Zum Inhalt springen Zur Navigation springen
Richterrecht vs. Datenschutz – „Das haben wir schon immer so gemacht“

Richterrecht vs. Datenschutz – „Das haben wir schon immer so gemacht“

Oft erhalten Arbeitgeber schreiben von Gerichten, in denen sie dazu aufgefordert werden, Auskünfte über Mitarbeiter zu geben. Selten wird dafür ein Grund genannt und noch seltener eine Rechtsgrundlage. Was jedoch immer enthalten ist, ist der Eindruck, dass die Auskunftserteilung Pflicht wäre – was allerdings nicht immer stimmen muss…

Was ist Richterrecht?

Richterrecht wird nach rechtslexikon-online.de definiert als

„Faktisches Recht, das durch die Rechtsprechung der Gerichte entsteht. (…)Es dient vor allem der Schließung bestehender Gesetzeslücken, aber auch der Rechtsfortbildung als Reaktion auf verändernde Verhältnisse. Es wird allein durch die Judikative (also die Recht sprechende Gewalt) begründet.“

Daher scheint wohl so mancher Richter (es wird im Folgenden auf die weibliche Person verzichtet, wobei diese nicht minder ebenso vorgeht) zu glauben, bestimmte Auskünfte auch einfach mal erfragen zu können. Denn schließlich kostet Fragen ja nichts und bisher hat es ja auch immer geklappt. Denn fast jeder wird auf eine Anfrage des Gerichts reagieren und die gewünschte Auskunft erteilen – auch wenn er dies in den seltensten Fällen muss.

Wie sieht die Praxis aus?

Oft wird einfach ein sehr förmlich aussehendes Schreiben durch die Gerichte verschickt, das etwa diesen Inhalt haben kann:

„Sehr geehrter Herr Mustermann,

in der Sache XY-Ungelöst wird um die Mitteilung folgender Informationen hinsichtlich Ihres Mitarbeiters … gebeten.

Mit freundlichen Grüßen

Auf Anordnung

…“

Widersprich scheint zwecklos, irgendwo taucht noch das Wort „gerichtliche Verfügung auf“ und der Adressat dieses Schreibens sieht sich (verständlicher Weise) in der Pflicht, diesem Auskunftsersuchen umgehend nachzukommen. Dabei weiß er oft nicht, dass er damit unter Umständen einen Bußgeldtatbestand nach § 43 BDSG (unbefugte Datenverarbeitung) erfüllt, der ihn bis zu 300.000 € kosten kann.

Datenschutzrecht

Die Mitteilung der gewünschten Informationen über den Arbeitnehmer stellt für das Unternehmen eine Datenweitergabe im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) dar. Gemäß § 4 BDSG dürfen Daten nur dann erhoben, verarbeitet (= übermittelt) oder genutzt werden, wenn eine Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat.

Man kann davon ausgehen, dass der Mitarbeiter als Betroffener nicht in die Weitergabe seiner Daten einwilligen wird.

Demnach müsste eine Rechtsvorschrift die Datenweitergabe anordnen oder erlauben.

Da das Gericht eine Auskunft über einen Mitarbeiter verlangt, stellt dieser Vorgang für das Gericht im Gegenzug eine Datenerhebung bei einer nicht-öffentlichen Stelle dar. In diesem Fall ist gemäß der Landesdatenschutzgesetze, wie z.B. § 12 Abs. 3 Datenschutzgesetz NRW, bei Bestehen einer Auskunftspflicht auf diese, sonst auf die Freiwilligkeit der Angaben hinzuweisen.

Da beides fehlte, wurde die Auskunft mit entsprechendem Hinweis an das Gericht verweigert.

Was sind die Folgen?

Der Hinweis an das Gericht hatte die telefonische Auskunft „Rechtsgrundlage? Das haben wir doch immer so gemacht!“ sowie ein Schreiben mit folgendem Inhalt zur Folge:

„Sehr geehrter Herr Mustermann,

anlässlich Ihres Schreibens bittet das Gericht, Ihren Mitarbeiter nach dessen Einverständnis der Weitergabe seiner Daten zu fragen und bei Erteilung die Informationen dem Gericht mitzuteilen. (…)“

Es folgte noch der Hinweis, dass auch eine Ladung des Mitarbeiters erfolgen könne. Eine Rechtsgrundlage für die gewünschte Auskunft wurde nicht genannt…

Fazit

Nur weil eine Datenweitergabe von einem Gericht verlangt wird, heißt das nicht, dass man dieser ohne weiteres zu folgen hat. Denn eine Rechtsfortbildung durch die Gerichte entgegen einer klaren gesetzlichen Regelung ist unzulässig. Sollte also keine Rechtsgrundlage genannt sein, so empfiehlt es sich zumindest, nach dieser zu fragen. Das kann am Besten Ihr Datenschutzbeauftragter. Gut also, wenn Sie einen haben…

Informieren Sie sich über unsere praxisnahen Webinare
  • »Microsoft 365 sicher gestalten«
  • »Informationspflichten nach DSGVO«
  • »Auftragsverarbeitung in der Praxis«
  • »DSGVO-konformes Löschen«
  • »IT-Notfall Ransomware«
  • »Bewerber- und Beschäftigtendatenschutz«
Webinare entdecken
Mit dem Code „Webinar2024B“ erhalten Sie 10% Rabatt, gültig bis zum 30.06.2024.
Beitrag kommentieren
Fehler entdeckt oder Themenvorschlag? Kontaktieren Sie uns anonym hier.
  • …und was hilft es, sich so zu verhalten? Die schriftliche Auskunftserteilung wird in der Regel erbeten, um eine Ladung des GF oder einer anderen Auskunftsperson als Zeugen zu vermeiden; es handelt sich also um eine recht bürgerfreundliche Praxis, die dem Zeugen An-, Abreise und Wartezeit erspart. Rechtsgrundlage ist also – je nach Prozessordnung – die Verpflichtung als Zeuge auszusagen.

  • Es wäre toll, wenn dieser Artikel mal im Hinblick auf die aktuelle Rechtslage überarbeitet werden könnte. Alle Verweise auf das BDSG beziehen sich auf die alte, nicht mehr gültig Fassung. Das BDSG 2018 wurde komplett neu formuliert, dazu kommt noch die DSGVO.

    Auch im Hinblick auf Anfragen zu Mitarbeiterdaten von privaten Stellen wäre ein Artikel sehr Hilfreich. Beispiel: Ein Mitarbeiter der Firma parkt den Firmenwagen zu lange auf einem privat bewirtschafteten Parkplatz und es soll eine „Vertragsstrafe“ gezahlt werden. Die Firma soll Auskunft über den Mitarbeiter geben. Darf diese Auskunft seit Inkrafttreten der DSGVO überhaupt gegeben werden?
    Vgl auch das Urteil http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=73509&pos=0&anz=1 welches einen Anspruch angeblich begründet (von 2015).

Die von Ihnen verfassten Kommentare erscheinen nicht sofort, sondern erst nach Prüfung und Freigabe durch unseren Administrator. Bitte beachten Sie auch unsere Nutzungsbedingungen und unsere Datenschutzerklärung.