Der Zugriff auf Handy-PIN und PUK durch Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden sowie die Zuordnung von dynamischen IP-Adressen zu bestimmten Personen wird in Zukunft nur noch unter erschwerten Bedingungen möglich sein. Die Einführung von IPv6 könnte in Zukunft noch weitere Vorschriften wackeln lassen. Einem Recht auf anonyme Kommunikation hat das Gericht allerdings eine Absage erteilt.
Der Inhalt im Überblick
Speicherung und Herausgabe von Nutzerdaten verfassungswidrig
Zumindest einen Teilerfolg erzielten die Beschwerdeführer in einem Verfahren (BvR 1299/05) vor dem Bundesverfassungsgericht, in dem heute das Urteil verkündet wurde. Die Beschwerde richtete sich gegen die §§ 111-113 des Telekommunikationsgesetzes (TKG), in denen die Speicherung und die Herausgabe von diversen Nutzerdaten an Staatsorgane geregelt sind.
§ 113 Abs. 1 S. 2 TKG ist nach der heutigen Entscheidung verfassungswidrig. Diese Vorschrift regelt die Pflicht von Telekommunikationsdiensteanbietern, über bestimmte Daten Auskunft zu geben, mit deren Hilfe der Zugriff auf Endgeräte oder Speichereinrichtungen möglich ist. Auf Verlangen von Strafverfolgungs- oder Sicherheitsbehörden mussten die Diensteanbieter diese Daten bislang im sog. manuellen Auskunftsverfahren herausgeben. Umfasst waren davon beispielsweise PIN und PUK als Zugriffssicherung bei Mobiltelefonen.
Das Bundesverfassungsgericht hat diesem einfachen Zugriff heute einen Riegel vorgeschoben. Bislang war es praktisch so, dass die Behörden die Daten auch dann abfragen konnten, wenn sie mangels Ermächtigung die Daten gar nicht zum Zugriff auf das entsprechende Endgerät nutzen durften.
Das Lawblog meint dazu:
„Die Behörden können also bisher Schlüssel für Räume verlangen, die sie gar nicht betreten dürfen. Ein offensichtlicher Wildwuchs im Rahmen der Überwachungsgesetze.“
Bis Mitte 2013 hat das Gericht dem Gesetzgeber Zeit gelassen, eine Neuregelung in diesem Punkt herbei zu führen, solange gilt die aktuelle Fassung weiter.
Zuordnung dynamischer IP-Adressen
Klargestellt hat das Gericht außerdem, dass § 113 Abs. 1 S. 1 TKG keine hinreichende Grundlage für eine Zuordnung darstellt, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt eine dynamische IP-Adresse genutzt hat.
„§ 113 Abs. 1 Satz 1 TKG bedarf weiterhin der verfassungskonformen Auslegung dahin, dass in ihm keine Rechtsgrundlage für die Zuordnung von dynamischen IP-Adressen gesehen werden kann.“
Diese Zuordnung ist nur unter Rückgriff auf Verkehrsdaten möglich und unterfällt daher dem Telekommunikationsgeheimnis.
Eine überraschende wie wünschenswerte Aussage der Karlsruher Richter. Auch hier wird eine Übergangsfrist bis Mitte 2013 eingeräumt. Ob dann nur die formalen Fehler beseitigt werden und damit dem Zitiergebot des Grundgesetzes genüge getan wird oder ob vielleicht sogar ein Richtervorbehalt ergänzt wird, bleibt abzuwarten.
Kein Recht auf anonyme Kommunikation
Eine Absage haben die Richter dem Wunsch nach anonymer Kommunikation beim Kauf einer Prepaid-Karte erteilt. Im Gegensatz zu 21 anderen Ländern in der EU ist Deutschland scheinbar so in seiner Sicherheit bedroht, dass jeder Inhaber eines Mobiltelefons identifizierbar sein muss. Die Beschwerdeführer wollen ihr Verfahren in diesem Punkt beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte weiter betreiben. Schauen wir mal, was der dazu sagt.