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Lumendatabase: Google-Urteil zwischen Transparenz und Datenschutz

Lumendatabase: Google-Urteil zwischen Transparenz und Datenschutz

Im Rahmen der Berichterstattung zu einer aktuellen Entscheidung des OLG München bin ich auf das Projekt lumendatabase.org aufmerksam geworden. Das Projekt setzt sich für Transparenz im Internet ein und dokumentiert gelöschte Inhalte. Ich zweifele nicht daran, dass die Macher hehre Ziele verfolgen und sich dem Schutz der Meinungsfreiheit verpflichtet fühlen. Gleichwohl zeigt auch wieder dieses Projekt, dass die Kollision von Persönlichkeitsrechten Einzelner und dem Recht auf Meinungsfreiheit im Internet nur sehr schwer aufzulösen ist.

Google`s Ringen um Transparenz

Zunächst zur Entscheidung des OLG München (Beschluss v. 7.6.2017, Az. 18 W 826/17): Die Ausgangslage war erstmal nicht weiter „aufregend“. Es ging um eine Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts. Offenbar existierten Äußerungen im Internet in denen behauptet wurde, dass gegen das Unternehmen Ermittlungen wegen eines Betrugsverdachts laufen. Tatsächlich handelte es sich aber um Ermittlungen wegen eines Verdachts auf Kapitalanlagebetrug. Das OLG München gelangte zur Auffassung, dass sich ein Betrugsverdacht erheblich von einem Kapitalanlagebetrugsverdacht unterscheidet und ordnete diese Äußerungen als unwahre Tatsachenbehauptungen ein. Google wurde verpflichtet entsprechende Suchergebnisse aus dem Index zu löschen.

Google kam auch dieser Aufforderung nach, aber wies gleichzeitig darauf hin, dass Suchergebnisse nicht berücksichtigt werden konnten und verlinkte auf die Webseite lumendatabase.org. Dort wurde offenbar die Löschung dokumentiert und ein Link zu einer weiteren Webseite bereitgehalten auf der dann die rechtsverletzenden Inhalte einsehbar waren.

Worum geht es bei lumendatabase.org?

Das Projekt wird von der Berkman Klein Center for Internet & Society at Harvard University betrieben und hat zudem eine Reihe von Unterstützer, die sich aus dem Who’s Who der amerikanischen Eliteuniversitäten rekrutieren. Nach eigenem Bekunden soll das Projekt die Löschung von Inhalten aus dem Internet dokumentieren. Dabei soll auch vermerkt werden, wer die Löschung veranlasst hat bzw. warum.

Ziel dieser Dokumentation ist die Schaffung von Transparenz. Und im Grundsatz ist es sicherlich ein lobenswertes Ziel, die Löschung von Inhalten aus dem Internet zu dokumentieren. Gerade dann, wenn man an totalitäre Regimes denkt, die mit allen Möglichkeiten bestimmte Berichte verhindern wollen. Was die Betreiber aber möglicherweise übersehen oder bewusst in Kauf nehmen: Es gibt wohl kaum Rechtsordnungen, die gewisse Äußerungen nicht als rechtswidrig einordnen und eine Wiederholung untersagen. Wenn nun aber im Zusammenhang mit der Dokumentation der Löschung gleich der zu gelöschte Inhalt dokumentiert bzw. auf Webseiten verlinkt wird, auf denen die rechtswidrigen Äußerungen wiederzufinden sind, dann muss ich unwillkürlich an einen Schildbürgerstreich denken. Die Aussage: „Es darf nicht gesagt werden, dass …“ ist naturgemäß ebenfalls eine Wiederholung genau der Äußerung, die verboten wurde.

Die Entscheidung des OLG München

Aber zurück zur Entscheidung des OLG München. Dort ging es vor allem um die Frage, ob es Google auch untersagt werden kann, im Zusammenhang mit den gelöschten Suchergebnissen auf lumendatabase.org zu verlinken. Im Unterschied zu den „klassischen“ Suchergebnissen handelte sich nämlich nicht um eine direkte Verlinkung auf den gegenständlichen Inhalt selbst, sondern der Nutzer musste seinerseits noch weitersuchen. Im Ergebnis jedoch – und dies ist aus meiner Sicht nach den jüngsten Entscheidungen des BGH wenig überraschend – gelangte das OLG München zur Auffassung, dass Google auch diese Verlinkung zu unterlassen habe.

Meinungsfreiheit vs. Persönlichkeitsrechte und Datenschutz

Das Problem der Kollision von Persönlichkeitsrechten Einzelner und dem Datenschutz auf der einen Seite und der Meinungs- und Informationsfreiheit auf der anderen Seite ist keineswegs ein Phänomen aus dem Internetzeitalter und bestand seit jeher, da sich die beiden Rechten in bestimmten Konstellationen als Antagonisten gegenüber stehen. Das Medium Internet hat dieses Spannungsfeld aber deutlich verschärft. Nicht nur ist es mittlerweile praktisch fast jedermann und jederzeit möglich, Äußerungen selbst – und unter dem Schutzmäntelchen der Anonymität – zu veröffentlichen. Das Internet hat zudem die Reichweite und Dauer solcher Rechtsverletzungen deutlich verschärft, da diese Inhalte umgekehrt von jedermann und jederzeit gelesen und beliebig weiterverbreitet werden können. Zusätzlich ist es so, dass durch die weltweite Abrufbarkeit auch noch verschiedene Rechtsordnungen, die Äußerungen in unterschiedlichem Maße erlauben, kollidieren. So mag eine Äußerung nach US-amerikanischen Recht zulässig, nach deutschem Recht aber verboten sein.

Der vorliegende Fall illustriert dieses Spannungsfeld nachdrücklich. Auf der einen Seite ein sicherlich gut gemeintes Projekt amerikanischer Universitäten, die Transparenz schaffen wollen. Auf der anderen Seite eine – nach deutschem Recht – bestehende Rechtsverletzung und entsprechende Ansprüche des betroffenen Unternehmens.

Vorrang für Gerichtsentscheidungen

Was kann also getan werden um dem Spannungsfeld gerecht zu werden? Es kann wohl kaum bestritten werden, dass sowohl die Rechte Einzelner, aber auch das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit einen hohen Stellungwert haben und die Entscheidung, welches Recht in der Abwägung konkret vorgeht, nur am Einzelfall beurteilt werden kann. Eines scheint mir jedoch sicher: Da es sich um elementare Grundrechte handelt und die Abwägung auch für spezialisierte Juristen schwer zu treffen ist, müssen es Gerichte sein, die über die Rechtmäßigkeit von Äußerungen entscheiden.

Dem Problem der Internationalität und abweichenden Rechtsordnungen kann wohl nur durch entsprechende internationale Übereinkünfte begegnet werden. Eine denkbare Möglichkeit wäre die, dass staatsvertraglich vereinbart wird, Entscheidungen ausländischer Gerichte als verbindlich anzuerkennen und Rechtshilfeverlangen schnell und unbürokratisch nachzukommen.

Möglicherweise kann auch die Berner Übereinkunft als Vorbild dienen. Mit der Berner Übereinkunft wurde für das Urheberrecht ein Staatsvertrag geschlossen, der rechtliche Mindeststandards in den Vertragsstaaten etablierte und so sukzessive die Rechtsicherheit für Urheber deutlich erhöhte. Diese Vereinheitlichung des internationalen Rechtsrahmens würde zwar ggfls. zu dem ein oder anderen Zugeständnis des eigenen Verständnisses zum Verhältnis Meinungsfreiheit vs. Persönlichkeitsrecht/Datenschutz führen müssen. Die Vorteile für alle Beteiligten würden jedoch m.E. überwiegen, da sich alle Beteiligten – unabhängig vom Herkunftsland – an einem vergleichbaren Rechtsrahmen orientieren könnten und entsprechende Verfahren deutlich beschleunigt werden würden.

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  • Kritisch an dieser Entscheidung ist zumindest zu beurteilen, dass die bayerischen Gerichte die strittige Äußerung sehr meinungsfreiheitsunfreundlich ausgelegt haben. Es ist schon höchst spitzfindig, den Begriff „Betrugsverdacht“ so auszulegen, dass er nur ein Betrugsdelikt nach § 263 StGB erfassen darf und nicht ein solches nach § 264a StGB.

    Eine internationale Vereinbarung, die allein darauf abstellt, dass eine Äußerung in einem Nationalstaat verboten ist und dies dort gerichtlich festgestellt wurde, damit eine Löschung des Suchergebnisses oder gar der Webseite zu veranlassen ist, würde die internationale Gemeinschaft zu Mittätern bei der Einschränkung der Meinungsfreiheit durch totalitäre Staaten machen. Eine solche Vereinbarung müsste daher auch Mindeststandards der Meinungsäußerungsfreiheit definieren. Durch hierdurch notwendige Kompromisse liefe diese aber Gefahr international den Standard zu senken. Hier könnte sich also nur an Maximalstandards orientiert werden, die wiederum andere Grundrechte wie das Persönlichkeitsrecht einschränken könnten. Eine Lösung die allen Grundrechten gerecht wird und den Grundrechtsschutz auch international stärkt dürfte daher nur schwierig zu finden sein.

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