Der Internetriese Google kommt dem europäischen Recht auf Vergessen (bzw. Recht auf Vergessenwerden) nur im absoluten Mindestumfang nach und lehnt im Rahmen einer Aufforderung der französischen Datenschutzaufsicht (CNIL) die weltweite Umsetzung dieses Rechtes ab. Dieser Beitrag beleuchtet kurz die Hintergründe und bewertet das Verhalten Googles aus datenschutzrechtlicher Sicht.
Der Inhalt im Überblick
Weltweite Löschpflicht?
Löschpflichtige Ergebnisse werden von Google ausschließlich für den europäischen Nutzerkreis aus der Ergebnisliste entfernt, weltweit sind diese Informationen weiterhin abrufbar.
Google erklärte hierzu in seinem europäischen Blog
„Während das Recht auf Vergessen nun in Europa Gesetz sein mag, ist es global kein Gesetz“
Hintergrund
Recht auf Vergessen
Seit geraumer Zeit wird in der Europäischen Union – vor allem im Rahmen der Ausarbeitung der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung – über das sog. „Recht auf Vergessen“ diskutiert. Danach können Internetnutzer von Diensteanbietern unter gewissen Voraussetzungen die Löschung von über sie gespeicherte Informationen verlangen. Diesen Forderungen haben sich die Internetriesen, allen voran Google und Facebook bisher stets verweigert und auf die Freiheit des Internets verwiesen.
Erst im vergangenen Jahr wurde Google sodann vom Europäischen Gerichtshof (Urteil v. 13.05.2014 C-131/12) unter Verweis auf die EU-Datenschutzrichtlinie und die EU Grundrechtecharta dazu verurteilt, das Recht auf Vergessen zu beachten und personenbezogene Daten auf einen Löschantrag hin aus seiner Ergebnisliste zu entfernen.
Mittlerweile wurde dieses Recht explizit in Art. 17 der europäischen Datenschutz-Grundverordnung aufgenommen. Der europäische Gesetzgeber sieht dieses Recht als ein essentielles Recht zur Wahrung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung an, nach dem jeder Bürger selbst entscheiden können soll, welche Daten im Internet über ihn gespeichert sind. Ohne das Recht auf Vergessen ist eine Durchsetzung dieses Grundrechtes faktisch nicht möglich.
Fall Google
Nach dem EUGH-Urteil gegen Google machten viele Betroffene von ihrem Recht auf Vergessen Gebrauch. Eine Löschung erfolgte seitens Google allerdings nur im europäischen Raum. Die Informationen waren weltweit weiterhin recherchier- und anzeigbar. Vor diesem Hintergrund wurde Google Mitte Juni von der französischen Datenschutzaufsichtsbehörde (CNIL) formell aufgefordert, das in Europa vorgeschriebene Recht auf Vergessen weltweit umzusetzen. Dieser Aufforderung ist Google bisher nicht nachgekommen.
Die Haltung von Google
In einer Stellungnahme in seinem europäischen Datenschutzblog verweist Google darauf, dass es sich bei dem Recht auf Vergessen um ein rein europäisches Gesetz aber gerade kein weltweit gültiges Gesetz handele.
Wörtlich heißt es in dieser Stellungnahme (aus dem Englischen übersetzt):
„Wir glauben, dass kein Land die Autorität haben sollte, zu kontrollieren, auf was jemand in einem anderen Land zugreifen kann. Wir glauben weiterhin, dass diese Aufforderung, vor dem Hintergrund, dass die überwältigende Mehrheit der Französischen Internetnutzer – derzeit ca. 97 % – nur auf die europäische Internetseite der Google-Suche google.fr zugreift und weniger auf google.com oder eine andere Version von Google, unverhältnismäßig und unnötig ist. […] Es gibt zahlreiche Beispiele weltweit, bei denen gewisse Informationen durch ein Land als illegal deklariert wurden, wenngleich diese in anderen Ländern als legal gelten. […] Sollte die Forderung der CNIL zum Standard der Regulierung des Internets werden, finden wir uns in einer Spirale von Regulierungen wieder, die dazu führte, dass das Internet nur so frei wäre, wie es das am wenigsten freie Land erlaubt.“
Wie ist Googles Verhalten zu beurteilen?
Staatliche Souveränität / Bestimmungslandprinzip
Google bewegt sich mit seiner Haltung im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten. Seine Argumentation ist – insbesondere auch mit Blick auf die staatliche Souveränität in der Gesetzgebung – durchaus diskussionswürdig. Im Internet herrscht, nach überwiegender Überzeugung, das sog. Bestimmungslandprinzip. Das bedeutet, dass Inhalte von Telemediendiensten jeweils den Regelungen des Landes unterliegen, für welches sie zum Abruf bestimmt sind. Welche dies sind, ist aus den Umständen zu ermitteln. Grundsätzlich ist auch richtig, dass kein Land Gesetze erlassen kann, die in anderen Ländern Regelungen entfalten. Dieses ist Teil jeder staatlichen Souveränität.
Effektiver Rechteschutz
Allerdings muss auch festgestellt werden, dass das Internet gerade nicht in der von Google hier dargestellten Schärfe auf bestimmte Länder quasi „aufgeteilt“ werden kann. Wesen des Internets ist gerade die weltweite Vernetzung und Abrufbarkeit von Informationen. Soll also einem Löschungsrecht tatsächlich Rechnung getragen werden, kann nicht hingenommen werden, dass illegale Inhalte quasi über leicht auffindbare Umwege weiterhin die Rechte der Betroffenen verletzen.
Freiheit des Internets / Informationsfreiheit
Richtig ist allerdings auch, dass die Informationsfreiheit, als das Recht auf Zugang zu Information und Wissen, welche sich als Gegenrecht zum Recht auf Vergessenwerden darstellt, nicht von Einzelstaaten so weitreichend eingeschränkt werden kann, dass dieses in realiter nicht mehr existent ist.
Fazit
Es gilt dabei also eine Balance zu finden zwischen dem Recht auf Informationsfreiheit und dem Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung.
Für einen effektiven Rechteschutz in einem Medium, wie dem Internet kann es keine einzelnen Insellösungen geben. Hier muss es allgemeingültige internationale Regelungen geben, an die sich alle zu halten haben. Davon sind wir aber noch sehr weit entfernt.
Wieder mal ein klarer Fall von Doppelmoral!
US-Unternehmen nehmen für sich selbstverständlich in Anspruch, ihre Geschäftspraktiken in der ganzen Welt durchzusetzen. Die US-Regierung verfolgt die selbe Strategie. Wie viele Gesetze und Regulierungen in Europa durch die USA maßgeblich initiiert und beeinflusst werden, lässt sich längst nicht mehr an einer Hand abzählen.