Am Dienstag hat der BGH die Klage eines der beiden Mörder des bayerischen Schauspielers Walter Sedlmayr abgewiesen (Urteil v. 08.05.2012, Az. VI ZR 217/08). Dieser hatte gegen das österreichische Medienunternehmen eDate Advertising geklagt, um eine Unterlassung hinsichtlich der Online-Berichterstattung auf der Internetseite rainbow.at zu erreichen. Er machte geltend, dass die dauerhafte Abrufbarkeit seines Vor- und Nachnamens in den Online-Archiven sein Persönlichkeitsrecht verletzen würde.
Der Inhalt im Überblick
Ein alter Hut – BGH urteilte schon 2009
Bereits seit Jahren beschäftigen Klagen der Sedlmayr-Mörder deutsche und ausländische Gerichte. In den Verfahren ging es – wie im aktuellen Urteil – stets um die Namensnennung in Online-Medien.
So stellte der BGH erstmals im Jahr 2009 fest, dass dieser bedeutende Fall deutscher Kriminalgeschichte es rechtfertigen würde, dass die Namen der Täter im Internet veröffentlicht seien (Urteil vom 15.12.2009, Az. VI ZR 227/08). In den folgenden Jahren scheiterten die beiden Mörder vor dem BGH u.a. mit Klagen gegen den Spiegel, die Süddeutsche Zeitung und die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Diesmal musste auch der EuGH ran
Da der aktuelle Fall jedoch europarechtliche Fragen hinsichtlich der gerichtlichen Zuständigkeit aufwarf, war das Verfahren zunächst ausgesetzt und zur Klärung dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt worden.
Daraufhin erklärte der EuGH im Oktober 2011 (Urteil vom 25.10.2011, Az. C-509/09 und C-161/19), dass in derartigen Fällen auch die Möglichkeit bestehe die Gerichte des EU-Staates anzurufen, in dem der Kläger seinen Wohnsitz habe. Über die Zuständigkeit des BGH war somit entschieden.
Was macht das Urteil interessant?
Obwohl die mediale Berichterstattung sich in den letzten Tagen fast ausnahmslos auf die Debatte Persönlichkeitsrecht versus Presse- und Meinungsfreiheit stürzte, ist dies das eigentliche Interessante im Rahmen des neuen BGH-Urteils.
Der EuGH äußerte sich u.a. zu der vorgelegten Frage, wie die Wendung „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“ in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 im Fall der Geltendmachung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Inhalte einer Website auszulegen ist.
Bisher war es bereits ständige Praxis, dass das örtlich zuständige Gericht an dem Ort angerufen werden konnte, wo sich der Wohnsitz oder der Ort der Niederlassung des Beklagten befindet („Ort des ursächlichen Geschehens“). Ebenso konnte die Zuständigkeit des Gerichts eines Mitgliedstaates gewählt werden, in dem die Veröffentlichung verbreitet und das Ansehen des Betroffenen beeinträchtigt wurde („Ort der Verwirklichung des Schadenserfolges“).
Neue Praxis für „andere Medien und Kommunikationsmittel“
Durch das neue EuGH-Votum wurde diese Praxis nicht geändert, sondern erweitert.
Dabei unterstrich der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil, dass Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche in Zukunft von der betroffenen Person bei den Gerichten eines jeden EU-Mitgliedstaates erhoben werden können, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Interessen befindet – unabhängig vom Wohnsitz des Beklagten und vom Verbreitungsort des konkreten Mittels, mit dem die mögliche Persönlichkeitsrechtsverletzung begangen wird.
Dies sei laut EuGH nunmehr möglich, da die bisherige Praxis auf „andere Medien und Kommunikationsmittel“ übertragen werden könne, jedoch mit einigen technikbedingten Schwierigkeiten zu kämpfen habe und daher entsprechend anzupassen sei.
Im Urteil heißt es u.a. dazu:
„Das Internet schränkt also den Nutzen des Verbreitungskriteriums ein, da die Reichweite der Verbreitung im Internet veröffentlichter Inhalte grundsätzlich weltumspannend ist. Auch ist es nicht immer technisch möglich, diese Verbreitung sicher und zuverlässig für einen konkreten Mitgliedstaat zu quantifizieren (…).“
Stärkung der Bürgerrechte
Da die Auswirkungen eines im Internet veröffentlichten Inhalts auf die Persönlichkeitsrechte einer Person laut EuGH-Urteil am Besten von dem Gericht des Ortes beurteilt werden können, wo das mutmaßliche Opfer den Mittelpunkt seiner Interessen hat, entspräche die Zuweisung der Zuständigkeit an dieses Gericht dem Ziel einer geordneten Rechtspflege.
In unserer modernen „Online-Welt“ bedeutet dieses Votum eine erfreuliche Stärkung der Rechte der Bürger, die sich gegen Internetinhalte zur Wehr setzen möchten. Da es sich heutzutage bei den streitgegenständlichen Medien in der Regel nicht mehr um herkömmliche Presseartikel handelt, war es angezeigt, die gerichtlichen Zuständigkeiten in Bezug auf das allgegenwärtige Medium Internet praktikabel zu halten.