Zum Inhalt springen Zur Navigation springen
Instagram Kids – Eine kinderleichte Einstiegsdroge

Instagram Kids – Eine kinderleichte Einstiegsdroge

Wer von Social Media noch nicht genug hat, kann vielleicht bald auch noch seinen Nachwuchs damit anstecken: Facebook arbeitet derzeit an einer Instagram-Version für Kinder. Der US-Konzern verweist auf den Kinderschutz, ich sage, das ist Quatsch. Mit Datenschutz hat Instagram Kids nicht viel zu tun – vielmehr mit Indoktrination. Ein Kommentar.

Facebook nimmt Kinder ins Visier

Der Social Media-Gigant Facebook plant eine Art Instagram light für Kinder unter 13 Jahren – Instagram Kids. Kindgerecht will Facebook neue Märkte erschließen, bereits Grundschulkinder sollen auf Linie gebracht werden. Dagegen wenden sich nun 44 US-amerikanische Generalstaatsanwälte per offenem Brief.

Sie geben folgendes zu bedenken:

  • Soziale Medien seien schädlich für das körperliche, emotionale und geistige Wohlbefinden von Kindern.
  • Cybermobbing auf Instagram nehme zu.
  • Auf der Plattform könnten sich Menschen mit böser Absicht tummeln.
  • Facebook sei nicht gerade für Kinderschutz bekannt.
  • Kinder kämen mit Social Media noch gar nicht zurecht.

Instagram Kids ist damit alles andere als ein Kindergeburtstag. Leider wird die Kritik erfahrungsgemäß im Sande verlaufen. Facebook macht sowieso, was es will und sich die Welt, wie sie dem sozialen Netzwerk gefällt. Sorry, Pippi Langstrumpf, aber der Spruch musste sein.

Mist gebaut und nichts daraus gelernt

App-Versionen für Kinder gibt es schon länger. YouTube Kids, Spotify Kids und (zumindest in den USA) Facebook Messenger Kids. Die letztgenannte App gibt es seit 2017 und ermöglicht den Eltern eine stärkere Kontrolle. So bestimmen die Eltern, mit wem die Kinder in Kontakt treten. Das hat allerdings nicht immer funktioniert: Aufgrund eines technischen Fehlers konnten Kinder zeitweise mit Fremden chatten.

Kinderschutzorganisationen und Gesundheitsexperten wandten sich mit einem Schreiben an Mark Zuckerberg gegen Messenger Kids. Gebracht hat es nichts. Die App funktioniert werbefrei, Facebook versichert, man wolle die Daten nicht für Werbezwecke nutzen. Na dann.

Sicherheit für Kinder steht bei Facebook nicht an erster Stelle. Klar doch, Spaß ist viel wichtiger:

“Kids told us that the primary reason they want to use social media and messaging platforms is to have fun, which means that an environment that emphasizes safety at the expense of joy and laughter will fail the customer satisfaction test — and potentially leave kids vulnerable to less controlled and more risky social environments.”

(Vorgeschobener) Kinderschutz vs. drohende Gefahren

Lässt sich der Schutz von Kindern, auch in datenschutzrechtlicher Hinsicht, nur noch über speziell für Kinder gestaltete Apps verwirklichen? Wenn es nach Facebook geht, dann ja. Facebook würde uns allen aber auch das Blaue vom Himmel lügen, um neue Kunden zu gewinnen und datenschutzbewusste Eltern hinters Licht zu führen. Dieser Artikel ist somit als Warnung gedacht: Werfen Sie ein Auge auf das, was Ihre Kinder online treiben. Glauben Sie keinen Wölfen im Schafspelz. Beweisen Sie Facebook, dass Sie nicht blauäugig in die Falle tappen.

Facebook hat ein Herz für Kinder

Zumindest tut Facebook so, als ob, tauscht sich mit Kinderschutzorganisationen aus und publiziert dies natürlich schön nach außen. Wie Facebook Messenger Kids, unzählige Fälle von digitaler Gewalt auf Facebook bzw. Instagram und die ewige (Kinder-)Datensammelei zeigen: Große Klappe, nichts dahinter.

Derweilen drückt Facebook auf die Tränendrüse. Man wolle doch nur Kindern dabei helfen, sich mit weit entfernten Familienmitgliedern auszutauschen, z.B. bei Elternteilen im Militäreinsatz. Den jungen Eltern von heute dürfte schon gar nicht mehr auffallen, dass es für sowas auch ein Telefon gibt. Wozu eine gesonderte App, wenn die Kinder zur Kontaktaufnahme das Profil der Eltern benutzen könnten? Ganz ehrlich, Facebook zählt auf unser aller Dummheit – und wir liefern.

Ach ja, dubios auch, dass Facebook eine Million Dollar in einen Fonds zur Erforschung der langfristigen Auswirkungen von Technologie auf Kinder steckt. Jetzt wissen wir ja, woher die Forschungsdaten stammen.

Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr

Facebook ist nicht dumm: Einmal auf Social Media gepolte Kinder bleiben einem das ganze Leben lang treu. Von Instagram Kids über Instagram bis – wer weiß – Instagram Granny Edition. McDonalds kennt das Prinzip, das Happy Meal lässt grüßen. Marketing auf lange Sicht, sozusagen. Den Spaß, den Kinder damit verbinden, vergessen sie nie. Schwupp, schon sind sie konditioniert.

Auch wenn Facebook sich an dieser Stelle herauszureden versucht, indem es Kinderschutzgründe anführt, wird wohl kaum ein Kind aus der „erwachseneren“ Version von Instagram zu Instagram Kids wechseln. Der Fokus liegt eindeutig auf Social Media-Neulingen, deren Eltern bisher strikter waren, bei einer kindgerechten App aber unvorsichtig werden.

Aber sicher habt ihr nichts zu befürchten

Die App für Kinder verspricht Sicherheit. Hier sehe ich das Risiko, dass sich Eltern darauf verlassen. Wenn die Erziehungsberechtigten denken, ihre Kinder seien sicher, lässt die Kontrolle nach. Anfangs mögen sie noch dahinter sein, mit der Zeit werden sie aber nachlässig. Kinder sind schlau – die finden Wege, sich mit anderen auszutauschen, ohne dass Mama und Papa was davon mitkriegen. Da werden schnell mal Inhalte geteilt, die man später bereuen könnte.

Solange Instagram Kids nicht auf dem Markt ist, kann über die Sicherheit natürlich nur spekuliert werden. Auf sozialen Netzwerken tummeln sich Menschen, die nichts Gutes im Sinn haben. Ein gruseliger Gedanke, dass sich diese in Instagram Kids einloggen und Kinder belästigen. Die von Instagram angekündigten Schritte, den regulären Dienst vor Missbrauch zu schützen, klingen gut. Doch mit einem Erschweren der Kontaktaufnahme ist es nicht getan, vor allem dann nicht, wenn man eine App kreiert, auf der sich Millionen potentieller Opfer für Kriminelle befinden – ohne das Wissen der Eltern, die die App für sicher halten.

Interessanter Fakt am Rande: Instagram-Chef Adam Mosseri verdeckt die Gesichter seiner Kinder auf Instagram mit Emojis. Darauf reagierte ein Follower so:

“Interesting you blurred your kids faces while millions of moms/dads are posting their kids faces on your platform. What do you know that they don’t about how these images are used?”

Wie Kinder unter sozialen Medien leiden

Austausch von Kindern untereinander ist gesund? Ja, wenn das im Real Life passiert, aber nicht in sozialen Netzwerken. Zu dieser Erkenntnis kommen diverse Untersuchungen. Psychische Probleme, Essstörungen, Suizidalität, Depressionen – all das droht Kindern auf Social Media. Kein Wunder, wird dort doch der perfekte Körper und das perfekte Leben präsentiert. Jugendliche, die täglich eine Stunde in Social Media-Chats verbringen, berichten von einer geringeren Zufriedenheit mit fast jedem Aspekt ihres (erst kurzen) Lebens. Die Hälfte aller befragten Heranwachsenden gibt an, süchtig nach ihren Handys zu sein. Was mit Kindern passiert, die den ganzen Tag auf Bildschirme starren, weiß kein Mensch.

Zumindest werden sie nicht glücklicher: Laut einer Studie der University of California und der Yale-Universität sinkt das geistige Wohlbefinden von Facebook-Nutzern um fünf bis acht Prozent bei einem Anstieg der Interaktion auf Facebook um ein Prozent. Jeder Like schmerzt. Vielleicht ist das von Seiten Facebooks aber sogar gewünscht – immerhin hat Facebook Werbeunternehmen dank einer heimlich in Australien durchgeführten Untersuchung bereits gezeigt, wie diese erkennen können, wann sich Teenager unsicher, wertlos, gestresst und nutzlos fühlen. Dass sich nun ausgerechnet Facebook als Kinderschützer aufspielt, ist blanker Hohn.

Dazu kommt, dass Kinder den Stellenwert von Privatsphäre noch gar nicht kennen. Sie teilen fleißig Bildchen, drehen Videos, geben alles von sich preis. Die Konsequenzen holen sie spätestens im Erwachsenenalter ein. Von informationeller Selbstbestimmung kann bei Kindern nicht die Rede sein – wer nicht weiß, was personenbezogene Daten sind, welche Folgen eine Offenlegung hat und was damit geschieht, der geht in dieser Anti-Datenschutz-Welt unter, wenn wir ihn nicht an die Hand nehmen. Es ist unverantwortlich, Grundschulkindern den Schutz ihrer Daten zu überlassen.

Um Emotionen richtig deuten zu können und Sozialkompetenz zu entwickeln, braucht es Kontakt von Angesicht zu Angesicht. Ich kann mir die Horden schüchterner Kids schon vorstellen, die sich nicht trauen mit jemandem zu reden, online aber die Sau rauslassen. Eine neue Generation von Social Media Trollen?

Mobbing goes digital

Von Mobbing bedrohte Schülerinnen und Schüler fürchteten sich seit jeher auf dem Schulweg, im Klassenzimmer, im Sportunterricht. Ihr Zuhause bildete häufig das letzte sichere Refugium. Soziale Netzwerke und Messenger zerstören dieses Stück für Stück. Nicht einmal in den eigenen vier Wänden sind Kinder geschützt – digitaler Gewalt und Cybermobbing „sei Dank“.

Eine Umfrage der Anti-Mobbing-Non-Profit-Organisation Ditch the Label ergab 2017, dass 42 % der Nutzerinnen und Nutzer zwischen 12 und 20 Jahren Cybermobbing auf Instagram ausgesetzt waren. Nun mag sich der ein oder andere denken, dass dies doch nicht schlimmer sei als das Mobbing früher. Aber das ist es:

  • Das Opfer hat keinen Rückzugsort mehr.
  • Das Mobbing erfolgt zum Teil verborgen vor aller Augen in privaten Chatnachrichten, sodass niemand eingreifen kann.
  • Digitale Gewalt kann aber auch öffentlich erfolgen, dabei werden andere ebenfalls zum Mobbing motiviert. Der Kreis der Mobber kann dabei größer sein als der von damals auf dem Schulhof.
  • Die Angriffe haben auch die digitale Persönlichkeit zum Ziel. Das trifft besonders hart, da sich die Opfer in sozialen Netzwerken von ihrer besten, aber auch zerbrechlichsten Seite zeigen.

Sei es das Aussehen, die Hautfarbe, das Gewicht, die Kleidung: Fotos auf Instagram bieten die Angriffsfläche, Kommentarspalten oder Messenger das Schlachtfeld.

Es ist zu spät

Instagram/Facebook und TikTok sind das A und O der modernen Kommunikation. Punkt. Social Media ist nicht mehr wegzudenken, die Datensammler haben längst freie Fahrt. Für eine wirkliche Regulierung dürfte es zu spät sein: Die Systeme sind etabliert, allseits bekannt und beliebt. Natürlich wollen auch Kinder daran teilhaben.

63 % der von Facebook und der US-amerikanischen National Parent Teacher Association befragten Eltern gaben an, dass soziale Medien den Kindern digitale Fähigkeiten vermitteln würden, die in der heutigen Gesellschaft unabdingbar seien. Die Welt von heute und morgen tauscht sich eben anders aus als früher. Das ist traurig, kann bei richtiger Handhabung jedoch auch Vorteile bieten. Mit zunehmender Akzeptanz des Social Media-Datensumpfes überwiegen meiner Ansicht nach aber die Nachteile – ohne Druck von außen werden die Daten-Riesen nun mal keine Kehrtwende einlegen. Wir Erwachsenen scheinen allerdings nicht in der Lage zu sein, die Zügel an die Hand zu nehmen. Leider sind es unsere Social Media-indoktrinierten Kinder auch nicht.


Dieser Beitrag ist ein Kommentar und spiegelt daher die persönliche Meinung der Autorin / des Autors wider. Diese muss nicht mit der Meinung des Herausgebers oder seiner Mitarbeitenden übereinstimmen.

Informieren Sie sich über unsere praxisnahen Webinare
  • »Microsoft 365 sicher gestalten«
  • »Informationspflichten nach DSGVO«
  • »Auftragsverarbeitung in der Praxis«
  • »DSGVO-konformes Löschen«
  • »IT-Notfall Ransomware«
  • »Bewerber- und Beschäftigtendatenschutz«
Webinare entdecken
Mit dem Code „Webinar2024B“ erhalten Sie 10% Rabatt, gültig bis zum 30.06.2024.
Beitrag kommentieren
Fehler entdeckt oder Themenvorschlag? Kontaktieren Sie uns anonym hier.
  • Wie soll ich denn Kinder davon überzeugen, dass es auch eine Welt außerhalb von Social Media (abgekürzt „SM“ – irgendwie passend :-) ) gibt, wenn die Eltern selbst den ganzen Tag am Handy hängen und jeden Sch…. posten müssen.
    Je mehr (Internet-)Technik in unser Leben einzieht und unser Leben bestimmt, desto mehr müssten unsere Kinder bereits in der Schule schon darauf vorbereitet werden. Datenschutz, (Social-)Medien Kompetenz, IT Technik (was kann moderne IT?) gehören meines Erachtens als fester Bestandteil in den Schulplan, spätestens ab der 4. Klasse. Leider fehlt es hier mal wieder an Umsetzungswillen und Fachkompetenz. Was wir dafür an den entscheidenden Stellen genug haben ist Verwaltungswirrwarr und Ahnungslosigkeit. Solange den Kindern nicht bewusst ist was sie tun, nützen auch Gesetze nichts. Ganz im Gegenteil, sie werden immer schärfer und schränken damit unsere persönlichen Recht immer mehr ein und machen uns zum gläsernen Bürger.

    • Sie haben recht. Wenn man den Gedanken etwas weiter spinnt, dann wird es Generation für Generation schlimmer: Achten schon die Eltern nicht auf Datenschutz, tun es auch nicht ihre Kinder und nicht deren Kindeskinder und so weiter. Jetzt stellt sich nur die Frage, wie (und ob überhaupt noch) eingelenkt werden kann.

      So ein Schulfach finde ich richtig und wichtig. Schon eine Stunde in der Woche für ein Schuljahr (meinetwegen 5. Klasse), würde reichen. Viele Grundschulkinder hantieren mit Smartphones herum. Ich erinnere mich an meine Grundschulzeit, als der olle Computer in der Ecke nur zum Spielen von Solitär und zum Malen mit Paint gedacht war. Wir haben uns seitdem weiter entwickelt, viele Schulen scheinen aber noch immer davon auszugehen, Datenschutz, Medien, IT sei Privatsache. Man kann das auch spannend ausgestalten: Lasst die Schüler spielerisch Websites zu ihren Hobbies erstellen, gestaltet eine Art Planspiel Social Media mit einem fiktiven Netzwerk, in dem der gewinnt, der möglichst datenschutzbewusst auftritt, zeigt datenschutzrechtliche Problem mit Memes und Gifs auf. So was bleibt im Kopf, kein IT-Unterricht aus den 90ern.

      Leider fehlt es wie Sie sagen an Umsetzungswillen und Fachkompetenz. Vielen Lehrkräften fehlt es an Knowhow, Elan oder an Durchsetzungskraft (gegenüber der Schulleitung, aber auch manchmal gegenüber den Schülern). Manchmal will man aber auch einfach gar nichts ändern, denn „das haben wir ja immer schon so gemacht“.

      Der Mensch lernt am einfachsten, indem er selbst etwas ausprobiert. Auf Social Media übertragen heißt das, man muss Heranwachsende ihre eigenen Erfahrungen machen lassen. ABER, und das ist das Wichtigste, Kinder gehören schrittweise herangeführt, nicht einfach in den Sumpf hineingeworfen und dann alleingelassen.

      • Solche Aktionen finde ich genial:
        msn.com/de-at/nachrichten/other/facebook-verweigert-signal-werbung-die-datensammlung-zeigt/ar-BB1gnRBl
        Warum und ob wirklich ehrenwerte Gründe dahinter stehen sei mal dahin gestellt. Aber es ist mMn ein „Augenöffner“

  • Ein sehr schöner Beitrag, vielen Dank!

  • Ein sehr guter Artikel, den ich gerne teile. Social Media ist nichts für Kinder. Medienkompetenz kommt vor Social Media. Eltern sollten hier ganz dringend Vorbild sein und sich aktiv mit diesem Thema auseinandersetzen, ohne Wenn und Aber. Medienkompetenz bedeutet nicht, auf schwachsinnigen Portalen, geistigen Müll zu konsumieren, ganz im Gegenteil.

Die von Ihnen verfassten Kommentare erscheinen nicht sofort, sondern erst nach Prüfung und Freigabe durch unseren Administrator. Bitte beachten Sie auch unsere Nutzungsbedingungen und unsere Datenschutzerklärung.