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Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden leicht gemacht!?

Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden leicht gemacht!?

Man stelle sich vor, der Chef stellt fest, dass der Betriebsratsvorsitzende ständig über neueste Informationen verfügt, die von der Geschäftsführung weder gegenüber der Belegschaft noch gegenüber dem Betriebsrat preisgegeben wurden.

Man stelle sich nun weiter vor, der Betriebsratsvorsitzende ist zufälligerweise als Administrator im Unternehmen beschäftigt und hat somit Zugriff auf sämtliche Unternehmensinformationen, die elektronisch gespeichert sind. Ein Schelm wer nun böses denkt. Dies erkennen unter Umständen auch der zuständige Abteilungsleiter und der Geschäftsführer und erinnern sich daran, dass seit einem geraumen Zeitraum ohnehin sämtliche Dateizugriffe aller Mitarbeiter überwacht und protokolliert werden und eine Einsichtnahme in die Überwachungsprotokolle nicht schaden könnte.

Man stelle sich nun (natürlich rein fiktiv) vor, der Betriebsratsvorsitzende wird dabei erwischt, wie er Einblick in die elektronischen Lohn- und Gehaltsabrechnungen der übrigen Mitarbeiter nimmt. Zu beachten ist hierbei, dass Lohn- und Gehaltsdaten natürlich auch sensible Daten wie die Bankverbindung, die Steuerklasse und die Kirchenzugehörigkeit etc. enthalten. Um es etwas spannender zu machen sei erwähnt, dass der Betriebsratsvorsitzende neuerdings auch noch Mitglied im Lohn- und Gehaltsausschuss (§80 II 2 BetrVG) ist und somit die Berechtigung besitzt, Einblick in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter zu nehmen. Eine Betriebsvereinbarung zum Einsatz von EDV- und Kommunikationsmitteln besteht und sieht eine Protokollierung in bestimmten Fällen zwar vor, diese Fälle sind aber vorliegend nicht einschlägig.

Der Chef und der Abteilungsleiter fühlen sich nun tief enttäuscht und entschließen sich das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen (§15 I KSchG). Der übrige Betriebsrat, angesichts des aus seiner Sicht unhöflichen Verhaltens natürlich etwas verstimmt, verweigert selbstverständlich die notwendige Zustimmung (§103 I BetrVG), so dass der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragt diese zu ersetzen. Chef und Abteilungsleiter fühlen sich allerdings auf der sicheren Seite, schließlich hat auch schon das Landesarbeitsgericht München die Zulässigkeit von Kündigungen aufgrund unbefugter Datenzugriffe bejaht.

Aber sollte es tatsächlich so leicht sein, einen Betriebsratsvorsitzenden loszuwerden?

Betrachten wir diese kleine fiktive Geschichte aber nun einmal im Detail:

Auf der einen Seite verschafft zwar die Mitgliedschaft im Lohn- und Gehaltsausschuss ein Einsichtnahmerecht, jedoch keinerlei selbständiges Beschaffungsrecht von Lohn- und Gehaltsdaten. Zudem ist das Recht auf Einsichtnahme auf die Bruttogehälter beschränkt und umfasst nicht die für die Ermittlung oder Auszahlung des Nettogehaltes wesentlichen Faktoren (Steuerklasse, Kirchenzugehörigkeit, Bankdaten etc.). Die Einsichtnahme seitens des Betriebsratsvorsitzenden erfolgte damit unbefugt.

Dies hat nicht unerhebliche Folgen:

Denn soweit personenbezogene Daten zu Bank- oder Kreditkartenkonten Dritten unrechtmäßig zur Kenntnis gelangt sind, ist dies im Wege einer sog. Security-Breach-Notification unverzüglich der zuständigen Aufsichtsbehörde sowie den Betroffenen mitzuteilen (§42a BDSG). Dritter ist nach der gesetzlichen Definition jede Person oder Stelle außerhalb der verantwortlichen Stelle (§3 VIII 2 BDSG). Wird aber der Mitarbeiter (wie hier) nicht für die verarbeitende Stelle sondern für sich tätig, so ist er Dritter im Sinne der Vorschrift. Das Unterlassen einer gebotenen Mitteilung kann mit einem Bußgeld von bis zu 300.000,- EUR geahndet werden (§43 II Nr. 7, III BDSG).

Auf der anderen Seite ist die Datenerhebung seitens des Arbeitgebers (Protokollierung) nur dann zulässig, wenn ein Gesetz oder eine Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet (sog. Erlaubnisvorbehalt) oder der Betroffene eingewilligt hat (§4 I BDSG). Vorliegend sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Datenerhebung abschließend in der Betriebsvereinbarung definiert. Das unbefugte Erheben oder Verarbeiten personenbezogener Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, stellt eine Ordnungswidrigkeit dar (§43 II BDSG), welche mit einer Geldbuße in Höhe von bis zu 300.000,- EUR geahndet werden kann. Die Betriebsvereinbarung, welche eine Rechtsvorschrift im Sinne des BDSG darstellt, sieht eine Protokollierung für den vorliegenden Zweck jedoch nicht vor. Eine Einwilligung oder andere Rechtsvorschrift, welche eine permanente Überwachung aller Mitarbeiter erlauben würde, besteht nicht. Die mit der elektronischen Datenverarbeitung grundsätzlich verbundenen technischen Möglichkeiten zur Überwachung können zudem massiv in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer eingreifen. Da vorliegend alle Mitarbeiter anlasslos einer permanenten Überwachung unterliegen, dürfte der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht selbst im Falle des Vorliegens einer entsprechenden Betriebsvereinbarung unzulässig und die Betriebsvereinbarung unwirksam sein, denn für Betriebsvereinbarungen gelten die gleichen verfassungsrechtlichen Maßstäbe wie für Gesetze (siehe z.B. Bundesarbeitsgericht, Beschluß vom 26.8.2008, 1 ABR 16/07). Dieser schwerwiegende Verstoß gegen das Datenschutzrecht führt zu einem Beweisverwertungsverbot.

Fassen wir die Ergebnisse kurz zusammen:

Der Betriebsrat hat sich unbefugt Einsicht in Lohn- und Gehaltsdaten verschafft. Eine Kündigung scheidet jedoch aufgrund des im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wirkenden Beweisverwertungsverbotes aus. Die weitere Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat dürfte sich, vorsichtig gesagt, in der Zukunft recht schwierig gestalten.

Auf der anderen Seite ist der Arbeitgeber zu einer Security-Breach-Notification gegenüber den sonstigen Arbeitnehmern und der Aufsichtsbehörde verpflichtet und geht bei Unterlassen ein hohes Bußgeldrisiko ein

Zusätzlich hat der Arbeitgeber selbst ein Bußgeld wegen unzulässiger Datenerhebung verwirkt.

Fazit:

Wie sagt schon das altbekannte Sprichwort: „Wer anderen eine Grube gräbt…“ Manchmal macht es eben doch Sinn, jemanden zu fragen der sich damit auskennt, so z.B. den eigenen Datenschutzbeauftragten. Dumm nur wenn man „vergessen“ hat diesen zu bestellen….

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