Das „Zahlen mit Daten“ – also das Bezahlen von Waren oder Dienstleistungen durch die Preisgabe persönlicher Daten anstelle von Geld – gewinnt in der digitalen Wirtschaft zunehmend an Bedeutung. Unternehmen bieten Nutzern scheinbar kostenlose Dienste an, verlangen im Gegenzug jedoch Zugriff auf personenbezogene Daten, die für Werbezwecke, Profilbildung oder andere kommerzielle Zwecke genutzt werden. Aus datenschutzrechtlicher Sicht wirft dieses Modell zahlreiche Fragen und Herausforderungen auf.
Der Inhalt im Überblick
Alles ist kostenlos – oder?
Wir alle kennen das – ob kostenlose Apps vom Lieblings-Essenslieferanten oder der Newsletter vom Dienstleister unseres Vertrauens, sehr vieles in der heutigen digitalen Welt scheint gratis verfügbar zu sein. Dabei vergisst man oft, dass zwar kein Geldbetrag zu zahlen ist, dafür aber jede Menge Daten von uns erhoben werden. Aus Sicht der Unternehmen ergibt das auch absolut Sinn. Denn nur wenn sie unsere Interessen und unsere geheimen Wünsche kennen, können sie uns das perfekte Angebot liefern. Daten stellen auch weiterhin ein Millionengeschäft dar.
Auch sind Abonnements von Websitebetreibern oder Zeitungen und Zeitschriften oftmals nur noch in der Basisversion verfügbar. Wer den ganzen Inhalt will, muss zahlen. Oder man muss bereit sein, dem Einsatz verschiedener Tracking- und Analysetools zuzustimmen. Dieses Zahlen mit Daten hat die Verbraucherschützer der EU auf den Plan gerufen. Um mehr Klarheit zu haben, was erlaubt und verboten ist, hat die EU vor einiger Zeit die Richtlinie (EU) 2019/770 verabschiedet, nach welcher die Mitgliedsstaaten verpflichtet sind, bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen verbindlich zu regeln. In Deutschland wurden dafür die Regelungen im BGB zu Verträgen zwischen Unternehmen und Verbrauchern erweitert.
Loyalty-Programm für Verbraucher
Mit einem solchen Fall hat sich kürzlich auch das Oberlandesgericht Stuttgart beschäftigt. In seinem Urteil vom 23.09.2025 (Az. 6 UKl 2/25) ging es um die Frage, ob ein Unternehmen, das im Fernabsatz ein sogenanntes Loyalty-Programm („Lidl Plus“) anbietet, verpflichtet ist, Verbraucher darüber zu informieren, dass die Teilnahme an dem Programm nicht „kostenlos“ ist, wenn im Gegenzug personenbezogene Daten erhoben und verarbeitet werden. Konkret ging es darum, ob die Bereitstellung personenbezogener Daten als „Preis“ im Sinne der verbraucherschutzrechtlichen Informationspflichten zu werten ist und ob die Bezeichnung des Angebots als „kostenlos“ irreführend ist.
Der Sachverhalt gestaltete sich wie folgt: Die Beklagte, Betreiberin des Vorteilsprogramms „Lidl Plus“, bietet registrierten Nutzern personalisierte Angebote, Rabatte und weitere Vorteile an. Die Registrierung erfolgt über eine App, wobei Nutzer verschiedene personenbezogene Daten angeben müssen (u. a. Name, Geburtsdatum, E-Mail-Adresse). In den Teilnahmebedingungen wird die Teilnahme als „kostenlos“ bezeichnet. Gleichzeitig wird ausführlich erläutert, welche Daten erhoben und verarbeitet werden. Der Kläger, ein Verbraucherschutzverband, mahnte die Beklagte ab und forderte eine Unterlassungserklärung, da er der Ansicht war, die Beklagte müsse die Bereitstellung personenbezogener Daten als Gegenleistung und damit als „Preis“ kennzeichnen. Die Beklagte verweigerte dies.
Der Kläger beantragte, der Beklagten zu untersagen, das Programm als kostenlos zu bewerben, ohne auf die Gegenleistung in Form von Daten hinzuweisen, und verlangte Ersatz der Abmahnkosten. Die Beklagte hielt den Antrag für unbestimmt und argumentierte, dass kein Geldpreis verlangt werde und die Verarbeitung der Daten ausschließlich zur Vertragserfüllung erfolge. Sie verwies darauf, dass die einschlägigen Vorschriften nur Geldleistungen als Preis erfassen und die Informationspflichten zu Daten durch die DSGVO abschließend geregelt seien.
Bereitstellung von Daten ist keine Geldleistung
Das OLG Stuttgart wies die Klage ab. und verneinte einen Unterlassungsanspruch. Die Beklagte habe nicht gegen die Informationspflichten aus § 312d Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB verstoßen. Nach Auffassung des Senats ist der Begriff „Preis“ im Sinne dieser Vorschriften – entsprechend der europäischen Verbraucherrechterichtlinie und der oben genannten Richtlinie (EU) 2019/770 – ausschließlich als Geldleistung oder digitale Darstellung eines Wertes zu verstehen. Die Bereitstellung personenbezogener Daten sei keine Geldleistung und daher kein „Preis“ im Rechtssinne. Die Richtlinien und das nationale Recht differenzieren nach Ansicht des Gerichts ausdrücklich zwischen Verträgen, bei denen ein Preis gezahlt wird, und solchen, bei denen Daten bereitgestellt werden. Die Informationspflichten bezüglich der Datenverarbeitung werden durch die DSGVO umfassend geregelt. Es sei nicht Aufgabe der Gerichte, diese gesetzgeberische Entscheidung zu korrigieren.
Auch die Bezeichnung der Teilnahme als „kostenlos“ sei nicht irreführend. Die Teilnahme verursache tatsächlich keine Geldkosten für den Verbraucher. Die Tatsache, dass personenbezogene Daten erhoben werden, werde in den Teilnahmebedingungen transparent und ausführlich erläutert. Ein durchschnittlicher Verbraucher werde daher nicht über die Bedingungen der Teilnahme getäuscht. Die Vorschriften des UWG über irreführende Angaben seien ebenfalls nicht verletzt, da keine Kosten im Sinne der Preisangabenverordnung oder der Verbraucherrechterichtlinie entstehen und die Datenbereitstellung nicht als „versteckte Kosten“ zu werten sei.
Weitere Verbraucherschutzgesetze, auf die sich der Kläger berief, seien ebenfalls nicht verletzt. Insbesondere bestehe keine Pflicht, die Datenbereitstellung als Preis oder Gegenleistung zu kennzeichnen. Da kein Unterlassungsanspruch bestehe, entfalle auch der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten.
„Was letzte Preis?“
Spannend ist hierbei, dass das Gericht insgesamt keinen Grund zur Beanstandung sieht, dass Lidl bei der Anmeldung keinen Gesamtpreis angibt. Eine Pflicht zur Angabe eines Gesamtpreises bestehe nur dann, wenn tatsächlich ein Preis zu zahlen ist – was hier nicht der Fall sei. Nach deutschem Recht und den zugrunde liegenden europäischen Vorschriften verstehe man unter einem „Preis“ ausschließlich eine Geldzahlung, nicht aber andere Formen der Gegenleistung.
Zu beachten ist aber, dass Unternehmen, welche Daten als Entgelt akzeptieren, dennoch zahlreiche rechtliche Pflichten erfüllen müssen. Neben der Vertragstransparenz stehen Informationspflichten und Datenschutz im Mittelpunkt. Zu den wichtigsten Pflichten zählen:
- Klare Information über Art und Zweck der Datennutzung einschließlich Tracking oder Werbemaßnahmen
- Einholung einer ausdrücklichen Einwilligung
- Möglichkeit zum Widerruf der Einwilligung
- Umsetzung von Löschkonzepten nach Vertragsende
Auch bei Daten als Entgelt besteht ein Widerrufsrecht für Verbraucher. Unternehmen müssen zudem technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz der Daten treffen.
Herausforderungen bei der rechtlichen Bewertung
Die rechtliche Bewertung von Daten als Entgelt ist komplex. Herausforderungen ergeben sich vor allem durch die Abgrenzung zwischen Daten, die zur Vertragserfüllung notwendig sind, und solchen, die als Entgelt gelten. Auch die praktische Umsetzung der Transparenz- und Informationspflichten ist anspruchsvoll.
Typische Herausforderungen sind:
- Abgrenzung zwischen erforderlichen und freiwilligen Daten
- Sicherstellung der Freiwilligkeit der Einwilligung
- Anpassung an neue Geschäftsmodelle und technische Entwicklungen
Das Zahlen mit Daten als Entgelt ist rechtlich anerkannt, bringt aber zahlreiche Pflichten und Herausforderungen mit sich. Die DSK hat das Pur-Abo-Modell im Jahr 2023 datenschutzrechtlich bewertet. Danach ist das Modell grundsätzlich zulässig, wenn datenschutzrechtliche Vorgaben insbesondere zur Einwilligung generell, aber auch zum Tracking und zu deren technischer Umsetzung, eingehalten werden. Das letzte Wort ist hierzu sicherlich noch nicht gesprochen. Der Verbraucherschutzverband hat im aktuellen Fall bereits angekündigt, diese Sache höchstrichterlich klären lassen zu wollen. Eine endgültige Entscheidung wird daher wohl der Bundesgerichtshof fällen müssen.




