Die Frage, ob Einwilligungserklärungen in zeitlicher Hinsicht einer Beschränkung unterliegen, ist ein juristischer Dauerbrenner. Wir werfen einen näheren Blick auf den Meinungsstand in Literatur und Rechtsprechung.
Der Inhalt im Überblick
Zeitliche Beschränkung von Einwilligung nach der DSGVO
Die DSGVO enthält keine spezielle Regelung hinsichtlich der Gültigkeit einer eingeholten Einwilligung in zeitlicher Hinsicht. Die Regelung zum Widerruf der Einwilligung in Art. 7 Abs.3 DSGVO und die Normierung des Zweckbindungsgrundsatzes wurden vom Gesetzgeber vermutlich als ausreichend erachtet, um das Verfallsdatum von Einwilligungen im Einzelfall zu bestimmen. Im Falle eines wirksam erklärten Widerrufs lässt sich die Gültigkeitsdauer der Einwilligung klar bestimmen. Was aber gilt, wenn eine Einwilligung gerade nicht widerrufen wird? Wie weit reicht dann ihre Legitimationskraft? Kennt sie ein Verfallsdatum?
Wie bei vielen juristischen Streitfragen lassen sich (gute) Argumente für und gegen ein Verfallsdatum von Einwilligungserklärungen finden.
Gegen ein allgemeines Verfallsdatum spricht, dass:
- der Gesetzgeber gerade keine entsprechende Regelung aufgenommen hat, wonach beispielsweise eine für längere Zeit ungenutzte Einwilligung einem „Ablaufdatum“ unterliegt, obwohl hierüber während des Gesetzgebungsverfahrens diskutiert wurde.
- der Betroffene durch das jederzeit bestehende Widerrufsrecht bereits ausreichend geschützt wird und die Belehrung über dieses Recht im Rahmen der Informationspflichten zwingend ist.
- auch das Vertrauen des Verantwortlichen, der auf Grundlage der Einwilligung personenbezogene Daten verarbeitet, geschützt werden muss und die Bestimmung eines Verfallsdatums für ihn mit einer großen Rechtsunsicherheit verbunden ist.
- der Betroffene bei Zweckänderungen in der Verarbeitung über den Zweckbindungsgrundsatz und die gesetzlichen Informationspflichten ohnehin geschützt wird, denn bei Zweckänderungen muss ohnehin eine neue Einwilligung eingeholt werden.
- sich Einwilligungserklärungen problemlos zeitlich begrenzen lassen, um etwaigen Änderungen der Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen.
Für ein Verfallsdatum spricht, dass:
- sich auch ohne eine Zweckänderung der Sachverhalt oder etwaige Rahmenbedingungen einer Datenverarbeitung grundlegend ändern können und daraus eine völlig neue Entscheidungsgrundlage für den Einwilligenden folgt.
- beim Betroffenen trotz der umfassenden gesetzlichen Informationspflichten in manchen Fällen ein Informationsdefizit besteht, was die zukünftige Entwicklung der Datenverarbeitung betrifft und er somit nicht „ewig“ gebunden werden sollte.
- wenn eine Datenverarbeitung trotz Legitimation über eine Einwilligung für einen längeren Zeitraum unterbleibt und dies dem Betroffenen bekannt ist, ein Vertrauenstatbestand geschaffen wird, wonach auch zukünftig keine Datenverarbeitung mehr erfolgen wird.
Argumente gegen zeitliche Beschränkung überzeugen
Die besseren Argumente sprechen gegen ein Verfallsdatum, denn der Betroffene wird bereits auf zahlreichen Ebenen geschützt. Zunächst steht es bereits in seiner alleinigen Disposition, ob er überhaupt in eine Datenverarbeitung einwilligt. Entscheidet er sich für die Einwilligung, muss der Zweck vom Verantwortlichen exakt benannt werden und nur insoweit bindet die Einwilligung den Betroffenen. Entspricht die fehlende Begrenzung der Dauer einer Einwilligung nicht den Vorstellung des Betroffenen, so steht es ihm frei entweder nicht einzuwilligen oder eine Befristung der Gültigkeitsdauer zu vereinbaren.
Der Schutz wird schließlich durch das jederzeitige Widerrufsrecht komplettiert. Das Argument, wonach der Verantwortliche durch „längere Nichtnutzung“ einer Einwilligung einen Vertrauenstatbestand dahingehend schafft, dass auch zukünftig keine Datenverarbeitung auf Basis der Einwilligung stattfindet, trägt nicht. Denn dieses Argument lässt das ebenso bestehende Vertrauen des Verantwortlichen auf die Legitimation der Verarbeitung durch die eingeholte Einwilligung gänzlich unberücksichtigt.
Interessant ist in diesem Zusammenhang noch eine ältere Stellungnahme der damaligen Art.-29-Datenschutzgruppe. In ihrer Stellungnahme 15/2011 zur Definition von Einwilligung (WP 187) empfiehlt sie als „Best Practice“ eine erteilte Einwilligung „nach einer Weile“ nochmals zu überprüfen und ggf. „aufzufrischen“, auch wenn sie wohl im Grundsatz nicht von einem „Verfall“ ausgeht.
Verfallsdatum von Einwilligungen im Rahmen des Direktmarketings
Bei der rechtlichen Beurteilung von Einwilligungen, die die werbliche Kontaktaufnahme z.B. per E-Mail oder Telefon legitimieren, ist neben dem Datenschutzrecht auch das Wettbewerbsrecht zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass beide Rechtsgebiete im Zusammenhang mit Werbeeinwilligungen häufig „in einen Topf geworfen“ werden, obwohl es sich um verschiedene Rechtsgebiete mit unterschiedlichen Schutzrichtungen handelt.
§ 7 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) enthält dabei zentrale Vorgaben, die bei der werblichen Kontaktaufnahme zu beachten sind. Zweck dieser Regelung ist dabei nicht – wie in der DSGVO – der Schutz personenbezogener Daten, sondern der Schutz der Markteilnehmer vor Beeinträchtigung ihrer privaten oder geschäftlichen Sphäre. § 7 Abs.2 Nr.3 UWG normiert beispielsweise ein grundsätzliches Einwilligungserfordernis bei E-Mail-Werbung, dass nur in engen Grenzen durch die Ausnahme in § 7 Abs.3 UWG durchbrochen wird.
Verschiedene Urteile zur zeitlichen Begrenzung von Einwilligungen
In der Vergangenheit gab es eine Reihe von Urteilen, die sich im Kontext des UWG mit der Frage der Verwirkung von Einwilligungen beschäftigten. So hat beispielsweise das LG München I mit Urteil vom 8. April 2010, Az. 17 HK O 138/10 entschieden, dass eine vor 17 Monate erteilte und bisher nicht genutzte Einwilligung zur E-Mail-Werbung „ihre Aktualität verliere“. Auf dieses Urteil verweist auch die Datenschutzkonferenz (DSK) in ihrer Orientierungshilfe zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten für Zwecke der Direktwerbung.
Interessanterweise verweist die DSK allerdings nicht auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), III. Zivilsenats vom 1.2.2018 – III ZR 196/17 –, darin heißt es:
„Eine zeitliche Begrenzung einer einmal erteilten Einwilligung sieht weder die Richtlinie 2002/58/EG noch § 7 UWG vor. Hieraus ergibt sich, dass diese -ebenso wie eine Einwilligung nach § 183 BGB -grundsätzlich nicht allein durch Zeitablauf erlischt.“
Allerdings sollten diese Aussage nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit den folgenden Ausführungen in besagtem Urteil gelesen werden:
„Vor diesem Hintergrund bestehen jedenfalls gegen die gegenständliche Regelung zur Geltungsdauer keine Bedenken, da diese eingegrenzt ist auf die Zeit während des laufenden Vertragsverhältnisses bis zu höchstens zwei Jahre ab Vertragsbeendigung und zumindest während dieses überschaubaren Zeitraums bei einem Verbraucher, der seine Einwilligung im Rahmen des Vertragsschlusses erteilt, von seinem fortbestehenden Interesse an einer Information über neue Services und Angebote der Beklagten ausgegangen werden kann.“
Diese Ergänzung zeigt wiederum, dass der BGH in dem zu entscheidenden Fall die Frage des fortbestehenden Interesses des Einwilligenden an weiterer werblicher Ansprache bei der Frage der zeitlichen Begrenzung einer einmal erteilten Einwilligung durchaus berücksichtigt.
Eine gewisse Unsicherheit bleibt
Der Meinungsstand zur zeitlichen Beschränkung der Einwilligung unter der DSGVO und die Rechtsprechung zur werblichen Einwilligungserklärung im Kontext des UWG ergeben kein eindeutiges Bild. Letztlich sprechen die besseren Argumente gegen ein Verfallsdatum von Einwilligungserklärungen. Der ausreichende Schutz für den Einwilligenden durch die jederzeitige Widerrufsmöglichkeit ist dabei nur eines von vielen gewichtigen Argumenten gegen einen „Verfall“.