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OLG Stuttgart zur Abmahnfähigkeit von DSGVO-Verstößen

OLG Stuttgart zur Abmahnfähigkeit von DSGVO-Verstößen

Die Frage der Abmahnfähigkeit von Verstößen gegen die Regelungen der DSGVO hat in der Vergangenheit zahlreiche Gerichte und auch uns im Rahmen dieses Blogs beschäftigt. Bis heute herrscht allerdings Uneinigkeit darüber, inwiefern Datenschutzverstöße nach dem UWG abmahnfähig sind. Durch ein Berufungsurteil des OLG Stuttgart kommt nun wieder Bewegung in die Diskussion.

Zum Sachverhalt

Dem Rechtsstreit liegt dabei die Klage eines als e.V. organisierten Interessenverbandes von Online-Unternehmern zugrunde. Dieser macht einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch wegen eines behaupteten Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen gem. § 8 Abs. 1 UWG i.V.m. §§ 3, 3a UWG geltend. Der Beklagte vertreibt KFZ-Zubehör über die Online-Handelsplattform eBay. Nach Vortrag des Klägers habe der Beklagte versäumt Betroffene über Art, Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten zu informieren. Dadurch verstoße der Beklagte gegen § 13 TMG sowie Art. 13 DSGVO.

Entscheidung im erstinstanzlichen Urteil

Das Landgericht Stuttgart hat die Klage in seinem Urteil vom 20.05.2019 – 35 O 68/18 KfH als zulässig aber unbegründet abgeurteilt. Nach Auffassung des Gerichts liege kein Unterlassungsanspruch nach UWG vor, weil

  1. kein Verstoß gegen § 13 TMG vorliege, da diese Regelung zum strittigen Zeitpunkt dem 16.07.2018 aufgrund der seit dem 25.05.2018 geltenten DSGVO keinen Anwendungsbereich mehr habe und
  2. ein Verstoß gegen Art. 13 DSGVO zwar möglicherweise vorliege allerdings aufgrund der abschließenden Regelungen zu Rechtsbehelfen, Sanktionsmöglichkeiten und Haftung in Art. 77 – 84 DSGVO im Rahmen der § 8 Abs. 1 UWG i.V.m. §§ 3, 3a UWG nicht abmahnfähig sei.

Eine ausführliche Besprechung der erstinstanzlichen Entscheidung können Sie in unserem folgenden Beitrag nachlesen.

Abänderung des erstinstanzlichen Urteils

Das OLG Stuttgart hat nun in seinem Berufungsurteil vom 27.02.2020 – 2 U 257/19 das erstinstanzliche Urteil des LG Stuttgart durch folgenden Hauptsachetenor abgeändert.

„1. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht in jedem Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit dem Verbraucher betreffend Kraftfahrzeugzubehör eine Website/Homepage selbst oder durch Dritte zu unterhalten, auf der zu geschäftlichen Zwecken personenbezogene Daten erhoben werden, ohne dass eine Datenschutzerklärung nach Artikel 13 Absatz 1 und 2 Datenschutz-Grundverordnung der EU (DSGVO 2016/679) vom 27. April 2016 in deren Geltungsbereich vorgehalten wird, jeweils wie nachstehend wiedergegeben: <es folgt die Abbildung eines Angebotes bei eBay>

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.“

Dabei schließt es sich in einigen Fragen dem erstinstanzlichen Urteil an, widerspricht aber der 35. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart insbesondere in der Frage der Abmahnfähigkeit der DSGVO.

Klagebefugnis

Zunächst einmal sei der Kläger gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG sowohl prozessual klagebefugt als auch sachlich rechtlich anspruchsberechtigt. In dieser Frage schließt sich das OLG damit den Ausführungen des LG Stuttgart an.

Rechtsmissbrauch

Weiterhin lägen keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers vor. Auf einen diesbezüglichen Einwand des Beklagten führt das OLG aus, dass es einem klagebefugten Verband grundsätzlich freistehe nur gegen bestimmte Verletzer gerichtlich vorzugehen. Man könne dem Kläger keinen Rechtsmissbrauch vorwerfen, nur weil er ausschließlich gegen ausgewählte Mitbewerber wettbewerbsrechtlich vorgeht. Die Entscheidung ob und gegen welche Mitbewerber er vorgehen möchte stehe vielmehr in seinem freien Ermessen. Von einem Rechtsmissbrauch sei nur dann auszugehen, wenn sich die Ermessensausübung des Klägers nachweislich auf überwiegend sachfremde Gründe stützt.

Verstoß gegen § 13 TMG und Art. 13 DSGVO

Auch das OLG Stuttgart stellt fest, dass der § 13 TMG in der vorliegenden Konstellation durch die Bestimmungen der DSGVO verdrängt wird. Die DSGVO habe Anwendungsvorrang und genieße im Kollisionsfall unmittelbare Geltung. Unerheblich sei dabei, ob und in welchem Umfang die Regelung des § 13 TMG mit der DSGVO vereinbar ist.

Allerdings liege ein Verstoß gegen Art. 13 DSGVO vor. So seien überhaupt keine Informationen zur Verarbeitung der personenbezogenen Daten im Rahmen des Internetauftritts auf der eBay-Plattform zur Verfügung gestellt worden.

Abmahnfähigkeit DSGVO

Bezüglich der Abmahnfähigkeit der DSGVO nach dem UWG widerspricht das Berufungsurteil der erstinstanzlichen Entscheidung. So seien die Rechtsbehelfe in Art. 77 – 84 der DSGVO eben gerade nicht abschließend geregelt. Bestimmungen einer EU-Verordnung seien nicht von sich aus abschließend, vielmehr könne eine europäische Verordnung durch nationale Normen ergänzt werden, wenn dadurch die unmittelbare Anwendbarkeit der Verordnung nicht vereitelt wird. Nationale Normen, welche geeignet sind die Rechtsdurchsetzung zu erleichtern seien nach dem Willen der DSGVO zulässig. Eben solch eine Erleichterung sieht das OLG grundsätzlich in der Möglichkeit des wettbewerbsrechtlichen Vorgehens gegen DSGVO-Verstöße.

Insofern bleiben die nationalen Bestimmungen der § 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 UWG i.V.m. § 3a UWG anwendbar, wenn es sich um einen Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung handele.

Eine solche Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG liege mit Art. 13 DSGVO vor. Dazu führt das OLG aus:

„Eine Vorschrift, die dem Schutz von Rechten, Rechtsgütern oder sonstigen Interessen von Marktteilnehmern dient, ist eine Marktverhaltensregelung, wenn das geschützte Interesse gerade durch die Marktteilnahme, also durch den Abschluss von Austauschverträgen und den nachfolgenden Verbrauch oder Gebrauch der erworbenen Ware oder in Anspruch genommenen Dienstleistung berührt wird. Nicht erforderlich ist dabei eine spezifisch wettbewerbsbezogene Schutzfunktion in dem Sinne, dass die Regelung die Marktteilnehmer speziell vor dem Risiko einer unlauteren Beeinflussung ihres Marktverhaltens schützt.Die Vorschrift muss aber zumindest auch den Schutz der wettbewerblichen Interessen der Marktteilnehmer bezwecken.“

Weiterhin sei ein Verstoß gegen § 13 DSGVO als Marktverhaltensregelung geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

Einordnung des Urteils

In jüngerer Vergangenheit mehren sich die Urteile deutscher Gerichte, welche die DSGVO für abmahnfähig erachten. Eine höchstrichterliche Entscheidung lässt allerdings noch auf sich warten. Sollte sich eine entsprechende Entscheidung dem aktuellen Trend anschließen, stellt sich natürlich die Frage, ob es tatsächlich noch zu der befürchteten Abmahnwelle kommen wird. Jedenfalls sollten Unternehmen darauf achten, dass sie außenwirksame Vorgaben der DSGVO gewissenhaft umsetzen um kein leichtes Ziel für etwaige Abmahnungen darzustellen.

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