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Porno-Pranger meets Datenschutz

Porno-Pranger meets Datenschutz

Es gibt anwaltliche Tätigkeiten, die sind gelinde gesagt, mühselig. Das gilt insbesondere dann, wenn man sich aus Streitwertgesichtspunkten im eher niedrig angesiedelten Bereich bewegt und eine ganze Armada von Rechtsvorschriften zu beachten hat, welche auf der Gegenseite gute Einfallstore für eine Verteidigung ermöglichen. Dies schreit aus anwaltlicher Sachbearbeitersicht in besonderem Maße nach Effizienz. Im Urheberrechtsbereich ist es daher häufig anzutreffen, dass für Abmahnungen Standardschreiben verwendet werden, welche sich inhaltlich weitestgehend allein dadurch unterscheiden, dass unterschiedliche IP-Adressen und der abgemahnte Titel von den übrigen Abmahnungen abweichen. Auch dies führt jedoch nicht unbedingt dazu, dass der anwaltlich vertretene Gegner zwingend beeindruckt ist. Da bietet es sich aus Sicht des Abmahnenden u.U. an solche Wege zu beschreiten, die den Abgemahnten auf anderem Wege, d.h. abseits der Juristerei unter Druck setzen.

Die Idee

Die Kanzlei U + C Rechtsanwälte plant daher lt. eigener Pressemitteilung die Veröffentlichung einer Gegnerliste auf ihrer Website. Ein besonderer Druck wird dabei natürlich in solchen Bereichen aufgebaut, in denen eher pikantes Bildmaterial Gegenstand der Abmahnung ist. Fraglich bleibt in diesem Zusammnhang, ob auch Pornokonsumenten mit einem quasi Zwangsouting rechnen müssen, sofern solche Werke illegal heruntergeladen wurden.

Hier entsteht dann kein juristischer, sondern ein gesellschaftlicher Druck auf die abgemahnte Person, welcher sich aber unter Umständen aufgrund einer erhöhten Zahlungsbereitschaft aus Sicht der abmahnden Unternehmen in barer Münze auszahlt, denn wer möchte schon mit Pornos in Verbindung gebracht werden, insbesondere öffentlich über das für jedermann zugängliche Internet.

Die Argumentation

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 12.12.2007, Az.: 1 BvR 1625/06  entschieden, dass dass Darstellen einer Gegnerliste im Internet vom Grundsatz her zulässig ist. Partei des dortigen Verfahrens war jedoch ein bundesweit tätiges Finanzdienstleistungsunternehmen. Auf diesen Beschluss des BVerfG nimmt auch die Kanzlei U + C Rechtsanwälte ausdrücklich Bezug.

Ein Blick in das Gesetz

Die dahinter stehende Frage ist allerdings, ob sich die Entscheidung des BVerfG eins zu eins auf Privatpersonen übertragen lässt. Wie jeder Jurastudent jedoch schon im ersten Semeseter lernt:

Ein Blick in das Gesetz erleichtert die Rechtsfindung

Zeit daher mal einen Blick in die einschlägigen Gesetze zu werfen. § 4 Abs. 1 BDSG lässt die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur dann zu, soweit das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Soweit jedoch speziellere Gesetze bestehen, so gehen diese gem. § 1 Abs. 3 BDSG dem Bundesdatenschutzgesetz vor.

Das Telemedienrecht

Das Telemediengesetz (TMG) enthält solche speziellen Erlaubnistatbestände für Telemedien wie Websites. Für einen Rückgriff auf die Erlaubnisnormen des BDSG ist daher kein Raum.

Gem. § 12 Abs. 1 TMG darf der Diensteanbieter personenbezogene Daten zur Bereitstellung von Telemedien allerdings nur erheben und verwenden, soweit das TMG oder eine andere Rechtsvorschrift, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht, es erlaubt oder der Nutzer eingewilligt hat. Da eine Einwilligung der Betroffenen nicht zu erwarten ist, stellt sich also die Frage nach einer entsprechenden Rechtsgrundlage, welche sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht.

Eine solche Rechtsgrundlage existiert tatsächlich jedoch nicht. Selbst § 15 Abs. 8 TMG, welcher eine Datennutzung quasi bei Verdacht lediglich fehlender Zahlungsabsicht zulässt, ist nicht anwendbar, da dies einen Zusammenhang zu einem selbst erbrachten Telemediendienst erfordern würde, der in den urheberrechtlichen Streitigkeiten gerade nicht existiert, da die Dateien illegal über andere Tools oder Websites gedownloadet oder verbreitet werden.

Das BVerfG hat zudem im Hinblick auf personenbezogene Daten bereits in seinem Volkszählungsurteil (BVerfG, Urteil v. 15.12.1983, Az. 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83) entschieden, dass Löschungspflichten im Rahmen des Datenschutzes wesentlich sind. Dies würde durch eine Veröffentlichung personenbezogener Daten im Internet (das Internet vergisst bekanntlich nichts) unzweifelhaft konterkariert.

Folge

Aus dem genannten Grund ist mangels Rechtsgrundlage daher davon auszugehen, dass eine Online-Gegnerliste mit natürlichen Personen illegal ist und zwar unabhängig davon, ob Abmahnungen aufgrund des illegalen Downloads von Pornos oder aus anderen Gründen ausgesprochenen werden.

Grob vergleichbar ist die Idee im Übrigen mit der damaligen AGG-Hopper Datenbank. In dieser Datenbank sollten sog. Kläger aus AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) -Verfahren vermerkt und zum Abruf bereitgehalten werden um missbräuchliche AGG-Klagen sog. AGG-Hopper möglichst frühzeitig identifizieren zu können.

Aus Datenschutzgründen mussten diese Datenbanken auf Druck der Landesdatenschutzbehörden jedoch geschlossen werden (siehe z.B. Jahresbericht des Berliner Beauftragten für Datenschutz 2009, Seite 119).

Sollte eine solche Datenbank mit personenbezogenen Daten daher online gehen, so ist unmittelbar eine Anzeige bei der zuständige Landesdatenschutzbehörde, dies dürfte das Bayrische Landesamt für Datenschutzaufsicht sein, zu empfehlen. Denn letztlich droht hier je Verstoß ein Bußgeld von bis zu 50.000,- EUR (§ 16 Abs. 2 Nr. 4 TMG).

Jemand der sich zwar nicht mit der Erstellung von Standardabmahnungen dafür aber mit Datenschutz auskennt, ist Ihr betrieblicher Datenschutzbeauftragter.

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