Ein Urteil des VG Berlin stuft die telefonische Abfrage eines Opt-In als unzulässige Nutzung personenbezogener Daten ein und führt die weiten Auslegungsspielräume des BDSG ad absurdum.
Der Inhalt im Überblick
Sachverhalt: Zufriedenheitsbefragung mit Werbezusatz
Bereits im Mai diesen Jahres hatte das VG Berlin zu entscheiden (VG Berlin, Urteil vom 7. Mai 2014, Az.: 1 K 253.12), ob eine Mediagentur im Anschluss einer telefonischen Zufriedenheitsbefragung bei Zeitungsabonnenten auf folgende Weise einen Opt-In für Werbezwecke abfragen durfte:
„Darf ich oder ein netter Kollege von der A…/U… Sie noch einmal telefonisch oder auch per E-Mail oder SMS ansprechen, sobald wir wieder ein besonders schönes Medienangebot für Sie haben?“
Telefonwerbung nach § 7 UWG
Wer sich häufiger mit Fragestellungen zur Rechtmäßigkeit von Zufriedenheitsbefragungen und Telefonwerbung beschäftigt, den wird es zunächst nicht wundern, dass die streitgegenständlichen Anrufe als unzulässig eingestuft worden sind:
Die Rechtsprechung legt den Werbebegriff sehr weit aus, so dass Telefonanrufe schon dann als Werbung angesehen werden, wenn auch nur beiläufig eine „absatzfördernde Maßnahme“ wie diese hier eingebaut wird (z.B. OLG Köln, Urt. v. 30.3.2012 – 6 U 191/11: Frontscheibenreparatur). Ohne vorherige Zustimmung des Angerufenen steht im Ergebnis dann eine unzumutbare Belästigung gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG und damit ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht.
So weit, so nachvollziehbar.
Die Aufsichtsbehörde als Beklagte
Das Wettbewerbsrecht spielte in der Entscheidung des VG Berlin jedoch keine Rolle, was darauf zurückzuführen ist, dass dem Fall eine Untersagungsverfügung der Berliner Aufsichtsbehörde für den Datenschutz vorangegangen war und hiergegen geklagt wurde.
Die Aufsichtsbehörde konnte ihre Verfügung jedoch nur auf einen vermeintlichen BDSG-Verstoß stützen, da sie (anders als z.B. Verbraucherschutzverbände) nicht gegen UWG-Verstöße vorgehen kann (vgl. § 8 Abs. 3 UWG).
Das BDSG als Krücke
Damit ist auch schon der Grund dafür gefunden, warum das VG Berlin mit umständlicher und nur schwer nachvollziehbarer Begründung die Telefonanrufe als unzulässige Nutzung personenbezogener Daten konstruierte. Die Rechtsfolge des UWG sollte über den Umweg des BDSG erreicht werden.
Wenn man diese Interpretation des § 28 BDSG, der weite Auslegungsspielräume zuläßt, einmal weiterdenkt, müssten diverse Kontaktaufnahmen per Telefon oder E-Mail als Datenschutzverstoß eingeordnet werden, auch wenn sie nichts mit Werbemaßnahmen zu tun haben. Das BDSG wurde hier nur als Krücke mißbraucht, weil das UWG nicht angewendet werden durfte.
Grenzen der Zuständigkeit
Richtigerweise hätte das VG Berlin der Klage trotz Wettbewerbswidrigkeit der Anrufe stattgeben müssen, weil das BDSG hier hinter § 7 UWG zurücktritt und die Aufsichtsbehörde für die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts nicht zuständig ist.
Es ist nicht der erste Fall, in dem eine Aufsichtsbehörde ihre Kompetenzen überschreitet, auch wenn man dem BBfDI hier zumindest den Willen zur guten Tat honorieren kann.
Das Resumee ist ebenso unvertretbar wie die Entscheidung. Es kommt für dieses Urteil nicht auf die Motive des BBfDI an, und diese sind auch nicht zu loben. Er soll sich auf seine Aufgaben konzentrieren und diese ordentlich erfüllen, für UWG Klagen kann schon der Wettbewerb selbst sorgen.
„Unvertretbar“ ist hier wohl der falsche Ausdruck: Ja, das VG hätte auch aus unserer Sicht hier abweisen müssen bzw. die Behörde hätte gar nicht erst einschreiten dürfen.
Aber das Resümee bezieht sich eher auf eine rechtspolitische Frage. Das tatbestandliche Vorgehen war rechtswidrig und offensichtlich hat die wettbewerbsrechtliche Kontrolle hier eben nicht funktioniert (Krähentheorie?). Ein Lösungsansatz: Vielleicht sollten die Aufsichtsbehörden auch gegen § 7 UWG Verstöße vorgehen dürfen (wegen der Nähe zum Datenschutz)?
Der Wettbewerb sorgt für alles mögliche, nur nicht für das was gut und richtig ist. Nein, wir brauchen nicht noch mehr Bürokratie. Wenn man etwas so hinbiegen kann, dass es dem richtigen Zweck dient, ist das nur gut.