Bedürfnissen des Verantwortlichen entspricht, um Gefahren für sein Eigentum zu vermeiden.

Innerhalb der Interessenabwägung sind auf Seiten des Betroffenen vor allem die Intensität des Eingriffs und die berechtigten Erwartungen der Betroffenen zu berücksichtigen. Zeichen, die auf die Videoüberwachung hinweisen und die Betroffenen informieren, hätten jedoch keine Auswirkungen für die Feststellung (innerhalb der Abwägung), was eine betroffene Person objektiv erwarten kann.

Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO

Bei der Videoüberwachung zur Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse oder in der Ausübung öffentlicher Gewalt (Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO) verweist der EDSA auf die Möglichkeit der Mitgliedsstaaten spezifische nationale Rechtsvorschriften für die Videoüberwachung beizubehalten oder einzuführen.

Videoüberwachung aufgrund einer Einwilligung?

Was die systematische Überwachung betrifft, so könne die Einwilligung der betroffenen Person nur in Ausnahmefällen als Rechtsgrundlage dienen. Da es in der Natur der Überwachung liege, dass diese Technologie eine unbekannte Anzahl von Menschen auf einmal überwacht. Der Nachweis einer Einwilligung der betroffenen Personen wird dem Verantwortlichen kaum gelingen. Auch bei einem möglichen Widerruf der Einwilligung wird es für den Verantwortlichen schwierig sein nachzuweisen, dass personenbezogene Daten des Betroffenen nicht mehr verarbeitet werden.

Das Betreten eines bestimmten Überwachungsbereiches stelle keine Einwilligung dar und bei Arbeitnehmern mangele es regelmäßig an einer Freiwilligkeit der abgegebenen Einwilligung.

Fortsetzung folgt…

Auch nach den Guidelines wird eine Videoüberwachung in der Praxis vermehrt auf das berechtigte Interesse (Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO) gestützt werden. Hier zeigt der EDSA auf, wie wichtig es ist diese Videoüberwachung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu prüfen und auszugestalten, sowie auf die Einhaltung der Grundsätze der DSGVO zu achten. Eine Dokumentation des berechtigten Interesses ist hier essentiell. Ihr Datenschutzbeauftragter wird Sie dabei sicherlich gerne unterstützen.

Die Zusammenfassung der Guidelines geht aufgrund der Tiefe der Ausführungen des EDSA in Teil 2 weiter.

Der Europäische Datenschutzausschuss begrüßt Kommentare zu den Guidelines 3/2019 über die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Videoüberwachungsanlagen. Diese Kommentare können bis spätestens 09.09.2019 per Mail an den EDSA geschickt werden.

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